J.D. Salinger

Der mysteriöse Erfolgsautor

J.D. Salinger wurde mit »The Catcher in the Rye« berühmt. Foto: dpa

Der Fänger im Roggen ist in den USA einer der meistverkauften Romane überhaupt. Über den Mann, der den Bestseller von 1951 schrieb, Jerome David (J.D.) Salinger, weiß man allerdings nur wenig Persönliches. Er wollte es so.

Im Buch erzählt der 16-jährige Internatsschüler Holden Caulfield vom Gefühl des Angewidert-Seins in einer verlogenen und scheinheiligen Welt. In Caulfield steckt wohl ein Stück Salinger, wie man annehmen darf. Der US-amerikanische Schriftsteller wurde vor 100 Jahren, am 1. Januar 1918, in New York geboren.

TEENAGER Sein Roman erschien in der Sprache eines Teenagers. Das war Anfang der 50er-Jahre revolutionär. Amerika war auf Wohlstand orientiert, die von Holden Caulfield verachtete Welt galt allgemein als die erstrebenswerte. Junge Leser verstanden den Protagonisten aber instinktiv in dieser »Bibel« des jugendlichen Aufbegehrens. In einer Rezension im Magazin »The Nation« hieß es dazu, der Roman reflektiere anscheinend, »was ein jeder empfindsame Sechzehnjährige« fühle.

Noch Jahre nach dem Erscheinen wurde gelegentlich die Forderung erhoben, man solle das obszöne Werk aus dem Verkehr ziehen. Denn als Vorbild ist der junge Caulfield nicht geeignet.

SEX Im Roman streift er vor Weihnachten ein paar Tage durch Manhattan. Trinkt, raucht, flucht, hätte gerne Sex. Er will seinen Eltern nicht sagen müssen, dass er wieder einmal von einer teuren Privatschule geflogen ist. Er misstraut der Welt.

Doch tiefschürfende Lehren lassen sich eher nicht ziehen. Die britische Zeitung »Guardian« zitierte Salinger einmal: »An Holden Caulfield ist nicht mehr dran ... Holden Caulfield ist lediglich ein eingefrorener Augenblick.« Leser und Akademiker sind noch heute auf der Suche nach dem »wirklichen« J.D. Salinger. Dessen Gesamtwerk ist schmal und besteht hauptsächlich aus Kurzgeschichten. Seit seiner letzten im Magazin »New Yorker« 1965 hatte Salinger nichts mehr publiziert.

Leser und Akademiker sind noch heute auf der Suche nach dem »wirklichen« J.D. Salinger.

Salinger hat sich nach dem Erfolg mit dem Fänger im Roggen bis zu seinem Tod 2010 in einem abgelegenen Dorf in New Hampshire verschanzt und Interviews verweigert. Er sei »berühmt geworden, weil er nicht berühmt werden sollte«, schrieb die »New York Times« im Nachruf. Möglicherweise hat er weitergeschrieben. Fans spekulieren über Texte, die irgendwann einmal auftauchen könnten.

FACEBOOK Salinger war offenbar einer, der nicht gefragt werden wollte. Das ist schwer zu vermitteln im Facebook-Zeitalter. Doch es war nicht ungewöhnlich für Männer und Kriegsveteranen von Salingers Generation. Kenneth Slawenski hat in der Biografie J.D. Salinger: A Life (2010) über »körperliche und psychologische Narben« geschrieben, die der Krieg bei Salinger hinterlassen habe. Salinger landete im Juni 1944 mit der alliierten Invasion in der Normandie, kämpfte im Herbst bei der blutigen Schlacht im Hürtgenwald in der Nordeifel – und tippte »nebenbei« Manuskripte.

Gegen Kriegsende hat Salingers Einheit ein Nebenlager des Konzentrationslagers Dachau befreit. Der Biograf schreibt, dies sei ein »Alptraum« gewesen, der »unauslöschliches Leid verursacht« habe, und zitiert Salinger mit den Worten: »Man kann ein ganzes Leben leben, und den Geruch von brennendem Fleisch nie mehr aus der Nase bekommen«. Nach Kriegsende ließ Salinger sich mehrere Wochen in einer Klinik behandeln wegen »battle fatigue«, Kampfmüdigkeit. Heute würde man von PTBS sprechen, posttraumatischer Belastungsstörung.

New York City Aufgewachsen ist J.D. Salinger in einem wohlhabenden Elternhaus in New York City in einer für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Familie. Die jüdischen Eltern seines Vaters waren aus Osteuropa eingewandert. Seine Mutter, der Salinger den Fänger im Roggen gewidmet hat, kam aus einer christlichen Familie. Schon im Studium fing Salinger mit dem Schreiben an. Der »New Yorker«, der heilige Gral für junge Autoren, kaufte seinen ersten Text 1941. Er befasste sich mit Holden Caulfield.

Die von Slawenski betriebene Webseite zitiert Salingers Sohn Matt Salinger zum Jahrhundert-Geburtstag. Sein Vater habe Geburtstage und »so ziemlich alle geplanten und kulturell vorgeschriebenen Feiern verabscheut«. Dennoch habe Matt mitgeteilt, er hoffe, Leser würden sich über einen Anlass freuen, sich an J.D. Salinger zu erinnern.

Kolumne

Von der Verheißung zum Manöver

»Sapad«, das russische Wort für Westen – Geschichte eines Bedeutungswandels vom Vorbild zum Feindbild

von Eugen El  21.05.2025

«Märzenschnee»

Auktion mit Pechstein-Gemälde aus Besitz von Walter Rathenau

Als Walter Rathenau 1909 eine Ausstellung besuchte, kaufte er ein Gemälde: »Märzenschnee« von Max Pechstein. Nun wird das Bild versteigert, das eine interessante Geschichte hat

 21.05.2025

Konzert

Nani Vazana ehrt Nina Simone in Frankfurt

Die israelisch-niederländische Sängerin ist auch für Songs auf Ladino, der Sprache ihrer sephardischen Vorfahren, bekannt

 21.05.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 22. Mai bis zum 29. Mai

 21.05.2025

Sachbuch

Studierende und die deutsch-israelische Diplomatie: »Reparationen kein Ersatz für Anerkennung«

In diesem Jahr wird die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel vor 60 Jahren gefeiert. Die Entwicklung hatte Vorläufer auch an Universitäten, wie ein neues Buch zeigt

von Leticia Witte  21.05.2025

Studie

Nur geringes Vertrauen in Nahost-Berichterstattung

Lediglich 27 Prozent der Befragten gaben in einer Studie an, sie würden den Berichten über Israel und Gaza »voll und ganz« oder überwiegend vertrauen

 21.05.2025

Zahl der Woche

0,794 Prozent

Fun Facts und Wissenswertes

 21.05.2025

Literatur

»Ginsterburg«: Arno Frank über eine Kleinstadt zur NS-Zeit

Der Roman fokussiert sich auf die Jahre 1935, 1940 und 1945. In dieser Zeit verändert sich das Leben der Menschen in einer fiktiven deutschen Kleinstadt grundlegend

von Sibylle Peine  21.05.2025

München/Oswiecim

Leon Kahane warnt vor einer gedankenlosen Gedenkkultur

Gewalt als Garant für Tiefe? Ein Künstler sieht das kritisch. Werke über Auschwitz seien möglich, müssten aber behutsam entstehen: Sonst drohe das Gedenken zur hohlen Geste zu werden

von Paula Konersmann  21.05.2025