Sprachgeschichte(n)

Alle »Jubeljahre« ein Jobeljahr?

Vom Hebräischen abgeleitet: das Jubeljahr Foto: Flash 90

Was bedeutet es, dass man sich nur »alle Jubeljahre« einmal trifft? Im Sprachgebrauch herrscht eine gewisse Verwirrung. »Die Welt« schrieb Ende 2000: »Dank all jenen, die im ablaufenden Jubeljahr 2000 der deutschen Sprache, von rechthaberischer Rechtschreibreform und ansteckenden Anglizismen zuvor in ihrer Existenz bedroht, neuen, lebensrettenden Glanz verliehen haben.« Hier macht der Jubel zur Jahrtausendwende das gesamte Jahr zu einem »Jubeljahr«.

Hilfreich ist ein Blick in einige Bibel-Übersetzungen: Im 3. Buch Mose (Leviticus) 25, 10–11 heißt es im revidierten Text der Luther-Übersetzung (1964): »Und ihr sollt das fünfzigste Jahr heiligen und sollt eine Freilassung ausrufen im Lande für alle, die darin wohnen; es soll ein Erlassjahr für euch sein.« Eine ältere Fassung (herausgegeben von Lehmann et al., 1912) schreibt: »Ihr sollt das fünfzigste Jahr heiligen und im Lande ein Freijahr ausrufen für alle, die drinnen wohnen. Es sei euch ein Jubeljahr, da soll ein jeder wieder zu seinem Besitz und seinem Geschlecht kommen.«

Freiheit In der Version von H. Menge (1954) lesen wir: »… (sollt ihr…) so das fünfzigste Jahr heiligen und sollt im Lande Freiheit (oder: Befreiung) für alle seine Bewohner ausrufen: ein Halljahr (oder: Jobeljahr) soll es für euch sein.« Hier wird erstmals vom »Jobeljahr« gesprochen, so wie auch in der Übersetzung von Bruno E. Landthaler und Hanna Liss vom »Joweljahr« die Rede ist. In der Literatur erwähnt einzig Jean Paul im Roman Titan (1800–1803) und in der Schrift Museum (1813) die »Jobelperiode«.

Eine Erklärung von H. Menge zum Jobeljahr führt uns auf die sprachgeschichtliche Fährte: »So genannt vom Schall der Widderhörner (hebräisch jôbêl), die seinen Beginn ankündigten.« Heinrich Krauss’ Geflügelte Bibelworte (1993) sind etwas vorsichtiger bezüglich der Herleitung: »Das Wort kommt vermutlich vom Klang des Horns (hebräisch Jobel), mit dem das Jahr eröffnet wurde. Luther übersetzte deshalb mit Halljahr, obwohl vielleicht auch die hebräischen Wörter jabal (= ›als Gabe bringen‹) oder jebulk (›Ertrag des Landes‹) zugrunde liegen. Die katholische Kirche kennt vom Papst ausgerufene Jubeljahre als Anlass zu einer Pilgerfahrt nach Rom zwecks Ablassgewinnung, zum ersten Mal im Jahre 1300.«

Das hebräische Wort »jôbêl« (»Horn, mit dem zum Gnadenjahr geblasen wird«) und das lateinische Wort iubilum (»Aufjauchzen«) dürften im Mittelalter miteinander verschmolzen sein. Sicher ist, dass das »Jubeljahr« auf eine Vorschrift im alttestamentlichen Gesetz zurückgeht, derzufolge alle sieben Jahre der im vorausgegangenen Zeitraum veräußerte Grund und Boden wieder den ursprünglichen Besitzern zufallen sollte.

Interpretationen Im Umgangsdeutsch haben sich die Bibelausdrücke »Halljahr«, »Erlassjahr« und »Jobeljahr« nicht durchgesetzt, wohl aber »Jubeljahr« – vor allem, wenn mit der Wendung »alle Jubeljahre einmal« ein Ereignis benannt wird, das nur selten eintritt. So wird das Jubeljahr etwa 2007 in einem »Spiegel«-Text verwendet: »Das Dateisystem, als jener Teil des Betriebssystems, der festlegt, wie und wo der Computer welche Daten wie schnell speichern und wiederfinden kann, wird nur alle Jubeljahre neu organisiert.«

Die dritte Interpretation, die »Jubeljahr« mit dem Wort »Jubiläum« gleichsetzt, findet sich zum Beispiel in dem bitterbösen Kommentar, den die Wochenzeitung »Die Zeit« 2005 im Vorgriff auf das Mozartjahr 2006 brachte: »Am Horizont dräut die rokokorote Mozart-Flut. Sie wird uns im Jubeljahr eine Ohrwurmplage bringen, gegen die man sich impfen sollte, ehe die Gehörgänge verkleben. Vor allem Mozarts Kleine Nachtmusik KV 525 kann gefährlich werden.«

Geschichte

CNN-Legende Wolf Blitzer zeigt in Berlin Holocaust-Doku

In dem Film geht es auch um die Familiengeschichte des in Deutschland geborenen jüdischen Journalisten

von Anna Ringle  04.06.2023

Berlin

Haus der Kulturen der Welt feiert Wiedereröffnung

Kulturstaatsministerin Roth steht wegen ihrer Haltung zu BDS massiv in der Kritik. Nun gab sie ein Versprechen

 04.06.2023

Aufgegabelt

Lachs-Sashimi

Rezepte und Leckeres

 04.06.2023

Interview

»Das Misstrauen bleibt«

Stella Leder über Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Antisemitismus im Kulturbetrieb und fehlende Empathie gegenüber Jüdinnen und Juden in der Kunstwelt

von Joshua Schultheis  04.06.2023

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  02.06.2023

Aryeh Nussbaum Cohen

König David aus Brooklyn

Schon mit 14 sprang er als Kantor an den Hohen Feiertagen ein – jetzt singt der Countertenor in Händels Oratorium »Saul« in Berlin

von Ayala Goldmann  02.06.2023

Billy Joel

Der »Piano Man« zieht aus

Der Musiker beendet seine seit zehn Jahren andauernde Konzertserie im New Yorker Madison Square Garden

von Christina Horsten  02.06.2023

Düsseldorf

Paul-Spiegel-Filmfestival gestartet

Das Programm soll »ein realistisches Bild des Judentums und die Vielfalt der jüdischen Identitäten« vermitteln

 01.06.2023

Hard Rock

»Kiss«-Sänger: Ähnlichkeit mit SS-Runen ist uns nicht aufgefallen

Das »Doppel-S« im Band-Logo sollte Blitze darstellen, so der jüdische Bandleader Gene Simmons

 31.05.2023