Pessach

Bitte lächeln!

Foto: Getty Images/iStockphoto

Der Weg zu Mazzeknödelsuppe, Gefilte Fisch und Rinderbrust an Pessach kann mitunter sehr lang werden. Denn das Lesen der Haggada am Sederabend dauert – und das gerne mal so lange wie ein Fußballspiel. Bis schließlich alles über das Exil in Ägypten und den Auszug in die Freiheit – samt den dazugehörenden »rabbinischen Auslegungen« der Familie – zu Ende rezitiert worden ist, vergeht viel Zeit. Und der Magen hängt in den Kniekehlen.

Manch einer wird deshalb auch ungeduldig und meckert. »Er meynt nit di hagode nor di kneydlekh«, zu Deutsch: »Er will nicht die Haggada, sondern nur die Mazzeknödel«, heißt es deshalb nicht ohne Grund in einer jiddischen Redewendung. Dabei gibt es mittlerweile viele Alternativen zu den klassischen Texten, die für etwas mehr Abwechslung sorgen könnten.

piktogramme Die neueste davon kommt sogar ganz ohne Worte aus. Sie besteht ausschließlich aus Emojis. Selbst ihr Titel The Emoji Haggadah ist so dargestellt: Zu sehen sind drei kleine Bilder – ein sprechender Mann, eine Muschel sowie ein Widder. Wer jetzt keine Lust auf langes Rätseln hat, hier die Übersetzung: Weil Haggada so viel wie »Nacherzählung« heißt, zeigt das erste Emoji einen sprechenden Mann, das zweite eine Muschel, da das englische Wort dafür »Shell« lautet, was dem hebräischen »schel« – also »von« – entspricht, und das dritte einen Widder, der wiederum das Lamm darstellt, das die Juden in Ägypten vor dem ersten Sedermahl opferten. Das Resultat liest sich dann »Haggada schel Pessach«.

Die neueste Haggada kommt ganz ohne Worte aus: Sie besteht komplett aus Emojis.

Entworfen hat das Buch der 43-jährige IT-Spezialist Martin Bodek aus New Jersey. Auf die Idee kam er vor über zwei Jahren auf einer Purimparty, weil seine drei Kinder sowie die Gattin sich eigens dafür als Emojis verkleidet hatten. Daraufhin entstand so etwas wie eine Megilla in Kurzform aus kleinen bunten Zeichen. »Was könnte ich noch so darstellen«, hatte sich Bodek danach gefragt. »Und das Erste, was mir einfiel, war eine Haggada, diesmal aber in voller Länge.« Er produzierte gleich zwei davon – eine Version 1.0, in der auf 128 Seiten nichts anderes als farbige Emojis zu sehen sind, sowie eine Version 2.0, die 184 Seiten lang ist und ein Glossar enthält, was das Verständnis definitiv erleichtert.

Emojis – der Begriff stammt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie »Bildschriftzeichen« – wurden mit dem Aufkommen der Mobiltelefone populär. Sie sind so etwas wie die Hieroglyphen der Moderne, was ebenfalls für ihren Einsatz zu Pessach spricht. »Aber vor allem sind sie eine universale Sprache«, wie Bodek betont. Nur nicht ganz flächendeckend, weil es für den Exodus oder Purim keine Emojis gibt. Auch bedarf es einiger Kreativität, um Pessachspeisen wie Charosset oder Mazze auszudrücken. Doch Bodek konnte aus einem Fundus von rund 3000 Emojis schöpfen und improvisieren.

Auch für Gott fand Bodek eine sehr jüdische Lösung. »Ich habe dabei auf das Symbol für ›Name‹ zurückgegriffen – schließlich wird im Hebräischen dafür oftmals das Wort ›HaSchem‹ verwendet, was eben ›Name‹ bedeutet.« Ein Pfeil in einer Box, eine Kalenderseite, ein Smiley sowie ein Widder, ein weiterer Pfeil in einer Box und eine Flagge des Staates Israel sind übrigens die sechs Emojis für die Losung »Nächstes Jahr in Jerusalem!«.

Parodien auf die heiligen Texte im Judentum haben eine sehr lange Tradition.

varianten In Bodeks Familie wird dieses Jahr zu Pessach nur die Emoji-Haggada gelesen. Vor allem die Kinder sind begeistert. »Sie haben die Bildschriftzeichen besonders schnell begriffen«, sagt der Vater nicht ohne Stolz. Bei den Erwachsenen dagegen dürfte es wohl noch ein wenig dauern. Aber vielleicht ist eine solche Haggada ja eine wunderbare Gelegenheit, einen neuen Zugang zu den alten Texten zu finden. Auch dürfte sich die Wartezeit bis zum Essen so deutlich kürzer anfühlen, ohne dass man auf eine der zahlreichen »Best of«-Haggadot wie das sehr populäre 30 Minute Seder: The Haggadah That Blends Brevity With Tradition von Robert Kopman und Bil Yanok zurückgreifen muss.

Darüber hinaus gibt es auch noch The (unoffical) Hogwarts Hagaddah von Moshe Rosenberg, ein Mischmasch aus Pessach-Erzählung und Harry Potter, durch dessen Augen die Rituale des Seders erklärt werden. Auch wenn zahlreiche Traditionalisten anfangs skeptisch waren, auf Amazon verkaufte sich das Buch jedenfalls wie frische Mazze. »Es gibt so viele Parallelen mit Harry Potters Werdegang vom ungewünschten Waisenkind hin zum rettenden Zauberer, sodass ich mich eigentlich wundere, warum niemand vor mir auf die Idee gekommen war«, so der Rabbiner der Etz-Chaim-Gemeinde in New York.

»Zudem lässt sich in den Büchern von J. K. Rowling vieles aus dem Exodus wiedererkennen. Es geht um so zentrale Fragen wie die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Geknechteten, Lernmethoden oder die Beziehungen zwischen Eltern und Kind.«

2017 erschien zudem For This We Left Egypt? A Passover Haggadah For Jews And Those Who Love Them. Auch wenn sich die Autoren Dave Barry, Alan Zweibel und Adam Mansbach an die Geschichte des Auszugs aus Ägypten halten, so ist die Sprache jedoch vor allem eines: respektlos. Ihre Haggada ist eine Parodie auf den Kulturbetrieb und enthält zahlreiche popkulturelle Anspielungen, wie die Erwähnung der Hip-Hop-Band A Tribe Called Quest.

Vor allem die Haggada bot sich für Parodien an, sie zählt zu den am häufigsten persiflierten jüdischen Texten.

tradition Wer glaubt, dass solche alternativen oder womöglich gar satirischen Haggadot eine Erfindung der Gegenwart sind, der irrt. Parodien auf die heiligen Texte im Judentum haben eine sehr lange Tradition. Auch gibt es sie reichlich. Die ersten davon tauchten im Spanien des 13. Jahrhunderts auf. Und im östlichen Europa erlebten sie im 19. Jahrhundert geradezu einen Boom. Vor allem die Haggada bot sich dafür an, sie zählt zu den am häufigsten persiflierten jüdischen Texten, wie der Jiddischdozent Eddy Portnoy von der Rutgers University im »Forward« schreibt. »Überhaupt ist es schon sehr eigenartig, dass Juden die einzige monotheistische Gruppe zu sein scheinen, die konsequent die eigene Liturgie durch den Kakao zieht.«

Martin Bodek: »The Emoji Haggadah«. KTAV Publishing House, New York 2019, 184 S.,21 €

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  14.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  14.12.2025

Nachruf

Trauer um Hollywood-Legende Arthur Cohn

Arthur Cohn war immer auf der Suche nach künstlerischer Perfektion. Der Schweizer Filmproduzent gehörte zu den erfolgreichsten der Welt, wie seine Oscar-Ausbeute zeigt

von Christiane Oelrich  12.12.2025

Computerspiel

Lenny Kravitz wird James-Bond-Bösewicht

Als fieser Schurke will der Musiker im kommenden Jahr dem Agenten 007 das Leben schwer machen – allerdings nicht auf der Kinoleinwand

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Aufgegabelt

Latkes aus Dillgürkchen

Rezepte und Leckeres

 12.12.2025

Kulturkolumne

Lieber Chanukka als Weihnachtsstress?

Warum Juden es auch nicht besser haben – was sich spätestens an Pessach zeigen wird

von Maria Ossowski  12.12.2025

Kommerz

Geld oder Schokolade?

Der Brauch, an den Feiertagen um Münzen zu spielen, hat wenig mit den Makkabäern oder dem traditionellen Chanukkagelt zu tun. Der Ursprung liegt woanders

von Ayala Goldmann  12.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Singend durch Paris oder Warum unser Chanukka-Song der beste ist

von Nicole Dreyfus  12.12.2025