Soziale Netzwerke

Der Holocaust auf TikTok

Jeden Monat nutzen mehr als eine Milliarde Menschen weltweit den Kurzvideodienst TikTok, in Europa sind es rund 100 Millionen. Es ist vor allem die sogenannte »Generation Z«, die Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen also, die sich von den Inhalten dort angesprochen fühlt. Mehr als zwei Drittel aller TikTok-Posts werden von Nutzern aus dieser Kohorte gepostet oder richten sich an sie.

GEDENKSTÄTTEN Waren es anfangs überwiegend unterhaltsame Inhalte, die ihren Weg auf die Plattform fanden, finden auf TikTok zunehmend auch ernsthafte Debatten über gesellschaftspolitische Themen statt. Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar will TikTok nun auch die Erinnerung an die Schoa in den Vordergrund stellen. Die 98-jährige britische Holocaustüberlebende Lily Ebert ist ein Star auf TikTok, seit sie vor einigen Monaten gemeinsam mit ihrem Urenkel Dov Forman damit begann, Videos dort zu posten. 1,6 Millionen Menschen folgen Ebert und Forman mittlerweile auf der Plattform.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Neuerdings sind sogar mehrere KZ-Gedenkstätten auf TikTok vertreten, die – überwiegend auf Englisch – kurze, informative Videoclips veröffentlichen. Vorreiter in Deutschland ist die KZ-Gedenkstätte Neuengamme in Hamburg. 38 Clips stehen schon auf ihrer TikTok-Seite, 9600 User folgen der Gedenkstätte und sogar 92.300 Personen haben die Seite schon mit einem »Like« bedacht.

In den Videos wird kurz und bündig erklärt, was während der NS-Herrschaft in Neuengamme geschah, welche Einzelschicksale es gab und wie heute der rund 50.000 Menschen gedacht wird, die dort ermordet wurden. Ein Kurzvideo von Neuengamme, welches die Markierungen auf den Häftlingsuniformen erklärt, sahen sich bereits über 400.000 TikTok-Nutzer an.

In der KZ-Gedenkstätte Mauthausen in Österreich werden ebenfalls seit kurzem Erklärvideos speziell für TikTok produziert. Marlene Wöckinger ist eine von zwei Personen, die darin vor der Kamera auftritt. »Es ist uns von der KZ-Gedenkstätte Mauthausen wichtig, in den Dialog mit Menschen zu treten, sowohl vor Ort als im digitalen Raum, und das geht auch mit Denkanstößen, die nur eine Minute oder 30 Sekunden lang sind«, sagt sie. Gerade TikTok sei auf den intensiven persönlichen Dialog ausgerichtet – »und das passt gut zu unserem Vermittlungsziel«, glaubt Wöckinger.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

LOB TikTok-Deutschland-Geschäftsführer Tobias Henning unterstrich nun im Rahmen der Präsentation des Pilotprojekts »TikTok - Shoah Education and Commemoration Initiative« am Mittwoch, seine Plattform wolle ihren Beitrag leisten, um aktiv zur Aufklärung und Bildung über den Holocaust beizutragen. Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, lobte in der Pressekonferenz die Initiative der Plattform als ein »wichtiges Zeichen«. So werde es gerade einer jüngeren Zielgruppe möglich, Überlebende der Schoa kennenzulernen oder sich mit ihnen auszutauschen.

»Die Plattformen sind auch Orte, wo in scheinbarer Anonymität Menschen sich trauen, Dinge zu äußern und Straftaten zu begehen, die sie im wahren Leben so nicht begehen würden.«

Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland

Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland habe hohe Erwartungen an die Betreiber sozialer Netzwerke. Letztere besäßen eine große Verantwortung, betonte Botmann. »Es ist eben nicht so, dass die Plattformen lediglich ein Abbild der Gesellschaft sind. Sie sind auch Orte, wo in scheinbarer Anonymität Menschen sich trauen, Dinge zu äußern und Straftaten zu begehen, die sie im wahren Leben so nicht begehen würden«, sagte er.

Hass und Hetze müssten daher nicht nur konsequent gelöscht und seine Ausbreitung gestoppt werden. Man müsse auch Aufklärung betrieben werden – hier gehe Tiktok mit gutem Beispiel voran.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Remko Leemhuis pflichtete ihm bei. Der Geschäftsführer des Berliner Büros des American Jewish Committee (AJC) will, dass Inhalte zielgruppengerecht aufbereitet, gleichzeitig aber auch der Ernsthaftigkeit des Themas gerecht werden. Wegen der rapide abnehmenden Zahl der Zeitzeugen und der zunehmenden Relativierung der Schoa, die bis weit in die Mitte der Gesellschaft hineinreiche, stehe die Erinnerungskultur vor großen Herausforderungen, betonte Leemhuis.

Gemeinsam mit TikTok und anderen Partnern führte das AJC auch eine mehrteilige Seminarreihe ein Pilotprojekt durch, bei dem Gedenkstätten und Museen ermutigt wurden, über ihre Arbeit auf TikTok zu informieren. In den Clips berichten die Gedenkstätten über Hintergründe zu den jeweiligen Orten, Gebäuden und Ausstellungsstücken.

ANSTOSS Tobias Ebbrecht-Hartmann forscht an der Hebräischen Universität in Jerusalem und hat das Projekt der Gedenkstätten wissenschaftlich begleitet. Er glaubt, dass TikTok trotz seines Formats ein wirksames Medium für die Erinnerung an und die Vermittlung der Schoa sein kann. Dennoch müsse man Bedenken ernst nehmen, dass Inhalte zum Thema Holocaust auch ab und an falsch verstanden, missbraucht oder verzerrt würden. Wichtig sei deshalb eine gute Moderation der Kommentare unter den Videos.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Iris Groschek von der Gedenkstätte Neuengamme ist der Ansatz, über TikTok ein ganz anderes Zielpublikum zu erreichen, sehr wichtig. »Wir wollen Informationen zum Ort weitergeben, und das auf eine Weise, die hoffentlich ansprechend ist und dazu führt, dass junge TikTok-Nutzerinnen auf unseren Account stoßen und sagen, ›Hey, das ist eine interessante Geschichte, darüber möchte ich mehr erfahren‹. Unsere Motivation ist nicht nur, über die nationalsozialistischen Verbrechen aufzuklären und das Bewusstsein für Vergangenes, sondern auch über aktuelles Unrechtshandeln zu schärfen und auch einen Rahmen zum Nachdenken zu geben«, betonte Groschek.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Sehen!

»Der Meister und Margarita«

In Russland war sie ein großer Erfolg – jetzt läuft Michael Lockshins Literaturverfllmung auch in Deutschland an

von Barbara Schweizerhof  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025