Berlinale

»Auf jeden Fall gibt es Security!«

Berlinale-Chefin Mariëtte Rissenbeek Foto: IMAGO/APress

Berlinale

»Auf jeden Fall gibt es Security!«

Film und Politik ergeben dieses Jahr eine unberechenbare Mischung. Ein Gespräch mit Mariëtte Rissenbeek, für die es die letzte Berlinale als Geschäftsführerin ist, über Empathie, Dialog und »Israel-Kritik«

von Sophie Albers Ben Chamo  14.02.2024 15:40 Uhr

Frau Rissenbeek, Sie als Geschäftsführerin und Carlo Chatrin als Künstlerischer Leiter der Internationalen Filmfestspiele Berlin haben im Vorfeld des Festivals so schöne Dinge gesagt wie »Die Berlinale will ein Ort des Dialogs und der Integration sein. Wir möchten, dass das Leid aller wahrgenommen wird«. Ist das angesichts der aufgeheizten Atmosphäre wegen des Gaza-Krieges nicht etwas naiv?
Wir finden dies nicht naiv, sondern notwendig, besonders in dieser polarisierten Situation. Menschen aus allen Teilen der Welt zu verbinden, den Austausch über Grenzen und Kulturen hinweg zu fördern, das kann und muss unsere Aufgabe sein.

Ich muss sagen, dass die Filmauswahl von No Other Land mich für das Panel »Filmemachen in Zeiten von internationalen Krisen und zukünftigen Perspektiven« beunruhigt, weil es keine Präsentation der Gegenseite gibt. Da wird definitiv nicht der Schmerz auf beiden Seiten wahrgenommen, was zu mehr Hass führen kann.
Das möchten wir auf keinen Fall, vielmehr möchten wir, dass das Leid aller wahrgenommen wird und mit unserem Programm verschiedene Perspektiven auf die Komplexität der Welt eröffnen. Wir haben keine Personen eingeladen, die gegen unsere starken Grundwerte der Antidiskriminierung sind.  Unser Mitgefühl gilt allen Opfern. Wir planen auch ein mobiles Tiny House, das ein einzigartiger Treffpunkt für einen offenen Dialog über den israelisch-palästinensischen Konflikt werden soll. Shai Hoffmann hat das Konzept des Tiny Houses initiiert.

 … der Sozialunternehmer mit deutsch-israelischen Wurzeln, der seit dem 7. Oktober zusammen mit der Deutsch-Palästinenserin Jouanna Hassoun in Schulen geht, um mit Schülern über die Komplexität des Konflikts zu sprechen und der den Podcast »Über Israel und Palästina sprechen« ins Leben gerufen hat …
Genau. Ich habe ihn auf Social Media entdeckt, und was er sagt, ist sehr überlegt und klug.  Im Tiny House wird neben Shai Hoffmann auch eine palästinensische Person anwesend sein, gemeinsam werden die beiden der Öffentlichkeit einen sicheren Raum für Gespräche jenseits politischer und medialer Debatten anbieten.

Wie muss man sich das Tiny House vorstellen?
Es ist tatsächlich ein kleines Haus, in dem fünf bis sechs Leute Platz haben, das an drei Tagen allen offensteht. Es wird direkt am Potsdamer Platz aufgestellt und soll echte Gespräche und Verständnis fördern.

In Shai Hoffmanns Interesse gefragt: Gibt es Security?
Die gibt es auf jeden Fall!

Mit der Hollywoodschauspielerin Lupita Nyong’o hat die Berlinale eine Jurypräsidentin, die sich bereits »israel-kritisch« geäußert hat. Gibt es Vorgespräche zu dem Thema?
Natürlich haben wir alle Menschen, die kommen, noch einmal dafür sensibilisiert, was unsere Grundhaltung ist und dass man in Deutschland natürlich sicherstellen will, dass kein Antisemitismus entsteht, dass keine judenfeindlichen Aussagen gemacht werden. Wir wollen einen Raum für künstlerischen Ausdruck schaffen, in dem unterschiedliche Perspektiven respektvoll und friedlich geäußert werden. Es ist nicht unser Interesse zu zensieren. Wir können die Leute aber sensibilisieren.

Man hat gerade nicht das Gefühl, dass Dialog und Empathie existieren. Meldungen von Angriffen auf jüdische Menschen und Institutionen sind leider alltäglich. Sie haben im Vorfeld auch gesagt »Wir glauben, dass durch die Kraft von Filmen und offenen Diskussionen dazu bei, dass wir dazu beitragen können, Empathie, Bewusstsein, Verständigung zu fördern«. Können Filme das wirklich leisten?
Ich glaube, dass sie Menschen dabei helfen können, ihre Ansichten zu reflektieren und neue Perspektiven zumindest wahrzunehmen, die sie vorher nicht wahrgenommen hätten, und auch Empathie zu entwickeln. Was der Mensch dann damit macht, hängt vom Menschen ab.

Mit der Geschäftsführerin der Berlinale sprach Sophie Albers Ben Chamo.

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  15.11.2025

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025

Kino

Zwischen »Oceans Eleven« und Houdini-Inszenierung

»Die Unfassbaren 3« von Ruben Fleischer ist eine rasante wie präzise choreografierte filmische Zaubershow

von Chris Schinke  13.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 13.11.2025

Film

Dekadenz, Krieg und Wahnsinn

»Yes« von Nadav Lapid ist provokativ und einseitig, enthält aber auch eine tiefere Wahrheit über Israel nach dem 7. Oktober

von Sascha Westphal  13.11.2025

Kolumne

Hineni!

Unsere Autorin trennt sich von alten Dingen und bereitet sich auf den Winter vor

von Laura Cazés  13.11.2025

Zahl der Woche

-430,5 Meter

Fun Facts und Wissenswertes

 12.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 13. November bis zum 20. November

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025