Es war ein unbequemer Blick in eine düstere Vergangenheit: Ergebnisse von Forschungen nach NS-Raubgut in Museen in Rheinland-Pfalz sind am Donnerstag in Frankenthal vorgestellt worden. »Rund 86 Prozent aller rheinland-pfälzischen Museen haben bislang keine Provenienzforschung betrieben«, sagte Miriam Anders, Geschäftsführerin des Museumsverbandes Rheinland-Pfalz, bei der Vorstellung des Abschlussberichts des »Pilotprojekts Provenienzforschung«.
Dies betreffe vor allem die mehr als 400 kleineren und mittelgroßen Museen in Rheinland-Pfalz, während nur in einigen großen Museen schon Untersuchungen zur Herkunft der Sammlungen durchgeführt worden seien. Ziel des Projekts sei es gewesen, eventuelle Verdachtsmomente für Kunstwerke zu identifizieren, die im Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogen worden waren, besonders aus jüdischem Besitz.
Erstcheck der Sammlungen
Für einen »Erstcheck« hatte der Museumsverband deshalb Mitte November 2024 die Suche nach NS-Raubgut in vier kleinen beziehungsweise mittelgroßen Museen in Rheinland-Pfalz gestartet: Im Roentgen-Museum Neuwied, im Stadtmuseum Bad Dürkheim, im Eifelmuseums Mayen und im Erkenbert-Museum Frankenthal.
Die Leiterin des Projekts, die Kunsthistorikerin Katja Terlau, sagte, der Erstcheck habe zahlreiche Objekte identifizieren können, deren Herkunft »unklar«, »bedenklich« oder »höchstwahrscheinlich belastet« sei: Insgesamt mehrere hundert Objekte - von Haushaltsgegenständen über Münzen, Musikinstrumente, Möbel oder Gemälde, in der Regel aus jüdischem Besitz.
»Geschichte nicht umdeuten«
Die rheinland-pfälzische Kulturministerin Katharina Binz (Grüne), deren Ministerium das Projekt mit 165.000 Euro förderte, sagte: »Hinter jedem entzogenen oder geraubten Objekt steht ein Schicksal.« Dies lasse sich »nicht wiedergutmachen oder zurückdrehen«. Die Gesellschaft habe aber die Aufgabe, sich dieser Aufarbeitung zu stellen.
Der Museumsverband betonte, dies sei »gerade in einer Zeit unabdingbar, in der manche versuchen, Geschichte vergessen zu machen oder umzudeuten«. Gefördert wurde das Projekt auch vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste mit 40.000 Euro.
Mehr als 1.000 Objekte untersucht
Als »belastet« stufte Forscherin Terlau im Roentgen-Museum Neuwied 31 Objekte ein, im Stadtmuseum Bad Dürkheim 10, im Eifelmuseum Mayen kein Objekt und im Erkenbert-Museum Frankenthal 15 Objekte. Als »bedenklich« wertete sie im Roentgen-Museum Neuwied 5 Fälle, im Stadtmuseum Bad Dürkheim 202 Objekte, im Eifelmuseum Mayen wiederum keine Fälle und im Erkenbert-Museum Frankenthal 40 Objekte. Terlau sprach von einer Momentaufnahme - weitere Forschungen seien notwendig.
Die übrigen der mehr als 1.000 untersuchten Objekte sind als »unbedenklich« oder aber als »unklar« eingestuft. Im Eifelmuseum Mayen, das im »Erstcheck« gut wegkommt und keine bedenklichen oder belasteten Objekte zu verzeichnet hat, wurden zum Beispiel immerhin 484 Objekte als »unklar« eingestuft - also mit »lückenhafter Provenienz für die NS-Zeit«, darunter zwei Bücher aus der Judaika-Sammlung. Judaika ist die Bezeichnung für Bücher und Schriften, die sich mit dem Judentum befassen, unabhängig davon, ob sie von Juden oder Nichtjuden verfasst wurden.
Tora-Vorhang mit auffälliger Geschichte
Terlau nannte auch einige konkrete Beispiele: Als »höchstwahrscheinlich belastet« wurden 31 Objekte aus dem Roentgen-Museum in Neuwied eingestuft, darunter ein Konvolut aus 28 Zinn-Objekten. Laut Unterlagen seien diese Objekte im Jahr 1942 vom Finanzamt Neuwied aus »Beutebeständen« dem Kreismuseum übergeben worden, so die Kunsthistorikerin. Belastet seien außerdem »ein Herren- und ein Damenbildnis, welche vom Speicher der ehemaligen Synagoge Neuwied stammen und in das Museum verbracht wurden«.
Im Erkenbert-Museum Frankenthal seien beispielsweise elf Ankäufe in den Jahren 1933 bis 1945 »auffällig«: Dazu gehören sowohl Frankenthaler Porzellan als auch zwei Kupferstiche. Auch Objekte, die nach 1945 erworben wurden, wiesen eine »bedenkliche Provenienz für den Zeitraum 1933 bis 1945 auf, darunter erneut Porzellan«, so Terlau. In die Kategorie »bedenklich« fallen demnach auch Judaika - »darunter ein Tora-Vorhang, bei dem möglicherweise eine Verbindung zur Synagoge in Speyer besteht«.