Film

»Das kostbarste aller Güter«: Bewegender Animationsfilm über den Holocaust

Michel Hazanavicius am Donnerstag bei der Premiere von »Das kostbarste aller Güter« im Filmtheater am Friedrichshain in Berlin Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

Polen im Winter 1943. Nahe einer Bahnschiene in einem verschneiten, abgelegenen Wald findet die Frau eines armen Holzfällers ein in ein Bündel gewickeltes Baby. Gegen den Willen ihres Mannes nimmt sie es bei sich auf. Sie riskiert damit nicht nur das Leben des Kindes. Denn das Kind ist jüdisch.

Michel Hazanavicius ist eher für Komödien bekannt (»The Artist«, »OSS 117 – Der Spion, der sich liebte«). Mit »Das kostbarste aller Güter« hat sich der 57-Jährige an eine große Herausforderung gewagt - an das Thema Holocaust, erzählt in einem Animationsfilm.

Was für die Frau des Holzfällers, die sich sehnlichst ein Kind wünscht, wie ein Wunder erscheint, ist in Wahrheit eine verzweifelte Tat. Das Mädchen wurde von ihrem jüdischen Vater aus einem Deportationszug nach Auschwitz geworfen, um ihm eine Chance zum Überleben zu geben.

Suggestive Bilder

Der Film beruht auf dem 2019 erschienenen, gleichnamigen Buch des französischen Schriftstellers und Dramaturgen Jean-Claude Grumberg, dessen Vater 1943 in Auschwitz ums Leben kam. Grumbach hat für die Geschichte die Erzählform des Märchens gewählt, weil es unmöglich sei, die Wahrheit darzustellen, sagte der 85-Jährige.

Lesen Sie auch

Mit viel Fingerspitzengefühl und den Stilmitteln des Märchens balanciert auch Hazanavicius zwischen Andeutung und Darstellung. Die Schrecken der Konzentrationslager bleiben im Hintergrund, ohne sie jedoch zu verharmlosen. Er verzichtet auf explizite Gewalt, nutzt stattdessen suggestive Bilder, um die Katastrophe fühlbar zu machen.

Begriffe wie »Nazi«, »Juden« oder »Schoa« werden nie explizit genannt, doch die Bedrohung ist in jeder Szene spürbar. Emotionale Tiefe verleiht dem Zeichentrickfilm auch die Musik des zweifachen Oscar-Preisträgers Alexandre Desplat sowie die Stimme des 2022 verstorbenen Schauspielers Jean-Louis Trintignant.

Starke Atmosphäre

Hazanavicius hat die Figuren gezeichnet - und ein neues Talent bewiesen. Inspiriert von der russischen Malerei des 19. Jahrhunderts und dem frühen Disney-Stil, verbinden sie Eleganz mit intensiver Bildsprache. Die Landschaften - abwechselnd dunkel, verschneit und leuchtend - sorgen für viel Atmosphäre.

Der Kontrast zwischen der sanften, poetischen Bildsprache und dem Grauen des Holocausts macht den Film besonders eindrucksvoll. Hazanavicius beweist, dass der Zeichentrickfilm ein Mittel sein kann, um schwierige historische Themen auf einfühlsame Weise zu vermitteln.

»Das kostbarste aller Güter« (im Original »La plus précieuse des marchandises«) feierte 2024 in Cannes auf den Filmfestspielen Weltpremiere und konkurrierte um die Goldene Palme. Der letzte Animationsfilm, der es dort in den Wettbewerb geschafft hatte, war »Waltz with Bashir« im Jahr 2008, eine Geschichte über den ersten Libanonkrieg.

Restitution

»Das Ausmaß hat uns überrascht«

Daniel Dudde über geraubte Bücher, Provenienzforschung an Bibliotheken und gerechte Lösungen

von Tobias Kühn  15.07.2025

Haskala

Medizin für die jüdische Nation

Aufgeklärte jüdische Ärzte sorgten sich um »Krankheiten der Juden«. Das wirkte auch im Zionismus nach

von Christoph Schulte  15.07.2025

Literatur

Vom Fremden angezogen

Die Schriftstellerin Ursula Krechel, Autorin des Romans »Landgericht«, wird mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet

von Oliver Pietschmann  15.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  15.07.2025

Musik

Zehntes Album von Bush: »Wie eine Dusche für die Seele«

Auf ihrem neuen Album gibt sich die britische Rockband gewohnt schwermütig, aber es klingt auch Zuversicht durch. Frontmann Gavin Rossdale hofft, dass seine Musik Menschen helfen kann

von Philip Dethlefs  15.07.2025

Medien

Die Deutsche Welle und Israel: Mitarbeiter werfen ihrem Sender journalistisches Versagen vor

Die Hintergründe

von Edgar S. Hasse  14.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte. Bis er eine entscheidende Rolle von den Coen-Brüdern bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  14.07.2025

Musik

Der die Wolken beschwört

Roy Amotz ist Flötist aus Israel. Sein neues Album verfolgt hohe Ziele

von Alicia Rust  14.07.2025

Imanuels Interpreten (11)

The Brecker Brothers: Virtuose Blechbläser und Jazz-Funk-Pioniere

Jazz-Funk und teure Arrangements waren und sind die Expertise der jüdischen Musiker Michael und Randy Brecker. Während Michael 2007 starb, ist Randy im Alter von fast 80 Jahren weiterhin aktiv

von Imanuel Marcus  14.07.2025