Kino

Der Mann, der Hitler töten wollte

Szene aus »Elser« Foto: Lucky Bird Pictures

Er hätte die Welt verändert», lautet der Untertitel zu Oliver Hirschbiegels neuem Film Elser. Und in diesem Fall liegt in der großmauligen Ankündigung mal keine Übertreibung: Georg Elser hätte in der Tat die Welt verändert, wenn sein Attentat auf Hitler am 8. November 1939 gelungen wäre.

Die Bombe, die an diesem Abend im Münchner Bürgerbräukeller hochging, hätte zusammen mit Adolf Hitler fast die gesamte Nazi-Führung in den Tod gerissen. Es fehlte eine Kleinigkeit von 13 Minuten – gegen den ursprünglichen Plan nämlich hatten Hitler und seine Entourage den Bürgerbräukeller früher als vorgesehen verlassen.

Motive Niemand weiß, wie die Welt ausgesehen hätte, wenn das Attentat wie beabsichtigt abgelaufen wäre. Allein schon der Reiz, der von der Vorstellung eines alternativen historischen Verlaufs ausgeht, hätte dem Bombenleger Elser einen hohen Bekanntheitsgrad sichern müssen. Trotzdem ist sein Name in Deutschland kaum geläufig; seine Motive galten lange als dubios. International ist er ein nahezu Unbekannter.

Oliver Hirschbiegels Elser-Film trägt für den Weltmarkt denn auch den Titel 13 Minuten, wie um diesen spekulativen Thrilleraspekt der Geschichte zu betonen. Für Deutschland aber bürgt der auf den Namen beschränkte Originaltitel für das Anliegen sowohl des Regisseurs Hirschbiegel als auch der Drehbuchautoren Fred und Léonie-Claire Breinersdorfer, nämlich Georg Elser als Person mit seinem Werdegang und seinen Motiven bekannt zu machen und ihn damit endlich gebührend zu würdigen.

Der Film beginnt im Thrillermodus mit den «Schicksalsmomenten» seiner Hauptfigur. Man sieht, wie Elser, gespielt vom Magdeburger Schauspieler Christian Friedel, in heimlicher Nachtarbeit im Bürgerbräukeller den Sprengstoff in Stellung bringt. Seine blutigen Finger und sein schwerer Atem belegen die Mühsal der Vorbereitung.

Zeitzünder Dann zeigt der Film, wie Elser festgenommen wird, als er versucht, in die Schweiz zu gelangen – am Abend des 8. November, an dem zugleich seine mit Zeitzünder gesetzte Bombe in München hochgeht – besagte 13 Minuten zu spät, um noch Hitler zu erwischen, der wegen schlechten Wetters vom Flugzeug auf die Bahn nach Berlin ausweichen musste und deshalb seine Rede verkürzt hatte. Was Elser bei seiner Verhaftung bei sich hatte, machte es offenbar einfach, ihn mit der Bombe in Verbindung zu bringen.

Als Attentäter überführt, wurde Elser mit «verschärften» Mitteln verhört, weil man es für unmöglich hielt, dass er allein gehandelt habe. Von den Grausamkeiten des Verhörs weg blendet der Film in amerikanischer Biopic-Tradition zurück zu Szenen, die vorstellen, woher dieser Elser kam und was ihn dazu getrieben hatte, im Alleingang ein Attentat auf Hitler zu planen. Erzählt wird von den 30er Jahren, die Elser im Wesentlichen in seiner Heimat Königsbronn am Ostende der Schwäbischen Alb verbracht hat. Es ist die Geschichte eines charmanten Querkopfes, der mit den Kommunisten sympathisiert, als die sich noch jungenhaft-harmlos mit den Nazis der Gegend prügeln.

Elser hält sich abseits, auch als nach der Machtergreifung mit Verfolgung und Ausgrenzung ernst gemacht wird. Wie aus Dorfnachbarn Feinde werden und kleine Kinder, gestärkt durch Uniformen, sich zum höhnischen Mob wandeln – das alles zeigt Elser als seltene Form des Heimatfilms: als Geschichte des «ganz gewöhnlichen Faschismus».

mythos Hirschbiegels wohl bekanntester Film Der Untergang war geprägt von einer auch unguten Form der Faszination für sein Thema. In Elser aber gelingt Hirschbiegel sehr viel mehr. Der Film entlarvt mit dem Werdegang seiner Hauptperson auch den deutschen Lieblingsmythos, von wegen man habe nichts gewusst. Wie Elser, der aus einfachsten Verhältnissen stammte, hätte jeder mitbekommen können, dass Kommunisten verhaftet und Juden ausgegrenzt wurden, und dass Deutschland in großem Stil Aufrüstung betrieb.

Mit entsprechend verächtlichem Stolz besteht Elser gegenüber seinen Verhörern auf seiner Alleintäterschaft: «Sie werden lachen. Es hätte auch keiner mitgemacht.» So wird Elser nicht zuletzt dank des hervorragenden Spiels von Christian Friedel zu einer faszinierenden, vieldeutigen Figur, über die man noch weit mehr erfahren möchte.

Sehen Sie hier den Trailer:
www.youtube.com/watch?v=xK0tSgq1Qss

Justiz

Dieter Hallervorden und Diether Dehm zeigen Kanzler Friedrich Merz wegen »Drecksarbeit«-Aussage an

Mit seiner Bemerkung zu Israels Angriff auf den Iran hat Kanzler Merz für viel Zustimmung und Ablehnung gesorgt. Nun sollte sich die Justiz damit beschäftigen, meinen einige

 20.06.2025

Medien

Enkel des »Weltbühne«-Gründers übt scharfe Kritik an Verleger Friedrich

Erst kürzlich hatte der Verleger der »Berliner Zeitung« die Zeitschrift »Weltbühne« wieder aufleben lassen. Nun erhebt der Enkel des jüdischen Gründers schwere Vorwürfe gegen ihn

 20.06.2025

TV-Tipp

Robert Lembke: Schikaniert wegen seines jüdischen Vaters

Wer war der Moderator Robert Lembke? 70 Jahre nach dem Start der legendären Quizsendung »Was bin ich?« fasziniert das Dokudrama »Robert Lembke – Wer bin ich?«. Ein Schatz in der ARD-Mediathek

von Gregor Tholl  20.06.2025

Ausstellung

Die Schocken-Show

Das Jüdische Museum Berlin ehrt den Unternehmer und Verleger Salman Schocken dank eines Stars der US-Literatur

von Sophie Albers Ben Chamo  19.06.2025

Kulturkolumne

Zwischen Kotel und Kotti

Wie KI unseren Autor berühmt machte

von Eugen El  19.06.2025

FU Berlin

Sparmaßnahmen an Berliner Hochschulen treffen wohl auch Judaistik

An der Freien Universität ist unklar, ob eine Professur neu besetzt wird.

 19.06.2025

Fürth

Jüdisches Museum sucht geraubte kleine Dame

Man werde für eine Suchaktion an alle bekannten Kunstgalerien Flyer schicken und eine Anzeige in einer überregionalen Tageszeitung aufgeben

 18.06.2025

Sachbuch

Zweistaatenlösung, erster Versuch

Oren Kessler zeigt, wie sich bereits 1936 ein Grundmuster des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern herausbildete

von Ralf Balke  18.06.2025

Zahl der Woche

8. Platz

Fun Facts und Wissenswertes

 18.06.2025