Biotechnologie

Ans Licht gebracht

Lebensgefahr! Bitte nur die ausgewiesenen Wege benutzen!» Noch heute, fast 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, warnen rote Schilder Spaziergänger in den Wäldern rund um Verdun vor der Gefahr durch immer noch im Boden liegende Explosivstoffe. Erst 2007 kamen dort zwei Arbeiter bei einer Explosion ums Leben, als sie eine Mine zu einer nahe gelegenen Munitionsentsorgungsfabrik transportieren sollten.

Die Kampfmittelräumungs-Experten des Sécurité Civile schätzen, dass es noch 700 Jahre dauern wird, sämtliche Minen, Granaten und Bomben auf den Schlachtfeldern um Ypern und Verdun zu finden und zu entschärfen – falls kein besseres und innovativeres Verfahren erfunden wird. In Frankreich wurde die Minenräumung schon lange professionalisiert, in ärmeren Ländern fehlen dagegen oft die finanziellen und technischen Mittel, die Explosivstoffe zu beseitigen.

Wissenschaftler der Hebräischen Universität Jerusalem könnten der Lösung des weltweiten Minenproblems nun ein großes Stück nähergekommen sein: Sie veröffentlichten kürzlich einen Artikel im Fachjournal «Nature Biotechnology», in dem es um die Entdeckung der Explosivstoffe mithilfe von Bakterien geht.

Gasdämpfe Dabei machen sich die Experten eine besondere Eigenschaft von Minen zunutze: Diese sondern eine Art giftigen Gasdampf ab, der sich im sie umgebenden Erdreich festsetzt. Die Überlegung: Gelingt es, diese Gasdämpfe aufzuspüren, hat man auch schon die Mine gefunden. Dabei helfen sollen Bakterien, die leuchten, wenn sie auf den toxischen Dampf treffen.

In einem erfolgreich verlaufenen Versuch hatten die Wissenschaftler die Bakterien in Polymer-Perlen untergebracht und diese dann auf einem Test-Minenfeld verstreut. Mithilfe eines Lasersystems konnte dann erkannt werden, wo die Bakterien zu leuchten begannen – und das sehr schnell, denn der Boden wurde bei dem Versuch mit einer Geschwindigkeit von 18 Zentimetern pro Sekunde durchsucht.

Ganz neu ist die Idee nicht, bereits im Jahr 2009 hatte ein Forscherteam der Universität von Edinburgh Bakterien ebenfalls durch den Kontakt zu Minendampf zum Leuchten gebracht. Den israelischen Wissenschaftlern gelang nun aber das erste potenziell funktionierende bakterielle Minen-Nachweissystem.
Biosensoren «Unsere Daten zeigen, dass konstruierte Biosensoren in einem auf das Auffinden von Landminen spezialisierten Detektionssystem sehr nützlich sein können», sagt der Biologe Shimshon Belkin, der Leiter des Experiments. Dazu müssten allerdings noch «mehrere Probleme überwunden werden, wie zum Beispiel die Verbesserung der Empfindlichkeit und die Stabilität der Sensorbakterien» und, ganz wichtig, so Belkin, die Geschwindigkeit, mit der große Flächen abgetastet werden können.

Sei der Scanning-Vorgang erst optimiert, könne das System in unbemannten Flugzeugen oder Drohnen installiert werden. Große Flächen könnten dann automatisch durchsucht werden. Ein großer Vorteil der bakteriellen Minenerkennung wird darin bestehen, dass sie auch Explosivstoffe aus Plastik aufspürt, was mit Metalldetektoren nicht gelingt. Und gerade die Plastikminen sind als billige Waffe in Bürgerkriegen bei Kriegsparteien sehr «beliebt», denn sie kosten wenig und können ganze Landstriche entvölkern – und das für lange Zeit. Wer nach dem Ende eines Konflikts in seine Heimat zurückkehrt, begibt sich in Lebensgefahr.

Bürgerkriege Belkin und sein Team beschäftigen sich schon seit Jahren mit dem Einsatz von Bakterien. Vor drei Jahren war den Israelis ein Erfolg mit einem Nebenprodukt ihrer Forschungen gelungen. Damals stellten sie fest, dass Schadstoffe im Trinkwasser durch modifizierte Bakterien erkannt werden können.

Eine kostengünstige und genaue Methode, Minen zu räumen, wird in vielen Ländern der Welt dringend benötigt. Vor allem in modernen Bürgerkriegen werden Minen zwar bevorzugt eingesetzt, gleichzeitig werden sie aber nur selten katalogisiert, das heißt, niemand weiß nach dem Ende eines Krieges oder einer Auseinandersetzung, wo die Explosivstoffe genau liegen. Wie schon vor 70 Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Minenräumung auch heute noch hauptsächlich Fußarbeit: Gingen früher mit langen Stöcken ausgerüstete Menschen nach dem Zufallsprinzip durch die betroffenen Gebiete, um wenigstens für sichere Wege zu sorgen, werden heute speziell trainierte Minensuchhunde oder dressierte Riesenhamsterratten benutzt, die beispielsweise auf den Geruch des Sprengstoffs TNT re- agieren.

Roboter Natürlich existieren auch technische Lösungen, wie verschiedene speziell entwickelte Maschinen, die entweder ferngesteuert oder von einem Fahrer hinter einem massiven Schutzschild gelenkt durch ein Minengebiet fahren. Fehlerfrei arbeiten diese mechanischen Systeme allerdings nicht, und außerdem können sie in dicht bewachsenen Wäldern oder gebirgigen Gegenden kaum eingesetzt werden.

Die mögliche Alternative, ferngesteuerte kleine Roboter, ist dagegen in der Praxis noch nicht ausreichend getestet worden, außerdem wäre ihr Einsatz derzeit noch viel zu teuer – und anschließend, so Experten, müsste weiterhin noch einmal «nachgeräumt», also der Landstrich erneut nach Minen durchkämmt werden.

Die leuchtenden Bakterien würden das Auffinden von Minen automatisieren und erlauben, dass ganze Landstriche schnell wieder bewohnbar gemacht werden. Und das könnte viele Menschenleben retten: 2013 wurden weltweit 3308 Personen – neun pro Tag – durch Minen getötet oder verletzt. Fast 80 Prozent der Opfer waren Zivilisten.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Sehen!

»Der Meister und Margarita«

In Russland war sie ein großer Erfolg – jetzt läuft Michael Lockshins Literaturverfllmung auch in Deutschland an

von Barbara Schweizerhof  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025