Musik

Der »Maestro« ist tot

Am Sonntag starb der Komponist und Sänger Zvika Pick. Die israelische Poplegende wurde 72 Jahre alt

von Ralf Balke  18.08.2022 09:54 Uhr

Multitalent Zvika Pick (1949–2022) Foto: FLASH 90

Am Sonntag starb der Komponist und Sänger Zvika Pick. Die israelische Poplegende wurde 72 Jahre alt

von Ralf Balke  18.08.2022 09:54 Uhr

Er verkörperte in Israel den Glamour zu einer Zeit, als allerorten noch arbeiter­zionistischer Puritanismus herrschte. Denn in den frühen 70er-Jahren als Musiker geschminkt, mit langen Haaren und einem schrillen Outfit aufzutreten, das David Bowie alle Ehre gemacht hätte, war so eine Sache. Kurzum, der 1949 im polnischen Wrocław geborene Zvika Pick, der mit seiner Familie 1957 nach Israel kam, traute sich etwas.

Zu Beginn seiner Karriere stand Pick noch ausschließlich selbst auf der Bühne, landete mit »Mary Lou« oder »Ahava Besof Hakaitz« (deutsch: »Liebe am Ende des Sommers«) einen Hit nach dem anderen, schrieb quasi den »Soundtrack der Nation«.

ausbildung Zudem hatte er im Unterschied zu den meisten anderen Musikern eine klassische Ausbildung genossen – wohl einer der Gründe, warum er von Kollegen und Fans oft nur der »Maestro« genannt wurde. HaMaestro lautete übrigens auch der Titel einer TV-Serie von 2005, in der sein Leben sowie das der Familie Pick im Mittelpunkt stehen – »The Osbournes« lassen grüßen.

Zusätzliche Berühmtheit sollte Pick durch seine Mitwirkung in der hebräischen Adaption des weltbekannten Musicals Hair von 1970 erlangen, wo er die Rolle des Claude übernahm, eines jungen Mannes, der hin- und hergerissen ist zwischen patriotischen Gefühlen und seinen neuen Hippie-Freunden in der Großstadt.

Bis 1980 hatte es Pick schon auf zehn Alben gebracht. Auf einem der Cover ist der Sänger zu sehen, wie er von einigen halb nackten Frauen angehimmelt wird – im damals prüden Israel ein Skandal. Aber die Betonung einer nicht immer eindeutigen Sexualität und das bewusste Imitieren von internationalen Rockstars sollten bald schon sein Markenzeichen werden.

Wahrheit »Ich will Ihnen mal die Wahrheit sagen«, so Pick 1986 im Interview mit dem Radiosender Reschet Gimmel. »Wegen des besonderen Stils der Musik, die ich damals nach Israel gebracht habe, wegen der visuellen Effekte, die immer im Vordergrund standen, reagierten die Medien zunächst schockiert«, skizziert er die Art und Weise, wie man ihn zu Beginn seiner Karriere rezipierte. »Sie wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten. Natürlich, wenn jemand aus dem Ausland kommt, beispielsweise David Bowie oder Mick Jagger, dann wird alles sofort akzeptiert und verstanden. Wenn es aber etwas Israelisches sein soll, dann erscheint es seltsam und außergewöhnlich.«

Parallel zur eigenen Karriere verschaffte Pick auch anderen Stars immer wieder einen Booster, indem er Songs für sie schrieb.

Parallel zur eigenen Karriere verschaffte Pick auch anderen Stars immer wieder einen Booster, indem er Songs für sie schrieb. Die bekanntesten sind »Schir Hafrecha« (deutsch: »Schlampenlied«) für Ofra Haza und »Diva« für Dana International, die damit 1998 den Eurovision Song Contest für Israel gewann.

schlaganfall Der Name Pick erlangte weitere Berühmtheit, als Daniella Pick, eines seiner fünf Kinder, den US-Regisseur Quentin Tarantino heiratete. 2018 erlitt der Musiker einen Schlaganfall, der seine Sprachfähigkeit und Motorik stark beeinträchtigte. Obwohl sich sein Zustand in den Jahren danach etwas besserte, konnte er nicht mehr so oft auftreten oder schreiben wie früher.

Sein Tod am Sonntag, dessen Ursache nicht genannt wurde, hat bei vielen Menschen in Israel Trauer und Betroffenheit ausgelöst. Picks Lieder seien »in das Herz und die Kultur Israels eingedrungen und zu Hymnen geworden«, so Ministerpräsident Yair Lapid. »Zvika ist heute zwar gestorben, aber die Lieder und Kompositionen, die er hinterlassen hat, werden noch viele Jahre lang gespielt werden«. Und Kulturminister Chili Tropper ergänzte: »Die Hits, die er geschaffen hat, haben jedes Haus in Israel und Tausende von Herzen erreicht.«

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  09.06.2023

Film

Künstlerischer Extremismus

Im Thriller »How to Blow Up a Pipeline« widmet sich Regisseur Daniel Goldhaber gewalttätigen Umweltaktivisten in Texas

von Jens Balkenborg  08.06.2023

Musik

Der Hyperaktive

Omer Meir Wellber wird Generalmusikdirektor der Hamburger Staatsoper. Ein Porträt

von Stephen Tree  08.06.2023

Glosse

Der Rest der Welt

Begegnungen der dritten Art oder Mit Israelis im Fitnessstudio

von Ayala Goldmann  08.06.2023

Studie

Hoffnung für Blutkrebspatienten

Israelischen Forschern gelingt bahnbrechender Durchbruch in der Behandlung des Multiplen Myeloms

von Lilly Wolter  08.06.2023

Hollywood

Harrison Ford am »Captain America«-Drehset

Er schlüpft in die Rolle des schnurrbärtigen Generals Thaddeus Ross

 07.06.2023

Zahl der Woche

Wie viel Liter Milch produziert eine Kuh in Israel durchschnittlich pro Jahr?

Fun Facts und Wissenswertes

 06.06.2023

Film

Mit Kälte beobachtet

In Cannes wurde »The Zone of Interest« über den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß mit dem großen Preis der Jury ausgezeichnet

von Patrick Heidmann  06.06.2023

Dialog

Igor Levit wird mit Buber-Rosenzweig-Medaille geehrt

Gewürdigt wird sein Einsatz gegen Antisemitismus und Rassismus

 06.06.2023