Ernährung

Das richtige Timing

Intervallfasten: Öfter mal 16 Stunden am Stück nichts essen. Foto: Getty Images/iStockphoto

Die Lockdown-Wochen waren Moppelwochen. Die Coronavirus-Krise hatte nicht nur dazu geführt, dass man mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbrachte als sonst. Sportstudios und Schwimmbäder mussten schließen. Wer im Homeoffice war, bewegte sich allenfalls noch vom Kühlschrank zum Schreibtisch, und das über Wochen hinweg.

Auch unser Essverhalten wurde pandemiebedingt durcheinandergewirbelt. Weil man endlich Gelegenheit dazu hatte, wurde gekocht, gebrutzelt und gebacken, was das Zeug hielt. Kurzum, laut einer Umfrage des Sportnahrungsherstellers »nu3« hatten 27 Prozent der Deutschen innerhalb weniger Wochen eine Gewichtszunahme von bis zu fünf Kilo verzeichnet. In Israel, wo der Lockdown noch mehr Einschränkungen mit sich brachte als hierzulande, waren es sogar 55 Prozent, wie die Hebräische Universität herausfand.

corona-kilos Nun wollen die meisten ihre Corona-Kilos gerne wieder loswerden, und was eignet sich da besser als das Fasten?

Der jüdische Kalender kennt einige Fastentage. Der bekannteste ist Jom Kippur. Da verzichten Umfragen zufolge etwa 60 Prozent der jüdischen Israelis auf Speisen und Getränke – ausgenommen von dieser strengen Regel sind selbstverständlich Schwangere und Personen mit Gesundheitsproblemen.

Der jüdische Kalender kennt einige Fastentage. Der bekannteste ist Jom Kippur.

Am höchsten Feiertag ist der Verzicht eine Mizwa, eine religiöse Pflicht. Doch wer nebenbei auch auf eine Gewichtsreduktion hofft, wird enttäuscht. Ein einziger Tag ohne Kalorienzufuhr bringt überhaupt nichts. Allenfalls fängt der Magen nach ein paar Stunden an, kräftig zu knurren, und die Konzentrationsfähigkeit lässt nach. Das war es aber auch schon.

FETTZELLEN »Der Übergang in den Zustand des Fastens erfolgt im Regelfall zwölf Stunden nach der letzten Mahlzeit«, erklärt Dana Joffe. »Dann erschöpft sich der Glykogenspeicher in der Leber, und der Körper beginnt, Fettsäuren zur Energiegewinnung abzubauen«, skizziert die Medizinerin vom Davidson Institute of Science Education am Weizmann-Institut diese Mechanismen. »Das Ganze wird als Lipolyse bezeichnet.

Wenn nun die verfügbaren Glykogenreserven, aus denen der Körper Glukose herstellen kann, schwinden, steigt automatisch der Bedarf an alternativen Energiequellen, zum Beispiel an Fett.« Daraufhin geht es den Triglyceridspeichern in den Fettzellen an den Kragen, indem der Pegel an freien Fettsäuren erhöht wird, aus denen schließlich Energie gewonnen werden kann.

»Die erste Veränderung, die während des Fastens eintritt, ist also der Übergang von der Energieproduktion auf Zuckerbasis hin zu einer auf Fettbasis«, erklärt Joffe.

Ein einziger Tag ohne Kalorienzufuhr bringt fürs Abnehmen überhaupt nichts.

Aber da ist die Sache mit der Disziplin, und der berüchtigte Jo-Jo-Effekt sorgt dafür, dass nach einer Phase des Fastens die Kilos genauso schnell wieder zurückgekehrt sind, wie sie zuvor purzelten.

Nachhaltigere Ergebnisse verspricht dagegen das Intervallfasten, auch Intermittierendes Fasten genannt. Dieses liegt voll im Trend. Laut »Bloomberg« wird das Begriffspaar rund eine Million Mal im Monat bei Google gesucht, mehr als »Diät« und fast so oft wie »Gewichtsabnahme«.

INSULINSPIEGEL Die Idee dahinter: Wenn Menschen fasten oder einfach nur die Finger von Snacks zwischen den Mahlzeiten lassen, sinkt der Insulinspiegel, was dann zu dem gewünschten Erfolg führt, nämlich dem Gewichtsverlust.

Im Unterschied zum konventionellen Heilfasten, bei dem dem Körper über einige Tage oder gar Wochen nur eine minimale Menge Energie zugeführt wird, weshalb dieser quasi auf Sparflamme läuft, ist das Intervallfasten aber monatelang möglich, weil es sich besser in den Alltag integrieren lässt. Der Insulinspiegel wird so über einen deutlich längeren Zeitraum niedrig gehalten, wodurch der Körper zu einer konstanten Fettverbrennung motiviert wird. Die Kilos schmelzen zwar langsamer dahin, kehren dafür aber nicht so schnell zurück.

Am wirksamsten und nachhaltigsten ist das sogenannte Intervallfasten.

Formen des Intervallfastens gibt es gleich mehrere. Da ist die 5:2-Variante, das heißt, an fünf Tagen in der Woche ernährt man sich wie üblich, an zwei Tagen aber muss Zurückhaltung geübt werden. Beliebt ist ebenfalls die 16:8-Methode, also nur innerhalb einer Acht-Stunden-Phase am Tag Nahrung zu sich zu nehmen, die übrigen 16 Stunden dagegen konsequent keine.

Dann gibt es das sogenannte Alternate Day Fasting, wobei an jedem zweiten Tag maximal 600 Kalorien verzehrt werden dürfen, zum Beispiel eine leichte Hühnerbrühe. Last but not least ist da noch das Prinzip des Dinner-Cancelling. Dabei fällt eine einzelne Mahlzeit am Tag aus, beispielsweise das Frühstück oder Abendbrot.

Generell werden dem Intervallfasten positive Effekte auf den Stoffwechsel attestiert. Doch Vorsicht: Wer glaubt, weiter ungehemmt an fünf Tagen die Woche Pommes, Pizza und Hamburger futtern zu können, nur weil an zwei Tagen Pause ist, tut sich keinen Gefallen. Es droht nämlich die Insulinmast, was eher zu einer Gewichtszunahme führt.

ESSSTÖRUNGEN Eines sollte man sich jedoch bewusst machen: Fasten ist kein Allheilmittel. Außerdem macht es einen Unterschied, ob man einige Male im Jahr aus religiösen Gründen keine Speisen zu sich nimmt oder immer wieder eine entsprechende Kur anfängt. Vor allem für Personen, die ohnehin zu Essstörungen neigen, kann das problematisch werden, weil sich dann alles nur noch um dieses eine Thema dreht.

Und da ist noch die menschliche Natur, die einem manchmal einen Strich durch die Kalorienrechnung macht. »Für harte Arbeit – und Fasten wird als eine solche wahrgenommen – will man auch belohnt werden«, sagt Frank Hu, Leiter der Abteilung für Ernährung an der Harvard T.H. Chan School of Public Health. »Am häufigsten geschieht dies durch übermäßiges Essen.«

Vielleicht ist gerade deshalb der Ansatz des Intervallfastens der Königsweg, weil es relativ einfach ist, an zwei Tagen Verzicht zu üben. Auch scheint sich das Verhältnis zur Nahrung dadurch grundlegend zu ändern, wie es Twitter-Chef Jack Dorsey, der nur eine Mahlzeit pro Tag isst und am Wochenende fastet, auf den Punkt bringt: »Es hat meine Wertschätzung gegenüber dem Essen und seinem Geschmack wirklich gesteigert, weil es mir tagsüber so lange vorenthalten wird.«

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