Ausstellung

Der Poet der Beat Generation

Das Karlsruher ZKM erinnert an den amerikanischen Dichter Allen Ginsberg

von Georg Patzer  17.06.2013 17:29 Uhr

Rebell in Anzug und Krawatte: Der späte Allen Ginsberg war ein etablierter Dichter. Foto: dpa

Das Karlsruher ZKM erinnert an den amerikanischen Dichter Allen Ginsberg

von Georg Patzer  17.06.2013 17:29 Uhr

Einer der größten buddhistischen Dichter unserer Zeit war wohl Allen Ginsberg. Jüdisch war er auch. Zudem einer der wichtigsten politischen Aktivisten und einer der experimentellsten Poeten seiner Ära, der 50er- und 60er-Jahre. Homosexuell in einer Zeit, in der es verboten war, mit Drogen experimentierend, auch das war natürlich verboten. Kurz: ein Mann mit vielen Facetten und Widersprüchen, die sich in ihm alle auflösten.

»howl« Geboren wurde Irwin Allen Ginsberg am 3. Juni 1926 in Newark, New Jersey (er starb am 5. April 1997). Seine Mutter Naomi war Kommunistin, litt unter Verfolgungswahn und wurde öfter in psychiatrische Kliniken eingeliefert, sein Vater Louis war Lyriker und Lehrer an einer High School. 1943 ging Allen Ginsberg auf die Columbia-Universität mit einem Stipendium der Young Men’s Hebrew Association. Dort änderte sich sein Leben gründlich. Er traf Jack Kerouac, William Burroughs, Neal Cassady und Gregory Corso. Sie wurden die Keimzelle der »Beat Generation«.

Es war die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die USA waren der mächtigste Staat der Welt geworden. Man sprach vom »American Century« und der Verwirklichung des amerikanischen Traums von Glück und Geld für alle. Aber Glück, das ist so eine Sache. Manche verstanden etwas anderes darunter als Eigenheim, Kleinfamilie, Fernseher und Zweitwagen. Sie machten sich auf, andere Werte zu entdecken: Jazz, Drogen, Sex, Freiheit. Und eine neue Sprache.

Einer der Wortführer dieser Beat Generation war Allen Ginsberg. 1954 hatte er in San Francisco seinen langjährigen Liebhaber Peter Orlovsky kennengelernt und Autoren wie Kenneth Rexroth, Gary Snyder und Philip Whalen. Am 7. Oktober 1955 fand in der »Six Gallery« die Lesung statt, in der Ginsberg sein wohl berühm testes Gedicht las, Howl. Noch heute sind die Eingangsworte berühmt: »Ich sah die besten Köpfe meiner Generation zerstört vom Wahnsinn, ausgemergelt hysterisch nackt, wie sie sich im Morgengrauen durch die Negerstraßen schleppten auf der Suche nach einer wütenden Spritze ...« Als das Verswerk 1956 als Buch erschien, kam es zu einem Skandal und einem richterlichen Verbot. Aber dadurch wurde Ginsberg nur noch berühmter.

filme In einer kleinen Ausstellung erinnert jetzt das Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie ZKM an Allen Ginsberg. Die Schau ist audiovisuell angelegt. Sie besteht fast vollständig aus Hördokumenten und vor allem aus Filmen. In denen sind natürlich auch Bücher, Texte und Gedichte zu sehen, unter anderem die von Ginsberg handschriftlich korrigierten Seiten von Howl. Vor allem aber zeigen sie Ginsberg selbst: 1959 mit Corso und –, mit Burroughs 1963, mit Michael McClure (der im ZKM ständig »Mac Clure« geschrieben wird). Wir sehen Ginsberg, wie er Ausschnitte aus der Plutonian Ode vorträgt, und zusammen mit Philip Glass in einer Performance von Wichita Vortex Sutra. Dazu kommen einige Dokumentationen, etwa vom Parteitag der Demokraten in Chicago 1968.

Das ist allerdings völlig unzureichend, um sich wirklich ein Bild des Beat-Poeten in seiner ganzen Komplexität zu machen. Zwar gibt Allen Ginsberg in einem ebenfalls gezeigten mehrstündigen Interview mit dem Kurator der Ausstellung, Jean-
Jacques Lebel, erschöpfend Auskunft über sein Leben, über sein Verhältnis zu Dichtern wie Antonin Artaud und Ezra Pound; er spricht über Buddhismus, Drogen und seine Eltern.

Sutra Aber es fehlen die Erklärungen und die Einbettung in den historischen Kontext. Wer weiß schon, was in Chicago 1968 und danach passiert ist und in welchem, auch eminent politischen, Zusammenhang die Sutra-Gesangs-Auftritte standen? Ginsbergs Texte selbst liegen nir-gends aus, vieles, wie die Zusammenarbeit mit Bob Dylan, Tschögyam Trungpa oder Nam June Paik wird nur angedeutet. Auch Ginsbergs persönliche Entwicklung wird nirgends erklärt, und kritische Stimmen sind nicht zu hören oder zu sehen.

Nicht zuletzt fehlt vor allem auch die Ruhe, sich in all die Informationen zu vertiefen. Denn Filme rauschen nun einmal an einem vorbei. Das ist schade, denn anhand der Person von Allen Ginsberg, dem buddhistischen Juden, dem linksradikalen Poeten, dem schwulen Avantgardisten, hätte man wunderbar eine ganze Epoche exemplifizieren können.

»Beat Generation/Allen Ginsberg«.
ZKM Karlsruhe, bis 1. September
www.zkm.de

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