Interview

»90 Prozent Kreation und zehn Prozent schlafen«

Daniel Donskoy spricht über seine Work-Life-Balance und seine Rolle in der Serie »Aufgestaut«

von Claudia Irle-Utsch  18.10.2023 15:33 Uhr

Daniel Donskoy Foto: picture alliance/dpa

Daniel Donskoy spricht über seine Work-Life-Balance und seine Rolle in der Serie »Aufgestaut«

von Claudia Irle-Utsch  18.10.2023 15:33 Uhr

Der Verkehr staut sich. Eine Handvoll Aktivisten blockiert die Straße. Tritt ein für Klimaschutz und zwar sehr existenziell. Das macht etwas mit den Menschen, die so harsch ausgebremst werden, und auch mit scheinbar Unbeteiligten. Es ist die Kunst der ZDF-Kurzfilm-Serie »Aufgestaut« (am 18. Oktober ab 23.15 Uhr bei ZDFneo sowie schon jetzt in der ZDF-Mediathek), aus dieser Momentaufnahme eine komplexe Geschichte zu erzählen. Darin stauen sich nicht allein Autos, sondern auch Wut, Frust, Verzweiflung, Wehen und die Frage nach dem Lebenssinn. Der Schauspieler, Musiker und Entertainer Daniel Donskoy spielt den Polizisten Jens Wuttke. Im Interview stellt er diese Figur vor und berichtet auch über die eigene Work-Life-Balance.

Herr Donskoy, wie würden Sie den Polizisten Wuttke beschreiben?
Wuttke ist ein von der gefühlten Sinnlosigkeit seiner Tätigkeit verdrossener Typ, der zum Zeitpunkt, als wir ihn bei »Aufgestaut« kennenlernen, am Tiefpunkt seiner energetischen Möglichkeiten steht. Er ist gereizt, müde und hat auf gut Deutsch keinen Bock mehr. Diese Perspektive ist bereichernd, denn er ist nicht einfach nur ein »Scheiß Bulle«. Er hat es schlichtweg satt, Menschen von der Straße zu zerren, die sich im nächsten Augenblick woanders hinkleben.

Kleider machen bekanntlich Leute. Wie ging es Ihnen mit der Polizei-Uniform?
In der Mittagspause war ich in einem Supermarkt in München, in Polizei-Vollmontur, und das war sehr amüsant. Von Häme bis zu aufrichtigem Respekt ist mir da alles begegnet. Das Kostüm ist natürlich ein wichtiger Teil der Rollengestaltung.

Können Sie die Aktionen der »Letzten Generation« nachvollziehen?
Es geht zum Glück nicht um meine persönlichen Ansichten zu diesem Thema, wenn ich eine Rolle spiele. Meine größte Sorge ist die Polarisierung der Gesellschaft. Sind Sie dafür oder dagegen? Auf welcher Seite stehen Sie? Das sind Fragen im Schwarz-Weiß-Denken. Die Serie behandelt die Grautöne, und auch mein persönliches Bild dieser komplexen Situation ist grau schattiert.

Müsste nicht auch die Filmbranche künftig stärker noch dem Nachhaltigkeitsprinzip folgen?
Wir alle sollten nachhaltiger leben. Wenn Filme aufgrund von Auflagen finanziell nicht mehr zu bewältigen sind, ist das ein Problem. Wir sehen das ja in allen Aspekten der politischen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Man muss auch ökonomisch denken. Klar, als die Welt stillstand während der Pandemie, da hat sich die Natur von uns Menschen erholt. Es müssen auf jeden Fall Lösungen her, aber zum Glück bin ich Schauspieler und nicht derjenige, der das Budget einer nachhaltigen Kinoproduktion durchrechnen muss.

»Aufgestaut« zeigt, wie groß die Anspannung bei den unterschiedlichen Figuren ist und wie unterschiedlich sie sich löst. Wie finden Sie selbst eine Balance zwischen An- und Entspannung, und welche Rolle spielt dabei die Musik?
Ausbalanciert würde ich mein Leben nicht nennen. Eher 90 Prozent Kreation und zehn Prozent Schlafen. Dazwischen gutes Essen und so viel Sport wie möglich. Musik ist mein ständiger Begleiter, ob im Ohr oder am Instrument. Derzeit arbeite ich an einem Projekt, das meine beiden Leidenschaften verbindet. Ich spiele in den USA Władysław Szpilman in der weltweit ersten Bühnenadaption seiner Memoiren »Der Pianist« (ab 26. September im George Street Playhouse in New Jersey; Anm. d. Red.). Also auch hier ist Musik eher Arbeit als Entspannung. Da ich meinen Beruf aber sehr liebe, passt das.

Beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Kreise Siegen-Wittgenstein und Emek Hefer haben Sie unter anderem den Song »Ani Veʼata« (»Ich und du«) von Arik Einstein gecovert. Das war ein besonders emotionaler Moment. Kann Musik mehr sagen als Worte? Und wo genügt allein eine Geste, ein Blick?
Normalerweise braucht Musik keine Worte. Der Song »Ani Veʼata« braucht aber natürlich die Kernaussage: Du und ich können zusammen die Welt verändern. Es war wunderschön, diesen Song bei so einer Veranstaltung singen zu können. Generell braucht es aber kaum etwas, um sich mit Menschen zu verbinden. Es reicht, wie Sie schon sagten, ein Blick. Das Leben besteht aus Emotionen – wir haben gelernt, diesen Emotionen Worte zu geben, doch ich bin mir nicht sicher, ob unser beschränktes Vokabular der komplexen emotionalen Welt in uns gerecht werden kann.

Die Fragen an den Schauspieler stellte Claudia Irle-Utsch.

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