»Was der Körper erinnert«

Archiv der Bewegung

Provokant genial: Valeska Gert, um 1925 Foto: unbekannt

»Was der Körper erinnert«

Archiv der Bewegung

Die Berliner Akademie der Künste widmet sich dem Jahrhundert des Tanzes

von Katrin Richter  29.08.2019 11:48 Uhr

Schwebende Schritte, wirbelnde Armbewegungen, kraftvolle Sprünge oder tiefe Verbeugungen. Tänze von Gret Palucca oder Valeska Gert sind heutzutage für die Nachwelt zwar auf YouTube zu sehen oder anhand von Leporellos in Archiven nachzuvollziehen, aber die Choreografien sind getanzt, und der Moment ist vergangen.

Wie genau solche Bewegungen archiviert werden können, um sie für das kulturelle Gedächtnis zu erhalten, damit setzt sich noch bis zum 21. September die Ausstellung Was der Körper erinnert. Zur Aktualität des Tanzerbes in der Berliner Akademie der Künste auseinander.

TANZMASKEN 75 Objekte haben die Kuratoren aus den Tanzarchiven in Berlin, Bremen, Leipzig und Köln zusammengetragen. Darunter so außergewöhnliche Artefakte wie Tanzmasken von Erich Goldstaub, der von den Nazis 1943/44 in Auschwitz ermordet wurde, eine Sprungstudie von Gret Palucca aus dem Jahr 1930 oder zerknitterte und verschlissene Fotografien der selbst ernannten Grotesktänzerin Valeska Gert. Gert, die als Gertrud Valesca Samosch in eine jüdische Berliner Familie geboren wurde, erhielt 1933 ein Auftrittsverbot. Es gelang ihr, 1939 nach New York zu emigrieren, wo sie in der Morton Street Nummer 3 die Kellerkneipe »Beggar Bar« eröffnete.

Der »Aufbau« empörte sich über das »geschmacklose« Programm von Valeska Gert.

Dass die Berlinerin nicht nur ausdrucksstark tanzte, sondern auch ihrem Frust im Exil Luft machte, empörte die Gemeinschaft der Emigrierten. Wie sehr, ist im Objekt Nr. 25 nachzulesen, einem Schreiben der Emigrantenzeitung »Aufbau« vom 29. Dezember 1941 an die Tänzerin.

Aufbau »Wie wir von den verschiedensten amerikanischen Seiten hören, bauen Sie Ihr Programm inhaltlich in einer Form auf, die ebenso geschmacklos wie taktlos ist«, heißt es in dem Brief, der damit endet, dass die »Aufbau«-Redaktion der Tänzerin die Unterstützung versagt und ankündigt, sie im Blatt anzugreifen.

»Beginnen Sie bitte endlich zu begreifen, dass Ihre Person zu unwichtig ist, um in diesen Kriegszeiten die Gemeinschaft der gesamten Immigration zu gefährden.« Allein wegen Schriftstücken wie diesem lohnt es sich, in die kleine Ausstellung zu gehen, die noch dazu durch ein umfassendes Begleitprogramm umrahmt wird.

Ong Keng Sen So hat sich der Choreograf Christoph Winkler mit Choreografien und Kompositionen von Ernest Berk auseinandergesetzt. In »The Complete Expressionist« werden fünf Stücke des gebürtigen Kölner Tänzers, der 1934 mit seiner Frau vor den Nationalsozialisten nach London floh, neu interpretiert. Und da Tanz eben nicht nur Bewegung des Körpers ist, sondern auch Nachdenken und Diskurs, sprechen bekannte Choreografen wie Xavier Le Roy oder der Theaterregisseur Ong Keng Sen über Tanz, Tradition – und das Archivieren der Bewegung.

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  25.12.2025

ANU-Museum Tel Aviv

Jüdische Kultobjekte unterm Hammer

Stan Lees Autogramm, Herzls Foto, das Programm von Bernsteins erstem Israel-Konzert und viele andere Originale werden in diesen Tagen versteigert

von Sabine Brandes  25.12.2025

Menschenrechte

Die andere Geschichte Russlands

»Wir möchten, dass Menschen Zugang zu unseren Dokumenten bekommen«, sagt Irina Scherbakowa über das Archiv der von Moskau verbotenen Organisation Memorial

 25.12.2025

Rezension

Großer Stilist und streitbarer Linker

Hermann L. Gremliza gehört zu den Publizisten, die Irrtümer einräumen konnten. Seine gesammelten Schriften sind höchst lesenswert

von Martin Krauß  25.12.2025

Glastonbury-Skandal

Keine Anklage gegen Bob-Vylan-Musiker

Es lägen »unzureichende« Beweise für eine »realistische Aussicht auf eine Verurteilung« vor, so die Polizei

 24.12.2025

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025

Hollywood

Timothée Chalamet – der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars, der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025