Stipendien

Akademische Hilfe in der Not

Die Universität Tel Aviv (TAU) bietet sogenannte Emergency Fellowships an. Foto: Flash90

Stipendien

Akademische Hilfe in der Not

Die internationale Wissenschaftsgemeinschaft zeigt sich solidarisch mit der Ukraine – auch Israel beteiligt sich

von Frank Olbert  26.02.2023 07:51 Uhr

Geschockt und eingeschüchtert kamen sie in Israel an. »Vor allem quälte sie die Sorge um die Familien, die sie zu Hause zurückgelassen hatten«, berichtet Michal Linder, an der Universität von Tel Aviv unter anderem zuständig für sogenannte Emergency Fellowships – Notstipendien, die seit einem Jahr auch an Hochschulen in Israel unter dem Vorzeichen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vergeben werden.

Die Universität Tel Aviv (TAU) nahm in diesem ersten Kriegsjahr nicht allein Fakultätsangehörige, sondern auch Studentinnen auf, und es musste nicht zwingend Gefahr für Leib und Leben bestehen, um ein Stipendium zu bekommen: Marina stand kurz vor dem Abschluss, als Putins Truppen ihr Land überfielen – im Sommer wollte sie die Prüfungen an der staatlichen Pädagogischen Hochschule in der zentral­ukrainischen Industriestadt Kropywnyzkyj absolvieren.

Chance Das Uni-Gelände diente unterdessen als Camp für Menschen, die aus den gefährlichen Randlagen ins Landesinnere geflüchtet waren; Online-Kurse gab es nur sporadisch. Die TAU eröffnete Marina die Chance, ihr Studium fortzuführen. Tel Aviv war die erste Universität in Israel, die Studierenden und Forschenden aus der Ukraine derartige Stipendien anbieten konnte, sagt Milette Shamir, Professorin und Vizepräsidentin der Hochschule. Im März will die TAU zu den bisher gesammelten Erfahrungen sogar ein eigenes Symposion veranstalten.

Zu diesen Erfahrungen zählt für Shamir auch die Hilfsbereitschaft der akademischen Gemeinschaft wie darüber hinaus der gesamten Bürgerschaft: »Tel Aviv ist ein teures Pflaster, und die Stipendiatinnen kamen mitten im Semester, sodass wir keinerlei Plätze in Wohnheimen frei hatten, und so haben wir einen Aufruf gestartet: Wer kann ein Zimmer erübrigen? Die Resonanz war überwältigend, das war für mich ein Highlight.«

»Wir mussten all unsere Ressourcen ausschöpfen, um den Studierenden zu helfen«, so Michal Linder, und diese Anstrengung ging über die klassischen Aufgaben einer Universität wie Forschung und Lehre weit hinaus: »Die Gäste aus der Ukraine benötigen Beratung, auch in psychologischer Hinsicht, wir brauchen Leute, die in ihrer Sprache mit ihnen kommunizieren, auch wenn eine Voraussetzung ist, dass sie Englisch sprechen können.« Kurz, es ging darum, den Ankömmlingen aus Europa den Übergang zu erleichtern, sodass sie in Israel zurechtkamen.

Welche Rolle können und sollen die Universitäten angesichts humanitärer Katastrophen spielen, wie sie der Krieg in der Ukraine ausgelöst hat?

Auch das Haifa Center for German and European Studies (HCGES) spielt seit dem 24. Februar des vergangenen Jahres eine zentrale Rolle bei der Vergabe von Notstipendien an die Ukraine; dabei war der Deutsche Akademische Austauschdienst beteiligt. In Bonn schätzt man sehr, dass das israelische Forschungszentrum »große Flexibilität und Engagement bei der kurzfristigen Einrichtung des Stipendiums gezeigt hat«, wie ein Sprecher sagt.

Der Austauschdienst gab Geld für die Fellowships des HCGES, das er bereits seit 2007 unterstützt – zwischen 25.000 und 30.000 US-Dollar betragen die Kosten für ein einzelnes Stipendium, das von sechs Monaten bis zu einem Jahr dauern kann. In Tel Aviv spielten auch private Spenden eine große Rolle, so Milette Shamir.

Zeichen Das Symposion im März soll nun ein Zeichen setzen, und zwar in vielfältiger Weise – als Signal, dass dieser Krieg nun bereits ein Jahr dauert, aber auch im Sinne eines Austauschs über den Krieg selbst, zu dem Angehörige der TAU und die Stipendiatinnen selbst geforscht haben und weiterhin forschen.

»Auch Wissenschaftler aus Russland kamen nach Israel«, sagt Michal Linder, »und diese sind ebenfalls geflohen. Auch ihren Erfahrungen soll sich das Symposion widmen, den persönlichen ebenso wie den Erfahrungen, die sie als Akademiker gesammelt haben.«

Nicht zuletzt eine Frage soll der Austausch nämlich klären helfen, die insbesondere die Initiatoren der Emergency Fellowships im vergangenen Jahr umgetrieben hat: Welche Rolle können und sollen die Universitäten angesichts humanitärer Katastrophen spielen, wie sie der Krieg in der Ukraine ausgelöst hat? Eine Antwort darauf sind vermutlich die Notstipendien selbst.

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