Finale

Der Rest der Welt

Heute möchte ich vor allem den nichtjüdischen Lesern ein Geheimnis offenbaren – jüdische Leser sind natürlich auch eingeladen. Viele kennen die Bilder, auf denen man Rabbiner sieht, wie sie ihre Augen zusammenkneifen und manchmal sogar mit der Lupe kontrollieren, ob Etrog und Lulav koscher sind.

Mein Lieblingsfoto ist schwarz-weiß, und da sieht man einen Rabbiner, wie er seine Brille in den Mund steckt und ein Auge geschlossen hält. Der Mund ist leicht geöffnet, und ein bisschen lugt auch die Zungenspitze heraus. In der Hand hält er den Etrog. Der Etrog ist wahrscheinlich gelb, schwer zu sagen, es ist ja eine SchwarzWeiß-Aufnahme.

Lulav Und jetzt zum Geheimnis: Viele Juden spielen nur! Sie haben keine Ahnung. Null. Beispiel? Beni Frenkel. Ich hatte meinen Lulav in einem großen Saal gekauft, wo Hunderte von Lulavs verkauft wurden. An den Tischen standen Kinder, die sich ein Taschengeld erhofften, wenn sie den Unwissenden helfen konnten.

Ich selbst habe absolut keine Ahnung, wann ein Lulav koscher ist und wann nicht. Ich denke mal, wenn er nach unten hängt oder schwarz ist, dann ist er nicht koscher. Selbstverständlich habe ich trotzdem meine gute Briefmarkenlupe mitgenommen. Zehnfache Vergrößerung. Nicht billig. Neben mir stand ein Bekannter, der ebenfalls kein Maimonides ist. Er hatte ebenfalls eine Lupe dabei, wenn auch eine, die etwas günstiger ist als meine. Wir standen also nebeneinander und taten so, als wären wir Doktor Lulav. Schlimmer als einen unkoscheren Lulav zu kaufen, ist es nämlich, als jüdischer Simpel durch die Welt zu laufen. Also wie jemand, der gleich von einem Lubawitscher überfallen wird.

Qualität Der Bekannte murmelte etwas von »schlechter Qualität«, während ich vom 2008er-Jahrgang schwärmte. Ich hielt meine Briefmarkenlupe so nahe ans Auge, dass ich nichts mehr sehen konnte. Dann tadelte ich meinen Lulav: »Na ja, geht gerade noch so.«

Mein unwissender Bekannter rümpfte ebenfalls seine Nase: »Dieses Jahr muss mein Lulav noch koscherer sein als der vom letzten Jahr.« Natürlich hatte er keine Ahnung. Nur blöd rumquatschen kann jeder.

Sowieso hielt er seinen Lulav verkehrt herum. Ich schüttelte den Kopf und roch am Etrog: »Nussig, ein Hauch von Kirschbaum.« Dann hielt ich ihn gegen das Neonröhrenlicht: »Ausgewogen, koscher, endoplasmatisches Retikulum!«

Mein Konkurrent musste natürlich auch alle Etrogs betatschen und leicht klopfen, als wären wir hier an einem Markt und kauften Wassermelonen. Nochmals schüttelte ich meinen Kopf und ging Richtung Kasse. Ein Junge mit Schläfenlocken bediente sie und rief mir zu: »Herr Frenkel, Sie haben aus Versehen das Etrog-Schaumodell genommen. Das ist aus Plastik!«

Medien

»Besonders perfide«

Israels Botschafter wirft ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann Aktivismus vor. Die Hintergründe

 18.07.2025

London

Kneecap und Massive Attack wollen andere israelfeindliche Bands unterstützen

Einige der Initiatoren einer neuen Initiative verherrlichten den palästinensischen und libanesischen Terror auf der Bühne. Andere verglichen das Vorgehen Israels gegen die Hamas mit dem Holocaust

von Imanuel Marcus  18.07.2025

Darmstadt

Literaturpreise für Dan Diner und Ilma Rakusa

Diner habe die Geschichte des Judentums immer wieder als »Seismograph der Moderne« verstanden, begründete die Jury die Wahl

 18.07.2025

Nachruf

Nie erschöpfter, unerschöpflicher Herrscher des Theaters

Claus Peymann prägte das Theater im deutschen Sprachraum wie nur wenige andere. Nun ist er in Berlin gestorben. Erinnerungen an einen Giganten der Kulturszene

von Christian Rakow  18.07.2025

Kulturpolitik

Weimer sieht autoritäre Tendenzen im Kulturbetrieb

Attacken auf das weltberühmte Bauhaus und steigende Judenfeindlichkeit: Nach Einschätzung von Kulturstaatsminister Weimer steht der Kulturbetrieb zunehmend unter Druck

von Katrin Gänsler  18.07.2025

Tournee

Bob Dylan auf drei deutschen Bühnen

Das Publikum muss sich bei den Vorstellungen der lebenden Legende auf ein Handyverbot einstellen

 18.07.2025

Marbach

Israelische Soziologin Eva Illouz hält Schillerrede

Illouz widme sich dem Einfluss wirtschaftlichen Denkens und Handelns und greife damit Widersprüche kulturgeschichtlich auf, hieß es

 17.07.2025

Musik

1975: Das Jahr großer Alben jüdischer Musiker

Vor 50 Jahren erschienen zahlreiche tolle Schallplatten. Viele der Interpreten waren Juden. Um welche Aufnahmen geht es?

von Imanuel Marcus  17.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  17.07.2025 Aktualisiert