Österreich

Zwischen den Räumen

Neu im Buchhandel: Jüdisches Echo Foto: DJE

Österreich

Zwischen den Räumen

Die neue Ausgabe der Wiener Jahreszeitschrift »Das Jüdische Echo« untersucht Migrationsbewegungen

von Heike Hausensteiner  04.01.2011 16:38 Uhr

»Weit von wo? – Menschen in der Diaspora« ist der Titel der jüngsten Ausgabe des Jüdischen Echos. Das seit fast einem halben Jahrhundert in Wien erscheinende Magazin hat sich in den vergangenen 50 Jahren zu einer der wichtigsten Kulturzeitschriften im deutschsprachigen Raum entwickelt. Und das nicht erst seit die in Budapest geborene Wiener Journalistin Marta Halpert in die großen Fußstapfen von Gründer Leon Zelman getreten ist und nach dessen Tod 2007 die Chefredaktion übernommen hat.

Zelman gründete 1980 den »Jewish Welcome Service Vienna«. Die Aussöhnung zwischen vertriebenen Juden und Österreichern war das Ziel. Nachdem er mehrere Konzentrationslager überlebt hatte, war Zelman 1949 nach Wien gegangen. Das 1951 von ihm als Mitteilungsblatt der Jüdischen Hochschülerschaft mitbegründete Jüdische Echo versteht sich ebenfalls als Mittler zwischen Juden und Nichtjuden. Es möchte ein Diskussionsforum sein und, wie Chefredakteurin Halpert betont, »über den Tellerrand schauen«. Im Titel trägt es daher ebenfalls die Bezeichnung »Europäisches Forum für Kultur und Politik« – völlig zu Recht.

Diaspora Die Jahresausgabe 2010/2011 stellt denn auch im ersten Teil die hoch politische Frage, wo das geistige Zentrum des Judentums heute liegt: in Israel, Europa oder in den USA? Der zweite Teil der fast 200 Seiten starken Publikation widmet sich den globalen Migrationsbewegungen. Dazu greifen auch Schriftsteller zur Feder, die selbst in der Diaspora leben. Vladimir Vertlib etwa. Im früheren Leningrad geboren, emigrierte er als Fünfjähriger mit den Eltern nach Israel, kam dann in die Niederlande, nach Österreich, Italien, wieder nach Israel, in die USA und fasste schließlich Fuß in Salzburg. In Anlehnung an seinen ersten Roman Zwischenstationen (1999) schreibt er diesmal im Jüdischen Echo über die Ambivalenz der Diasporagefühle und darüber, dass junge Russen im »Zwischenraum« nicht heimisch geworden sind. Er selbst sagt von sich, »ich bin unterwegs«, die Identität sei im Fluss. »Es gibt unterschiedliche Farben, die wechseln. Ich weiß nicht, wo ich enden werde.«

Dass Identität etwas ist, das sich wandelt, betont auch der bulgarischstämmige Autor Dimitré Dinev. »Identität ist grenzenlos wie das Universum.« Und: Migration sei ein eindeutig negativer Begriff. Über die grüne Grenze gelang Dinev 1990 die Flucht nach Österreich. Sein Beitrag im Jüdischen Echo ist den Bulgaren, Rumänen und Serben gewidmet und dem »Antanzen gegen das Heimweh«. Einen Fixplatz in der neuen Ausgabe hat mit Andernorts wieder Doron Rabinovici.

Selbstbewusst Das aktuelle Heft lässt den inhaltlichen Bogen von der Diaspora der Griechen, Portugiesen, Mitteleuropäer, Nordafrikaner und selbstverständlich Israelis bis hin zur Frage der Assimilation verlaufen. »Erprobt in Wien: der aufrechte Gang« nennt sich der Beitrag von Ariel Muzicant. Dort ist trotz Antisemitismus und Assimilation eine neue selbstbewusste Gemeinde entstanden, unterstreicht der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Der Triester Literaturwissenschaftler und Romancier Claudio Magris meint im Interview mit Marta Halpert: »Jude zu sein ist eine unglaubliche Waffe gegen jeden engstirnigen Lokalpatriotismus.« Möge Das Jüdische Echo noch viele derart hochkarätige Beiträge zu Europas Kultur und Politik liefern.

Das Jüdische Echo. Europäisches Forum
für Kultur und Politik, Vol. 59, 2010/2011, 184 S., 14,50 €. Erhältlich im Buchhandel oder unter www.faltershop.at

Toronto

20 Mesuot aus Seniorenheim gestohlen

Die Polizei geht von einem Hassverbrechen aus

 09.12.2025

Frankreich

Aus Judenhass Gift ins Essen gemischt?

In Nanterre läuft der Prozess gegen eine 42-jährige Algerierin. Sie wird beschuldigt, während ihrer Tätigkeit als Kindermädchen bei einer jüdischen Familie Lebensmittel und Kosmetika absichtlich mit Seife und Haushaltsreiniger vermischt zu haben

 09.12.2025

Social Media

Jüdischer Politiker im Iran warnt seine Gemeinde         

Der einzige jüdische Abgeordnete im Iran rät seiner Gemeinde, Social-Media-Kanälen mit Israel-Bezug zu entfolgen. Was hinter seiner Warnung steckt

 09.12.2025

Noëmi van Gelder wurde mit deutlicher Mehrheit zur neuen Präsidentin der ICZ gewählt.

Zürich

Israelitische Cultusgemeinde hat neue Präsidentin

Die größte jüdische Gemeinde der Schweiz hat gewählt: Mit Noëmi van Gelder will die Gemeinde ein klares Signal setzen

von Nicole Dreyfus  08.12.2025

Alan Shatter

»Dieses Vorgehen ist nun wirklich idiotisch«

Irlands ehemaliger Justizminister nimmt kein Blatt vor den Mund: Im Interview kritisiert Alan Shatter nicht nur den Boykott des Eurovision Song Contest durch sein Land. Er macht die irische Regierung auch für wachsenden Judenhass verantwortlich

von Michael Thaidigsmann  08.12.2025

Dänemark

Männer sollen 760.000 Euro für die Hamas gesammelt haben

Am Dienstagmorgen nahm die Polizei einen 28-Jährigen fest. Sein mutmaßlicher Komplize sitzt bereits in U-Haft

 05.12.2025

Antisemitismus

Litauen: Chef von Regierungspartei wegen Antisemitismus verurteilt

In Litauen ist der Chef einer Regierungspartei mehrfach durch antisemitische Aussagen aufgefallen. Dafür musste er sich vor Gericht verantworten. Nun haben die Richter ihr Urteil gefällt

 04.12.2025

Ukraine

Alles eine Frage der Herkunft

Wie ein Korruptionsskandal den antisemitischen Narrativen in Russland Vorschub leistet

von Alexander Friedman  04.12.2025

Europa

»Yid Army« im Stadion

Ein neues Buch erklärt, warum Fußballvereine wie Tottenham Hotspur, Austria Wien und Ajax Amsterdam zu »Judenklubs« wurden

von Monty Ott  04.12.2025