Finale

Benis Welt

In den Sprüchen der Väter heißt es: »Die Welt besteht aus drei Dingen: Tora, Gebet und Almosen.« Fehlt eines davon, bricht die Welt auseinander. Mein kleiner Kosmos besteht aus: Handy, Schlüsselbund und Geldbeutel. Finde ich am Morgen eines davon nicht, verliere ich die Nerven. Ich brülle dann zuerst meine Frau und dann die zweijährige Tochter an, sie sollen mir helfen, das Handy zu finden. Oder den Schlüsselbund oder den Geldbeutel.

Voriges Wochenende waren die Schlüssel weg. Den ganzen Schabbat und den Sonntag suchte ich sie. Der Montag rückte immer näher. Ich weinte wie ein kleines Kind. Ohne Schlüssel käme ich nicht an meinen Arbeitsplatz, könnte die Wohnung nicht ab- und das Fahrradschloss nicht aufschließen. Ich brauchte Beistand, am besten von ganz oben.

zauberspruch In unserer Gemeinde gibt es einen sefardischen Taxifahrer, der Schnorrer aus dem Ausland zu den reichen Juden Zürichs chauffiert. Dafür kassiert er ein paar Prozente von den Einnahmen. Der Mann gilt auch als Experte für orientalische Zaubersprüche in allen Lebenslagen. Ich rief ihn an: »Ich habe meine Schlüssel verloren!« Der Sefarde wusste sofort die Lösung: »Sprich dreimal ›Eloko diMeir anejni‹ – Gott von Meir, erhöre mich!« Ich plapperte nach: »Eloko diMeir anejni« – dreimal. Dann fasste ich in meine Hosentaschen: keine Schlüssel. »So funktioniert das nicht«, sagte der Sefarde. »Du musst auch etwas spenden.« Ich dankte ihm, sagte den Spruch noch einmal auf und legte zwei Euro auf die Seite. Für die Armen. Immer noch keine Schlüssel. Ich lief durch die Wohnung und schrie in jedem Zimmer aus Leibeskräften »Eloko diMeir anejni!« Dabei erhöhte ich schrittweise den Einsatz auf fünf, zehn und schließich zwanzig Euro. Die Schlüssel waren immer noch nicht da und ich hatte kein Geld mehr. In der Zwischenzeit war meine Familie von einem Ausflug zurückgekehrt. Frau und Tochter mussten jetzt ebenfalls Geld spenden und »Eloko diMeir anejni« rufend durch die Wohnung gehen. Auch ohne Erfolg.

Wütend wollte ich gerade den Sefarden anrufen und ihn als Betrüger beschimpfen, da jubelte meine Tochter: »Schlüssel unter Toilette!« Tatsächlich. Mussten wohl auf den Boden gefallen sein, als ich die Hose auszog. Und im Klo hatte ich nicht nachgeschaut. Gott von Meir, ich danke dir für dieses Wunder!

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Wieder hat sich Regisseur Philipp Stölzl kräftig vom Bestseller-Autor Noah Gordon anregen lassen

von Peter Claus  19.12.2025

Musik

Louis-Lewandowski-Festival hat begonnen

Der Komponist Louis Lewandowski hat im 19. Jahrhundert die jüdische Synagogenmusik reformiert. Daran erinnert bis Sonntag auch dieses Jahr ein kleines Festival

 18.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  18.12.2025

Ausstellung

Pigmente und Weltbilder

Mit »Schwarze Juden, Weiße Juden« stellt das Jüdische Museum Wien rassistische und antirassistische Stereotype gleichermaßen infrage

von Tobias Kühn  18.12.2025

Kulturkolumne

Vom Nova-Festival zum Bondi Beach

Warum ich keine Gewaltszenen auf Instagram teile, sondern Posts von israelischen Künstlern oder Illustratorinnen

von Laura Cazés  18.12.2025

Neuerscheinung

Mit Emre und Marie Chanukka feiern

Ein Pixi-Buch erzählt von einem jüdischen Jungen, der durch religiöse Feiertage Verständnis und Offenheit lernt

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Zahl der Woche

1437

Funfacts & Wissenswertes

 18.12.2025

Revision

Melanie Müller wehrt sich gegen Urteil zu Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was bisher bekannt ist

 18.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  18.12.2025