Wuligers Woche

Corona? Frag den Rabbi!

Eine 3D-Visualisierung des Coronavirus Foto: Getty Images / istock

Immer, wenn man besonders stolz auf das jüdische Volk sein will, kommt einem jemand aus den eigenen Reihen dazwischen. Da melden israelische Medien, Wissenschaftler am Forschungszentrum MIGAL in Kirjat Schmona seien kurz davor, einen Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus zu entwickeln.

In drei Wochen könnte die Arbeit abgeschlossen sein, in 90 Tagen das Mittel zur Verfügung stehen, erklärte Wissenschaftsminister Ofir Akunis. Ein Geschenk Israels an die Menschheit. Deren Dank wird mutmaßlich zwar wie üblich recht verhalten ausfallen. Aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls könnte man sich jetzt als Jude auf die Schulter klopfen.

Tempel Wenn nicht Rabbiner Aryeh Lipo wäre. Der Religionslehrer, der 2014 erfolglos auf der Liste des Likud für die Knesset kandidierte, hat nämlich unabhängig von den MIGAL-Forschern ein eigenes Mittel gegen COVID-19 gefunden: den Dritten Tempel in Jerusalem. Komplexe Versuchsreihen im Labor hat Lipo dazu nicht gebraucht.

Ein Blick in die Tora, gepaart mit einem sprachlichen Trick, hat ihm genügt. Corona, erklärte der fromme Mann vorige Woche bei einem Gebet an der Kotel, heiße übersetzt bekanntlich Krone.

Der Bau des Heiligtums müsse jetzt sofort beginnen, sagt Rabbi Lipo.

Diese schädliche Krone sei über die Menschheit gekommen, weil die wahre Krone fehle, nämlich der Tempel. Heiße es doch bereits im Zweiten Buch Samuel, Kapitel 24, Vers 25: »Und David baute dort dem Herrn einen Altar und opferte Brandopfer und Heilsopfer. Da ließ der Herr sich für das Land erbitten, und die Plage wurde von Israel abgewehrt.«

Deshalb, so Rabbi Lipo, müsse jetzt sofort der Bau des Heiligtums beginnen: »Die Rückkehr der Krone zum Tempelberg wird die Krone des Leidens, das Coronavirus, von der Welt entfernen.«

Seuche Und wenn das nicht geschieht? Dann droht schlimmes Unheil. Ein weiterer rabbinischer Epidemiologie-Experte, Rabbi Yoshiyahu Yosef Pinto, hatte schon im Januar eine Vision. Millionen Menschen sah er an einer Seuche sterben; diejenigen, die nicht das Virus hinraffte, verhungerten.

»Die Welt wird einen Schock erleiden, der als einer der schlimmsten in die Geschichte eingehen wird. Wir treten in die schwerste Zeit ein, die die Welt seit mehreren Jahrhunderten erlebt hat.« Das sagt kein weltfremder Mystiker.

Da setze ich doch lieber auf die Wissenschaftler in Kirjat Schmona.

Rabbi Pinto ist ein Mann von praktischem Verstand. Er zählt zu den zehn reichsten Rabbinern Israels und saß von 2016 bis 2017 wegen Bestechung eines hohen Polizeibeamten ein Jahr im Knast.

Glaube Da setze ich doch lieber auf die Wissenschaftler in Kirjat Schmona. Und bevor mir unterstellt wird, ich wollte mich als säkularer Jude über die Religion lustig machen: Nein, überhaupt nicht!

Auch wenn ich nicht fromm bin, denke ich, dass der Glaube seinen Platz auch in der Corona-Krise hat.

Beten Sie deshalb bitte am Schabbat für das Forscherteam am MIGAL-Institut. Ihr Erfolg könnte die Epidemie überwinden. Dass Lipo und Pinto dann dumm dastehen würden, wäre ein willkommener Nebeneffekt.

Rezension

Alles, nur nicht konventionell

Elisabeth Wagner rückt vier Frauen aus der Familie des Verlegers Rudolf Mosse ins Licht der Aufmerksamkeit

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.03.2025

Kulturkolumne

Shkoyach!

They tried to kill us, we survived, let’s eat!

von Laura Cazés  16.03.2025

Tanz

Ballett nach Kanye West

Der Israeli Emanuel Gat inszeniert sein Stück »Freedom Sonata« im Haus der Berliner Festspiele

von Stephen Tree  16.03.2025

Düsseldorf

Fantastische Traumwelten in intensiven Farben

Marc Chagall zählt zu den wichtigsten und beliebtesten Malern des 20. Jahrhunderts. Nun widmet die Kunstsammlung NRW ihm eine große Ausstellung

von Irene Dänzer-Vanotti  16.03.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  14.03.2025 Aktualisiert

Ausstellung

Chagalls fantastische Welten in Düsseldorf

Seine bunt-surreale Bildwelt fasziniert Menschen seit Jahrzehnten. Auch die dunkle Seite des jüdischen Malers rückt in den Fokus

 14.03.2025

K20 Kunstsammlung

Ungewöhnliche Werke von Marc Chagall in Düsseldorf zu sehen

Die Ausstellung mit 120 Werken beleuchtet Chagalls Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Armut und Geschlechterrollen

von Nikolas Ender  13.03.2025

Liraz

Das Trillern der Utopie

Die israelische Sängerin ist stolz auf ihre persischen Wurzeln. In Europa kämpft sie mit Konzertabsagen

von Tilman Salomon  13.03.2025

Kino

Der Wandel des »Ka-Tzetnik«

Eine Doku widmet sich dem Schoa-Überlebenden Yehiel De-Nur und seiner Auseinandersetzung mit dem »Planeten Auschwitz«

von Dietmar Kanthak  13.03.2025