Vom 8. November bis zum 2. März 2014 präsentiert die Stiftung Topographie des Terrors gemeinsam mit den Stiftungen Denkmal für die ermordeten Juden Europas und Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum die Ausstellung »Es brennt! 75 Jahre nach den Novemberpogromen 1938«.
Die erweiterte Wiederaufnahme der Schau aus dem Jahr 2008 widmet sich den Ereignissen in der Reichshauptstadt Berlin und zeigt an 26 Beispielen die architektonische Vielfalt jüdischer Kultusbauten in Mitteleuropa, ihre Zerstörung sowie den Umgang mit den Synagogen und ihren Ruinen nach 1938.
eröffnung Am Donnerstagabend eröffnete Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit die Ausstellung zusammen mit dem Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, Andreas Nachama, und dem früheren Bundesminister Theo Waigel. Dabei würdigte er vor allem die Bedeutung der Schau für die politische Diskussion: »Die Novemberpogrome von 1938 sind brutaler Ausdruck des menschenfeindlichen Antisemitismus der Nationalsozialisten, und es ist wichtig, diese Geschehnisse insbesondere jungen Menschen vor Augen zu führen«, erklärte er. Auch die Zeitzeugin Nechama Drober, die die Reichspogromnacht als Kind in Königsberg erlebte und bei der Eröffnung sprach, sagte: »Es ist wichtig, dass die jungen Leute sehen, dass ein leichtes Leben wie heute nicht selbstverständlich ist.«
Stiftungsdirektor Andreas Nachama verwies auf die historische Dimension der Ereignisse des 9. November 1938 und erläuterte insbesondere auch deren Vorgeschichte: »All diese Dinge sind damals nicht zufällig geschehen, sondern waren eine gewollte Eskalation.« Sie seien die vorläufige Spitze einer langen Tradition von Antisemitismus im Deutschen Reich gewesen, den die Nazis aufgegriffen und systematisch institutionalisiert hätten. So habe es »sehr präzise Vorplanungen« zur Terrorwelle gegeben, führte er aus. Beispielsweise habe es bereits eine Woche vor den reichsweiten Ausschreitungen Übergriffe auf Juden und jüdisches Eigentum in Kassel gegeben.
präsentation Die Ausstellung dokumentiert wenig bekannte Aufnahmen von Berufs- und Amateurfotografen aus den Jahren 1938/39. Sie veranschaulicht das Vorgehen der Täter und das Verhalten der Bevölkerung. Dabei wird deutlich, dass die Grenzen zwischen Zuschauen und Beteiligung fließend waren. Auch die Reaktionen der Betroffenen und des Auslandes sind Gegenstand der Darstellung.
Die Ausstellungserweiterung folge »dem Ansatz, den Betroffenen Raum zu geben«, erklärt Ulrich Baumann, stellvertretender Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und Kurator der Ausstellung. »Ein Schlüsseldokument sind die Notizen des damals 17-jährigen Schülers Heinrich Simon, der in seinem Exemplar des ›Wegweisers durch die jüdische Gemeinde zu Berlin‹ die ihm bekannt gewordenen Zerstörungen an Berliner Synagogen dokumentierte.«
Die ästhetische Präsentation der Ausstellung beschreibt Baumann so: »Die neun Stelen, die den Terror und die Reaktionen der Betroffenen beleuchten, stehen einer 14 Meter langen Bilderwand gegenüber. Hier öffnet sich der Blick auf ganz Mitteleuropa, auf die historischen Ereignisse in 25 Gemeinden, aber auch auf die unterschiedlichen Formen des Erinnerns.
Ein schwarz unterlegtes Band durchzieht die Ausstellungswand, auf dem die Momente der Zerstörung aufgereiht und Bilder der brennenden Gotteshäuser gezeigt werden, sofern vorhanden. Um das Band gruppiert sich das ›Davor‹ und das ›Danach‹. Aufnahmen der intakten Gebäude – von der spätbarocken Landsynagoge im österreichischen Hohenems bis zur Gebetsstätte des liberalen Hamburger Tempelvereins im Bauhausstil – zeigen, welche kulturellen und architektonischen Werte zerstört wurden.«
Begleitprogramm Die Präsentation wird von einem vierteiligen Veranstaltungsprogramm begleitet. Bei der Eröffnungsveranstaltung des Begleitprogramms am Dienstag, den 19. November, hält Harald Schmid, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten, einen Vortrag mit dem Titel »Pogrom und Gedächtnis – 75 Jahre Erinnerung an die Gewalt gegen die deutschen Juden im November 1938 zwischen Bagatellisierung, Staatsgedenken und Solidarität«.
Darin wird er die Ereignisse des 9./10. November 1938 beschreiben und über die Welle der Gewalt gegen die deutschen Juden berichten. Schmid wird den Blick ebenso auf das frühe Nachkriegsgedenken der Opfer lenken wie auf die öffentliche und staatliche Erinnerung an die Novemberpogrome in der BRD und der DDR sowie die politische Bedeutung des Gedenktages bis in die Gegenwart analysieren.
Weitere Veranstaltungen des Begleitprogramms sind Zeitzeugengespräche mit Marianne Jost (28. November) und Jerry (Gerd) Lindenstraus (12. Dezember) sowie ein Vortrag des Historikers Wolf Gruner zu dem Thema »Der Novemberpogrom 1938 und die Berliner« (18. Februar 2014). ja (mit epd)