TV-Dokumentation

Angefeindet, aber frei im Kopf

Ahmad Mansour, Psychologe und Autor, steht im Mittelpunkt einer ARD-Dokumentation Foto: picture alliance/dpa

Die Bilder sind wenig farbenfroh, die Sprecherin klingt ernst und düster, und auch die gewählte Hintergrundmusik trägt nicht zur Auflockerung des Sujets bei. Journalisten von »Report München« haben den Psychologen und Publizisten Ahmad Mansour mehrere Monate lang begleitet und ihre Eindrücke zu einer halbstündigen Dokumentation verarbeitet, die am Mittwoch im Ersten ausgestrahlt wird und bereits seit Dienstag in der ARD-Mediathek verfügbar ist.

Mansour lebt seit genau 20 Jahren in Deutschland. Er wächst in einer muslimischen Familie in der Kleinstadt Tira in Israel auf. Als Jugendlicher hängt er den radikalen Ideologien der Muslimbruderschaft an, löst sich erst während seines Studiums in Tel Aviv und in Berlin davon.

Heute gilt Mansour bei vielen Muslimen als »Islamhasser«, »Hetzer« und »Nestbeschmutzer«. Sein Auftritt an einer Hochschule in Berlin zum Thema Judenhass nach dem 7. Oktober wird von der Uni-Leitung wegen Sicherheitsbedenken abgesagt. Ein Einknicken vor den Kritikern, unterstreicht Mansour.

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Seit Veröffentlichung des von ihm mitverfassten Prüfberichts über Antisemitismusvorwürfe gegen Mitarbeiter der Deutsche Welle im Februar 2022 und erst recht nach dem 7. Oktober 2023 sind die Bedrohungen noch einmal massiv gewachsen. Mansour lebt mittlerweile unter Polizeischutz. Jeden Tag. Jahr für Jahr.

Welche Auswirkungen das nicht nur für sein eigenes Leben, sondern auch auf das seiner Frau Beatrice und der gemeinsamen Tochter hat, schildert die Dokumentation ebenso eindringlich wie Mansours Versuche, mit seinen Kritikern ins Gespräch zu kommen.

Einige davon kommen im Film zu Wort. Der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Harry Harun Behr gehört dazu. Er hat Mansour zu sich nach Hause eingeladen. »Ich hätte schon ein paar Fragen an Ahmad Mansour, was seine fachlichen Konzepte angeht, mit denen er in die Präventionsarbeit geht«, meint Behr. Ihm missfällt, dass Mansour sich bei seiner Arbeit an Schulen vermeintlich nur auf eine Gruppe  – muslimische Jugendliche – konzentriert.

Dann klingelt es an der Haustüre, Behrs graue Katze muss den Esszimmertisch verlassen und Mansour setzt sich an den Tisch. Die beiden kommen ins Gespräch. »Mein Ansatz ist, zu sagen, man kann Muslim und Demokrat sein, man kann Muslim und deutsch sein. Sie müssen sich nicht für eines entscheiden.« Niemals, so Mansour, würde er Workshops nur für muslimische Schüler machen. Die verschiedenen Kulturen, betont er, seien auch Teil von Deutschland. Er wolle aber bestimmte Einstellungen hinterfragen.

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Anschließend klingt Behr eher versöhnlich: »Wenn ich Ihnen ein wenig zuhöre und zuschaue, kann ich das eine oder andere noch mitnehmen.« Er wolle den Austausch fortsetzen, sagt auch Mansour – und lädt Behr ein, zu einer seiner Schulungen mitzukommen.

Die ARD-Journalisten begleiten Ahmad Mansour auch nach Israel. Dort besucht er die Orte der Massaker des 7. Oktober, steht am Grenzzaun zum Gazastreifen und sitzt im Pressezentrum der israelischen Armee, wo er Filmclips der von Hamas-Terroristen selbst gefilmten Gräueltaten ansieht.

Besuch in Israel

Die Eindrücke gehen Mansour ins Mark, er ist sichtlich angefasst. »Ich habe den Tod gesehen, einen Ort, der schreit, aber stumm ist.« Es sei aber für ihn »das Allernormalste, dorthin zu gehen, wo alles angefangen hat«. Er habe »junge Attentäter gesehen, die lachend neben Leichen sitzen« und sogar Spaß dabei gehabt hätten, Menschen beim Sterben zuzusehen.

Bis zu seinem »letzten Atemzug« werde er diese Bilder nicht vergessen, schreibt Mansour auf X. Aber auch für die Menschen in Gaza brauche es Empathie, fordert er, denn auch sie seien Opfer. In seiner Heimatstadt Tira möchte der 47-Jährige dagegen nicht gefilmt werden – aus Sicherheitsgründen, sagt er, und um seine Angehörigen dort zu schützen.

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Er stellt sich seinen Kritikern, wehrt sich aber auch gegen Diffamierungen und Falschbehauptungen. Als ein Publizist seine akademischen Credentials als Psychologe in Zweifel zieht, legt er seine Diplome vor. Vor Gericht wehrt Mansour sich erfolgreich gegen die Unterstellung, er sei »Rassist«.

In der spannenden ARD-Dokumentation wird aber auch deutlich: Wer als arabischstämmiger Muslim im Deutschland des Jahres 2024 gegen Antisemitismus ankämpft, braucht ein dickes Fell. Ein sehr dickes Fell.

Er stehe zwar unter Personenschutz, resümiert Mansour. Aber im Kopf sei er freier als andere, die das nicht bräuchten.

Die Dokumentation von »Report München« wird am Mittwoch, den 3. April 2024, um 5 Uhr im Ersten ausgestrahlt und ist ab sofort auch in der ARD-Mediathek verfügbar.

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