Geistesgeschichte

Aus eigenem Erleben

Der jüdischen Tradition verpflichtet: Rabbiner Leo Trepp sel. A. Foto: Mike Minehan

Die deutsche Geschichte wäre besser verlaufen, hätte man den Beitrag der Juden gewürdigt und ihren Ruf zur Ethik nicht überhört.» So lautete eine der Botschaften, die Leo Trepp über Jahrzehnte hinweg in seinen Vorträgen und Büchern vermittelte. Dass Ethik und Alltagsleben nicht zu trennen sind, machte schon der Titel seiner letzten Mainzer Vorlesung deutlich: «Einführung in das Judentum – eine Gesamtschau über Volk, Geschichte, Religion, Lehre, Lebensform und Kultur». Ob als Dozent am Fachbereich für Evangelische Theologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, ob in Oldenburg, Hamburg oder Berlin: Trepp, der seit 1983 an deutschen Hochschulen lehrte, vertrat ein universalistisches Judentum und erinnerte damit manches Mal an Leo Baeck: «Weshalb soll der Mensch nur eine Richtung haben?»

Sein eigenes Leben war Ausdruck dieser Vielfalt: Der 1913 in Mainz geborene Leo Trepp war Absolvent des orthodox ausgerichteten Berliner Rabbinerseminars, Mitglied der konservativen Rabbinic Assembly und Ehrendoktor des liberalen Hebrew Union College. 1938 nach England, später in die Vereinigten Staaten emigriert, studierte er in Harvard und Berkeley und war mehr als drei Jahrzehnte lang Professor für Philosophie am kalifornischen Napa College.

pluralismus «Franz Rosenzweig hat einmal gesagt, dass die Juden bei der Gestaltung ihres Judentums nicht länger einer Straße folgten, sondern vielerlei Straßen», schrieb Trepp im Vorwort zu seinem Buch Der jüdische Gottesdienst. Gestalt und Entwicklung, das als wichtige Ergänzung zu Ismar Elbogens Studie inzwischen selbst ein Standardwerk geworden ist. Trepp lag stets daran, die unterschiedlichen religiösen Strömungen im Judentum als Facetten einer ungebrochenen Tradition darzustellen.

Dass jüdischer Pluralismus Ausdruck dieser lebendigen Tradition ist, machte er auch in seinem Buch Die amerikanischen Juden. Profil einer Gemeinschaft deutlich, das 1991 erschien, zu einer Zeit, als auch die jüdische Gemeinschaft in Deutschland in Bewegung geriet. Dass er ähnlich wie die Berliner Historikerin Marianne Awerbuch stets aus eigenem Erleben, ja aus Subjektivität heraus unterrichtete, zeigt Trepps jüngstes Buch, Dein Gott ist mein Gott, das er zusammen mit seiner zweiten Ehefrau Gunda Wöbken-Ekert geschrieben hat und das Wege zum Judentum und zur jüdischen Gemeinschaft aufzeigt.

tradition Ob «Die jüdische Frau in der Geschichte», ob «Die Bedeutung des Staates Israel für Juden und Christen» oder «Der Talmud und seine Bedeutung für unsere Zeit» – mit seinen zahllosen Vorträgen in der Jüdischen Volkshochschule Berlin machte Leo Trepp auf warmherzige und direkte Art auch viele jüdische Zuhörer mit der jüdischen Tradition in ihrer ganzen Vielfalt vertraut. Als Gastdozent leistete Trepp immer wieder Aufbauarbeit: So ist es ihm mit zu verdanken, dass im Dezember 1995 an der Universität Oldenburg ein Magisterstudiengang Jüdische Studien eingerichtet wurde.

Daneben war er aber auch ein engagierter Bewahrer. Dies gilt vor allem für die Aufzeichnung der jüdischen liturgischen Gesänge aus Mainz, der Nigune Magenza. «Die Erhaltung dieser liturgischen Gesänge ist mir Herzenspflicht», sagte der Rabbiner 2004. Sie seien ein wertvolles Wesensgut des deutschen Judentums und deutscher Kultur. «In Mainz geschaffen, darf ich sie als geborener Mainzer der Nachwelt übermitteln.»

versöhnung «Sein Name steht für Menschlichkeit, Güte und insbesondere für die Bereitschaft zur Toleranz und Versöhnung. Wir alle sind Leo Trepp für diese Gesten der Versöhnlichkeit zu Dank verpflichtet», teilte der Präsident der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Georg Krausch, vergangene Woche mit. Für viele seiner nichtjüdischen Studenten wird Leo Trepp vor allem als Zeitzeuge in Erinnerung bleiben, der ihnen stets vermittelte, dass sie selbst keine Schuld tragen.

Er selbst wies gerne auf Hermann Cohens Bemerkung hin, dass Minderheiten es der Majorität der Gesellschaft erst ermöglichen, den Nebenmenschen als Mitmenschen anzuerkennen, und schrieb: «Selbst in der schrecklichen Nazizeit gab es deutsche Nichtjuden, welche ihre jüdischen Mitmenschen liebten und, sogar unter eigener Lebensgefahr, retteten. Sie können einer neuen Generation, welche keine Schuld an den Verbrechen trägt, aber für ein neues Deutschland als Vorkämpfer für die Würde und die Rechte aller Menschen besonders Verantwortung trägt, Vorbilder sein.» Auch dies ist ein Appell, der in den vielen Schülern von Leo Trepp fortwirken wird. Leo Trepp starb am vergangenen Donnerstag, den 2. September, im Alter von 97 Jahren in San Francisco.

Andrea Kiewel

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