RUMÄNIEN

Zu Gast im Banat

»Natürlich war ich aufgeregt, es ist ja eine riesige Ehre, wenn sich der deutsche Bundespräsident ankündigt«, antwortet Luciana Friedmann, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde von Temeswar, auf die Frage, wie sie reagierte, als sie aus dem deutschen Konsulat erfuhr, dass Frank-Walter Steinmeier ihre Gemeinde besuchen möchte.

Steinmeier war vergangene Woche auf Einladung seines rumänischen Amtskollegen Klaus Johannis zu einem dreitägigen Staatsbesuch in das Karpatenland gereist. Nach politischen Gesprächen in der Hauptstadt Bukarest, in denen es um die Aufnahme Rumäniens in den Schengenraum, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit und um die Hilfestellung für die Ukraine ging, reiste Steinmeier weiter nach Hermannstadt und Temeswar, Städte, die exemplarisch für die Vielfalt des Landes und für die Bandbreite der bilateralen Beziehungen stehen.

KULTURHAUPTSTADT In Temeswar (Rumänisch: Timisoara) standen am Freitag unter anderem der Besuch des deutschsprachigen Nikolaus-Lenau-Lyzeums sowie Treffen mit Repräsentanten der deutschen und der jüdischen Minderheit auf dem Programm.

»Da Temeswar in diesem Jahr Europäische Kulturhauptstadt ist, war es dem Bundespräsidenten ein besonderes Anliegen, sich gerade dort ein Bild von der kulturellen und religiösen Vielfalt des Gastgeberlandes zu machen«, teilte ein Sprecher des Bundespräsidenten der Jüdischen Allgemeinen mit.

Zwei Holocaustüberlebende aus der Gemeinde erzählten dem Bundespräsidenten, was sie während der Schoa erlitten haben.

In der jüdischen Gemeinde der Stadt ist man voll des Lobes. »Dass ein solcher freundschaftlicher Besuch des deutschen Staatsoberhauptes stattfinden kann, hat einen unermesslichen symbolischen Wert«, betont Gemeindechefin Friedmann. »Vor allem, wenn man bedenkt, welches Leid das rumänische Judentum damals von den Nazis und Antonescu, ihrem rumänischen Verbündeten, zu erleiden hatte«, fügte sie hinzu.

Vor der Schoa lebten in Rumänien rund 800.000 Juden, es war eine der größten jüdischen Gemeinschaften der Welt. Heute gibt es nach Angaben der Föderation der jüdischen Gemeinden in Rumänien (FCER) zwischen 7000 und 10.000 Juden im Land. Die Gemeinde in Temeswar zählt rund 600 Mitglieder, in den 30er-Jahren waren es etwa 30.000.

Der deutsche Bundespräsident traf sich mit der jüdischen Gemeinde in der Zitadellensynagoge (Sinagoga din Cetate), dem zweitgrößten jüdischen Bethaus des Landes.

GEBÄUDE Das denkmalgeschützte Gebäude, das auch »Synagoge in der Festung« genannt wird, wurde zwischen 1863 und 1865 nach Plänen des Wiener Architekten Carl Schumann im eklektischen Stil mit Elementen des Maurischen Stils sowie der Romantik errichtet und erinnert an die Große Synagoge im algerischen Oran. Mit mehr als 3000 Plätzen gilt diese Synagoge als eine der größten in Europa. Sie wurde im Mai 2022 nach jahrelanger Res­taurierung feierlich wiedereröffnet. An dem Festakt nahm von deutscher Seite Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt teil.

»Wir haben mit der jüdischen und der deutschen Gemeinde Gespräche über Diskriminierung geführt und darüber, wie eng die Zusammenarbeit ist, um antisemitische Handlungen zu verurteilen«, sagte Steinmeier nach dem Treffen. Er würdigte die Maßnahmen, die das rumänische Parlament auf den Weg gebracht hat, um dem Antisemitismus entgegenzuwirken und den Holocaust stärker ins Bewusstsein der Mehrheitsgesellschaft zu rücken.

Hierzu zählen unter anderem die Ernennung eines Antisemitismusbeauftragten sowie die Verabschiedung einer »Nationalen Strategie für die Verhinderung und Bekämpfung von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Radikalisierung und Hassrede«. Darüber hinaus soll laut einem Parlamentsbeschluss im kommenden Jahr an weiterführenden Schulen mit dem Pflichtfach »Die Geschichte des Holocaust und des jüdischen Volkes« begonnen werden. All dies sei für die jüdische Gemeinde im Land von großer Bedeutung, bekräftigten die Gastgeber im Gespräch mit Steinmeier.

Interesse Der Bundespräsident sei an allem, so Friedmann, sehr interessiert gewesen: Er wollte Details über die Architektur der Synagoge wissen, die sowohl für Gottesdienste als auch für Ausstellungen und andere kulturelle Veranstaltungen genutzt wird. Er erkundigte sich zudem nach der aktuellen Lage der Juden im Land, aber auch der Holocaust war Gesprächsthema. So nahmen neben Luciana Friedmann sowie weiteren Mitgliedern des Gemeindevorstands und FCER-Präsident Silviu Vexler auch zwei Holocaustüberlebende an dem Treffen mit Steinmeier teil. Sie erzählten dem Bundespräsidenten, was sie während der Schoa erlebt und erlitten haben. »Herr Steinmeier hat sehr interessiert und mit großer Anteilnahme zugehört«, so Friedmann.

Außer den Vertretern der jüdischen Gemeinde war bei dem Treffen in der Synagoge auch Ovidiu Gant vom Vorstand des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) mit dabei. Die Beziehungen zur deutschen Minderheit seien hervorragend, betont Friedmann. Die DFDR unterstütze die jüdische Gemeinde, wo immer es nötig sei, zum Beispiel bei der Renovierung der Zitadellensynagoge.

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Hollywood

80 Jahre Goldie

Die quirlige Schauspielerin feiert ihren runden Geburtstag – und ist nicht zu bremsen

von Barbara Munker, Sophie Albers Ben Chamo  23.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  20.11.2025