Finale

Der Rest der Welt

Das schweizerische Pendant zur »Jüdischen Allgemeinen« heißt »tachles«. Auch hier bespricht ein Rabbiner den Wochenabschnitt, ein Korrespondent berichtet über die Geschehnisse in Israel, und fleißige Gemeindemitglieder schreiben über sehr, sehr wichtige Anlässe.

Klar, es gibt schon Unterschiede zwischen den beiden Publikationen. Ich persönlich habe »tachles« früher praktisch nie gelesen. Wenn ein Exemplar irgendwo herumlag, dann habe ich zu der Seite mit den Familiennachrichten geblättert und erleichtert festgestellt, dass aus meiner Familie diese Woche niemand gestorben ist.

kostenlos Dann habe ich aber vor zwei Monaten den Friseur gewechselt: Heinz Bächli (Nichtjude). Heinz Bächli wohnt in einer »jüdischen« Straße und hat deswegen auch jüdische Kunden. Das muss sich herumgesprochen haben. Bis zur Verlagsstelle beim »tachles«. Und so schicken die ihm seit Jahren »tachles«, natürlich kostenlos.

Heinz Bächli mag mich sehr. Ich ihn aber auch. Wenn ich am Freitag mit meinem Fahrrad an seinem Geschäft vorbeiradle, steht der Heinz schon vor der Tür und wirft mir »tachles« auf den Gepäckträger – wie bei der Tour de France! Da die Straße dort immer ein bisschen ansteigt, keuche ich ihm »Gut Schabbes« zu und überlege jedesmal, wie ich Heinz meine Dankbarkeit zeigen kann. Ich habe ihm auch schon Schokolade vorbeigebracht. Die mag der Heinz aber nicht: das Herz. Bier? Nicht so sein Geschmack. Aber Herr Bächli, was mögen Sie denn? Sie müssen mir doch nichts geben, Herr Frenkel. Aber Rotwein, den trinke ich gerne abends. Rotwein.

Gesetz Das ist ein bisschen kompliziert. Heinz Bächli ist ja Nichtjude. Und ich darf einem »Goj« keinen Wein überreichen. Das habe ich mal irgendwo gelernt. Das führt sonst zu Unzucht. Sie wissen schon: Der Wein vernebelt die Sinne, man zieht sich aus und macht all die Sachen, die eben verboten sind. Andererseits: Herr Bächli ist über 60, ich bin dreifacher Familienvater – was kann da passieren? Aber klar, Gesetz ist Gesetz.

Ich steckte also wieder einmal in so einer jüdischen Zwickmühle. Mittlerweile lese ich »tachles« nämlich gerne und entdecke noch ganz andere Seiten als die mit den Todesnachrichten. So nahm ich jedes Mal die Zeitung entgegen und hatte immer ein schlechtes Gewissen. Hätte er sich doch Gold oder Diamanten gewünscht! Oder Whisky!

Der führt – gemäß Tora – nicht zu Unzucht. Plötzlich kam die Erleuchtung: koscherer Wein! Den darf ich ihm schenken, glaube ich. Ich ging in den Koscherladen und kaufte einen tollen israelischen Wein (10 Euro). Heinz freute sich wahnsinnig. An dem Freitagabend musste ich an ihn denken. Ich kaufte mir nämlich auch so eine Flasche. Schabbat Schalom!

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  14.11.2025

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025

Kino

Zwischen »Oceans Eleven« und Houdini-Inszenierung

»Die Unfassbaren 3« von Ruben Fleischer ist eine rasante wie präzise choreografierte filmische Zaubershow

von Chris Schinke  13.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 13.11.2025

Film

Dekadenz, Krieg und Wahnsinn

»Yes« von Nadav Lapid ist provokativ und einseitig, enthält aber auch eine tiefere Wahrheit über Israel nach dem 7. Oktober

von Sascha Westphal  13.11.2025

Kolumne

Hineni!

Unsere Autorin trennt sich von alten Dingen und bereitet sich auf den Winter vor

von Laura Cazés  13.11.2025

Zahl der Woche

-430,5 Meter

Fun Facts und Wissenswertes

 12.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 13. November bis zum 20. November

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025