Erinnerung

Auftrag an die Enkel

Teilnehmerinnen der Tagung Foto: Rafael Herlich

Dass das Thema, wie Sabena Donath unterstrich, »eindrücklich und relevant« ist, zeigte sich gleich zu Beginn der dreitägigen Konferenz »Spuren suchen«, die den Erfahrungen der »Dritten Generation« nach der Schoa nachspüren wollte.

»Zu Hause herrschte das große Schweigen«, erinnerte sich Zentralratspräsidiumsmitglied Vera Szackamer in ihrem Video-Grußwort am Montag vergangener Woche. Sie zählt sich zur Zweiten Generation. Ihre in Köln geborene Mutter hat zusammen mit ihrer Mutter Auschwitz überlebt, um danach nach Köln zurückzukehren, wo sie Szackamers Vater kennenlernte, der als Rotarmist nach Deutschland kam.

»Natürlich heiratete ich den Sohn zweier Schoa-Überlebender«, sagte Vera Szackamer, um zu demonstrieren, wie sehr sie das Thema ihr Leben lang begleitet. So handelte ihre Diplomarbeit von »Auswirkungen der Judenvernichtung auf die Zweite und Dritte Generation«. Ihre künftige Doktorarbeit werde sie der Vierten Generation widmen, kündigte die Paar- und Familientherapeutin an.

RELEVANZ Auch Sabena Donath, die als Direktorin der Bildungsabteilung zu der Tagung nach Frankfurt geladen hatte, betonte die Relevanz der Schoa für die jüdische Gemeinschaft. Während Verfolgte und Überlebende in der Forschung zur Ersten Generation zählten, umfassten die Zweite und Dritte Generation ihre Kinder und Enkel, erläuterte sie. »Die Dritte Generation wird die letzte persönliche Verbindung in ihrer Familie zu Schoa-Überlebenden sein«, sagte Donath.

Sabena Donath wies auf gesteigerte Erwartungen der Überlebenden an ihre Kinder und Enkel hin.

Sie machte auf die innerhalb der jüdischen Gemeinschaft je nach Herkunft unterschiedlichen Blicke auf die Schoa aufmerksam. Donath wies außerdem auf gesteigerte Erwartungen der Überlebenden an ihre Kinder und Enkel hin. Die Konferenz werde literarische, filmische und künstlerische Zugänge zum Thema präsentieren. Es gehe darum, einen Raum zu schaffen, der innerjüdische Erfahrungen so plural wie möglich abbildet.

Einen wissenschaftlichen Einblick in die Tagungsthematik gewährte Julia Bernstein, Professorin an der Frankfurt University of Applied Sciences. Auf der Grundlage zahlreicher Interviews zeigte sie unterschiedliche Facetten der Schoa-Rezeption in der Dritten Generation auf. So berichtete sie, dass die Überlebenden teils nicht mit der Zweiten Generation gesprochen hätten, sehr wohl aber der Dritten Generation gegenüber ihre Erfahrungen schilderten.

RESPEKT Die verbreitete Benennung von Enkelkindern nach (überlebenden) Großeltern schaffe »Aufträge«, so Bernstein. Umgekehrt zeige die Dritte Generation oftmals Respekt vor den Großeltern. »Es gibt Menschen, die nicht von Überlebenden, sondern von ›Helden der Schoa‹ sprechen«, sagte Julia Bernstein. Bei der Dritten Generation sei überdies eine Tendenz zum Rückzug in die jüdische »Bubble« und zur Abkopplung von der deutschen Gesellschaft zu beobachten.

Werke mehrerer Schriftstellerinnen der Dritten Generation dienten Luisa Banki als Referenzen.

Auf dem Programm der Tagung standen weitere Vorträge und Podiumsdiskussionen, unter anderem zu postsowjetischen Perspektiven sowie zu Dokumentarfilmen und der Literatur der Dritten Generation. »Diese Literatur erzählt Vergangenheit ausdrücklich aus einer nachgeborenen Perspektive«, konstatierte die Wuppertaler Literaturwissenschaftlerin Luisa Banki.

Sie verschränke »erinnerte Erfahrung und Erfahrung von Erinnerung«. Werke von Vanessa F. Fogel, Mirna Funk, Olga Grjasnowa und Katja Petrowskaja dienten ihr als Referenzen. Die Literatur der Dritten Generation sei ein »integraler Bestandteil des generationalen Erinnerns«, resümierte Luisa Banki.

München

Filmemacher Michael Verhoeven ist tot

Mit kritischen Filmen über den Vietnamkrieg oder den Nationalsozialismus setzte der Filmemacher Akzente

 26.04.2024

Glosse

Ständig wird gestört

In Berlin stürmten erneut propalästinensische Kräfte in Anwesenheit der Kulturstaatsministerin die Bühne

von Michael Thaidigsmann  26.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  26.04.2024

Karl Kraus

»Als ob man zum ersten und zum letzten Mal schriebe«

Zum 150. Geburtstag des großen Literaten und Satirikers

von Vladimir Vertlib  26.04.2024

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024