Finale

Benis Welt

Einer der schönsten Spazierwege in Zürich führt an einem kleinen Fluss vorbei. Weite Auen und unberührte Wälder bieten in der kalten Jahreszeit ein herrliches Naturschauspiel. Leider habe ich diesen Weg nicht als Erster entdeckt. Es waren die Hundefreunde. Ihr Gebell, ich meine natürlich das ihrer Tiere, schallt durch alle Gebüsche. Der Wald sieht aus wie in der Pedigree-Werbung: Kläffende Hunde rennen wie meschugge den Abhang runter und kehren mit einem ekligen Tennisball in der Schnauze zurück.

Als Angehöriger einer religiösen Minderheit will ich keinen Ärger. Also schimpfe ich nicht über die Köter. Im Gegenteil: Ich grüße die Hundehalter so devot wie möglich. Vor allem die Hundefreundinnen, die zumeist wie eine uneinnehmbare Burg aussehen: stämmig und mit vielen Pickeln übersät. Doch keine grüßt zurück, wenn ich freundlich »Weidmanns Heil« rufe.

Höflichkeitsgesten sind offenbar nur für Mithundehalter reserviert. Kennt man sich, wird eifrig gewunken. Für die anderen gibt’s immerhin ein Nicken. Und weil in dem Waldstück viele Hunde Gassi machen, geht die Hälfte der Zeit fürs Nicken drauf. Da ein Pinscher, dort ein Boxer, nicknick, weiter vorne ein Sennenhund und dann so etwas wie ein Pudel, nicknick.

wackeldackel Manchmal werde ich neidisch. Das müssen glückliche Menschen sein, diese Hundehalter. So viele Freunde, eine große Nickfamilie. Vielleicht sollte ich mir auch einen Hund anschaffen, denke ich dann. Am besten einen von einer seltenen Rasse. Dann kriege ich auch ein Nicken von den wählerischen Hundefrauen. Vielleicht sprechen sie mich sogar an.

Andererseits: Wozu? Ich brauche keine zweite Nickgemeinschaft. Ich gehöre schon einer an, dem Judentum. Auch hier wird genickt, was das Zeug hält. Da ein fremder Israeli, dort ein schleimiger Schnorrer, nicknick. Vorne ein Gemeindemitglied, mit dem man wirklich nur den Glauben teilen möchte, und gleich neben ihm eine entfernte Bekannte aus längst vergangenen Jugendbundtagen, nicknick. Besonders schlimm ist es am Schabbat.

Die ganze Zeit muss ich den Kopf im 90-Grad-Winkel halten, damit ich in der Synagoge keine potenzielle beleidigte Leberwurst übersehe, nicknick. Ich komme mir vor wie einer dieser Wackeldackel, die manche Autofahrer auf dem Armaturenbrett befestigt haben. Zur Erholung hilft danach nur ein Spaziergang bei den Hundefreunden. So lange jedenfalls, bis die mich nicht akzeptiert haben und anfangen, zu grüßen, nicknick.

Philosophie

Drang zur Tiefe

Auch 50 Jahre nach ihrem Tod entzieht sich das Denken Hannah Arendts einer klaren Einordnung

von Marcel Matthies  04.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 03.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Medien

»Antisemitische Narrative«: Vereine üben scharfe Kritik an Preis für Sophie von der Tann

Die Tel-Aviv-Korrespondentin der ARD soll mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt werden

 03.12.2025

Chemnitz

Sachsen feiert »Jahr der jüdischen Kultur«

Ein ganzes Jahr lang soll in Sachsen jüdische Geschichte und Kultur präsentiert werden. Eigens für die Eröffnung des Themenjahres wurde im Erzgebirge ein Chanukka-Leuchter gefertigt

 03.12.2025

TV-Tipp

»Fargo«: Spannend-komischer Thriller-Klassiker der Coen-Brüder

Joel und Ethan Coen erhielten 1997 den Oscar für das beste Originaldrehbuch

von Jan Lehr  03.12.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 4. Dezember bis zum 10. Dezember

 03.12.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  02.12.2025

Streaming

Gepflegter Eskapismus

In der Serie »Call my Agent Berlin« nimmt sich die Filmbranche selbst auf die Schippe – mit prominenter Besetzung

von Katrin Richter  02.12.2025