ARTE

Antwort vom Intendanten

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: pr

Arte-Programmdirektor Alain Le Diberder hat die Entscheidung seines Senders verteidigt, eine vieldiskutierte Dokumentation über Antisemitismus in Europa nicht auszustrahlen. Er reagierte damit auf einen Brief von Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, wie Arte am späten Mittwochabend mitteilte.

Brief Schuster hatte sich in dem Schreiben an die Intendanten von Arte, WDR und ZDF verwundert geäußert, dass die Dokumentation Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa von Joachim Schroeder und Sophie Hafner nicht wie eigentlich geplant bei Arte gesendet werden soll.

Er maße sich nicht an, das journalistische Handwerkszeug fachgerecht beurteilen zu können, hatte Schuster geschrieben. Doch erschließe sich ihm nicht, warum formale Gründe die Ausstrahlung einer so wichtigen Dokumentation verhindern: »Daher bitte ich Sie, die Entscheidung zu überdenken. Wie dargelegt halte ich die Ausstrahlung der Dokumentation für außerordentlich wichtig«, heißt es in dem Schreiben.

experten
Zentralratspräsident Schuster verwies auf namhafte Historiker und Experten. Historiker wie Michael Wolffsohn und Götz Aly hatten die Dokumentation gelobt. Aly hatte dem Arte-Programmdirektor in der »Berliner Zeitung« Zensur vorgeworfen. Auch der Islamismus-Experte Ahmad Mansour hatte die Relevanz des Projekts hervorgehoben. Der arabische Israeli hatte die Autoren bei der Produktion beraten.

Vor dem Hintergrund des Alltagsantisemitismus, mit dem Juden in Deutschland konfrontiert sind, und dem rapide zunehmenden israelbezogenen Antisemitismus sagte Josef Schuster, er halte die Berichterstattung für höchst relevant: »Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt hierbei mit der Erfüllung seines Bildungsauftrags eine besondere Funktion zu.«

Begründung Arte-Programmdirektor Diberder bekräftigte dagegen die Gründe für die Ablehnung der Produktion. Diese würden auch vom WDR geteilt, der die Produktion zugeliefert hat. Er könne zwar die Verwunderung nachvollziehen und sei selbst sehr betroffen vom Vorwurf der Zensur, schrieb er an Schuster. Doch seien es »ehrenwerte und gute Gründe« gewesen, die zur Entscheidung geführt hätten, die Dokumentation nicht zu senden. Es habe sich nicht um »Formalismus« gehandelt, sondern um »Verfahrensentscheidungen, die die editoriale Qualität und Verantwortung sicherstellen«.

Dieser Grundsatz gelte auch bei weniger sensiblen Themen. Arte habe sich im übrigen »wie kaum ein anderer Sender in Europa der Aufklärung über und dem Kampf gegen Antisemitismus und Antizionismus verschrieben«, so Diberder.

Inzwischen hat sich auch der Fernsehsender WDR, der die Dokumentation in Auftrag gegeben hatte, zu der Kontrverse geäußert. Der Sender erteilte Forderungen eine Absage, das Werk in seinem Programm auszustrahlen. Zum einen, weil die Senderechte exklusiv bei arte liegen. Zum anderen aber auch, weil der WDR Zweifel an der journalistischen Qualität der Dokumentation hegt.

»Wir prüfen derzeit intensiv, ob die Dokumentation den journalistischen Standards und Programmgrundsätzen des WDR entspricht«, teilte der WDR am Donnerstag mit. »So enthält der Film zahlreiche Ungenauigkeiten und Tatsachenbehauptungen, bei denen wir die Beleglage zunächst nachvollziehen müssen.« Der Sender bedauere es, »dass die redaktionelle Abnahme im WDR offenbar nicht den üblichen in unserem Haus geltenden Standards« genüge. Grundsätzlich sei aber Interesse vorhanden, die Dokumentation zu veröffentlichen, sofern die darin getroffenen Behauptungen und Informationen belegt und journalistisch sorgfältig geprüft seien, so der WDR.

Der Film von Joachim Schroeder und Sophie Hafner war von der Arte-Redaktion beim WDR abgenommen worden. Dem epd erklärte Arte, der produzierte Film entspreche nicht dem geplanten Projekt: »Vereinbart war ein von zwei Koautoren erstelltes Panorama des Antisemitismus heute in Europa. Zum Großteil spielt aber der von einem einzigen Autor erstellte Film zwischen Berlin und dem Nahen Osten. Zu dem Inhalt des Films möchten wir uns nicht weiter äußern.« epd/ja

Hans-Jürgen Papier

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