Amos Oz

Der Biograf Israels

Amos Oz (1939–2018) Foto: Getty Images / istock

Amos Oz

Der Biograf Israels

In Berlin erinnerten Rachel Salamander, Israels Botschafter und der Suhrkamp-Verlag an den verstorbenen Schriftsteller

von Paul Bentin  06.05.2019 17:33 Uhr

In seinen Büchern lebt er weiter. Dieser Satz findet sich oft in Nachrufen auf mehr oder weniger prominente Schriftsteller. Doch im Fall des im Dezember vergangenen Jahres verstorbenen großen Autors Amos Oz haben diese Worte durchaus ihre Berechtigung.

»Mit seinen Büchern hat mein Vater die unsichtbare Linie überschritten, die lange Zeit zwischen Israel und Deutschland existierte«, bringt es seine Tochter Fania Oz-Salzberger auf den Punkt. Denn Amos Oz war nicht einfach nur der Chronist des jungen Israel, der in literarischer Form die Hoffnungen, Sehnsüchte und Enttäuschungen seiner Generation, die den Staat aufgebaut und verteidigt hatte, thematisierte. »Man kann ihn zweifellos auch als einen Pionier der deutsch-israelischen Beziehungen bezeichnen.«

Zum einen war im Hause Oz Deutschland immer präsent, und zwar in Form der Bücher von Erich Kästner oder sogar Karl May. »Neben den Klassikern von Goethe und Schiller fanden sich aber bald auch Autoren der jungen Bundesrepublik im Regal, zum Beispiel Heinrich Böll oder Siegfried Lenz.«

»Amos Oz war so etwas wie der Biograf des Staates Israel« – auf diese Formel brachte es Rachel Salamander.

LESER Damit hatte Fania Oz-Salzberger bereits einen der Kernpunkte der Veranstaltung im Deutschen Theater in Berlin angesprochen, die dort am Sonntag anlässlich des 80. Geburtstags von Amos Oz in Zusammenarbeit mit der Botschaft des Staates Israel, der Literaturhandlung Berlin sowie des Suhrkamp-Verlags ausgerichtet wurde: Wie war es um das Verhältnis zwischen ihm und seinen Lesern sowohl in Israel als auch in Deutschland bestellt – und welche Funktion hatte er selbst als Schriftsteller, um beide Länder aneinander näherzubringen?

Eine sehr persönliche und konkrete Antwort darauf hatte Jeremy Issacharoff. »Bei meinen Vorbereitungen für meine Rede im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen anlässlich des Jom Haschoa saß ich lange vor einem leeren Blatt Papier«, erzählt Israels Botschafter in Berlin. »Dann fiel mir wieder das Buch ein, das er 2005 anlässlich des 40. Jahrestags der Aufnahme der deutsch-israelischen Beziehungen geschrieben hatte, und ich begann darin sehr lange zu lesen. Wir haben ja mehr oder weniger in derselben Welt gelebt.« Issacharoff wuchs ebenfalls in Jerusalem in einer Familie auf, in der der revisionistische Zionismus zum guten Ton gehörte. »Und ich reiste im selben Jahr wie Oz zum ersten Mal nach Deutschland. Das war 1983.«

Großen Anteil daran, den israelischen Schriftsteller in Deutschland bekannt zu machen, hatten Siegfried Unseld und seine Frau Ulla Unseld-Berkéwicz, die seit 1989 in engem persönlichen Kontakt mit Oz standen. Schon 1984 nahmen sie seine Bücher im Programm des von ihnen geleiteten Suhrkamp-Verlags auf. Mittlerweile dürften es über 30 Titel sein. »Er war einfach das Inbild des Israelis seiner Generation«, fasst Ulla Unseld-Berkéwicz ihre Eindrücke zusammen.

Wie es war, mit Amos Oz zu arbeiten, darüber konnte seine israelische Lektorin Shira Hadad detailliert Auskunft geben.

WAHRNEHMUNG »Amos Oz war so etwas wie der Biograf des Staates Israel« – auf diese Formel bringt die Literaturwissenschaftlerin und Gründerin der Literaturhandlungen, Rachel Salamander, ihre Wahrnehmung des großen Schriftstellers. »Mit Judas hatte er einen veritablen Bildungsroman geschrieben. Sein eigentliches Opus Magnum aber ist und bleibt Eine Geschichte von Liebe und Finsternis.« Aus beiden Werken las der Schauspieler Ulrich Matthes einige Schlüsselszenen.

Wie es war, mit einem Schriftsteller wie Amos Oz erst auf professioneller, dann zunehmend auch auf persönlicher Ebene in stetem Kontakt zu stehen, darüber konnte seine israelische Lektorin Shira Hadad detailliert Auskunft geben. »Es gab das Buch, das er schrieb, das Buch, das man dann zu lesen bekam, und das, was er in seiner Vorstellung gerne geschrieben hätte.« Das Resultat war eine Mischung aus allem, auf was man sich irgendwie einigen konnte. »Aber das Wort Kompromiss hatte für ihn nichts Anzügliches, sondern stand gerade als Synonym für das Leben als solches.«

Aus den vielen Gesprächen zwischen Shira Hadad und Amos Oz ist jetzt unter dem Titel Was ist ein Apfel? ein Buch entstanden, das intime Einblicke in das Denken des Schriftstellers vermittelt. Amos Oz lebt also zweifellos weiter.

Amos Oz (mit Shira Hadad): »Was ist ein Apfel?«. Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer. Suhrkamp, Berlin 2019, 174 S., 20 €

Andrea Kiewel

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