USA

Zeichen des Antisemitismus

Polizeistreife vor dem jüdischen Friedhof in St. Louis, wo unbekannte Täter zahlreiche Grabsteine schändeten. Foto: dpa

Viele Synagogen in den USA verstärken ihre Sicherheitsvorkehrungen, beobachtet Alvin Rosenfeld. Der Direktor des »Instituts zur Untersuchung des kontemporären Antisemitismus« an der Indiana University in Bloomington im US-Staat Indiana ist häufig zu Gast in jüdischen Gotteshäusern. Dabei falle ihm eine zunehmende Besorgnis unter amerikanischen Juden auf, sagte Rosenfeld dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Stimmung in der jüdischen Community in den USA beschreibt auch Kenneth Jacobson: Der stellvertretende Direktor der Anti-Defamation League (ADL), die sich gegen die Diskriminierung von Juden einsetzt, berichtet von einer Bombendrohung gegen seinen Verband von Mitte Februar. Insgesamt haben Medienberichten zufolge mehr als 50 jüdische Gemeindezentren seit Jahresbeginn Bombendrohanrufe erhalten.

friedhöfe In St. Louis im US-Bundesstaat Missouri und in Philadelphia in Pennsylvania schändeten unbekannte Täter jüdische Friedhöfe. Ende 2016 dokumentierte die Anti-Defamation League Tausende antisemitische Tweets gegen jüdische Journalisten. Nach seinem Interview im Fernsehsender Fox seien seine sozialen Medien »voll gewesen mit antisemitischen Aussagen«, sagte Mark Hetfield, Direktor des jüdischen Flüchtlingshilfsverbandes HIAS.

Jacobson von der Anti-Defamation League äußerte sich vorsichtig bei der Bewertung der Drohanrufe: Sie repräsentierten wohl keine Zunahme des Antisemitismus, sondern eher den Umstand, dass antisemitisch eingestellte Menschen zunehmend meinten, sie könnten diese Haltung ausleben.

Das Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center veröffentlichte im Februar eine Untersuchung zur Haltung der US-Amerikaner zu verschiedenen Religionsgruppen. Rund zwei Drittel der Bevölkerung hätten nach eigenen Angaben ein »positives Gefühl« gegenüber Juden, sogenannte »Mainline«-Protestanten und katholische Christen. Dagegen hätten nur 48 Prozent positive Gefühle zu Muslimen und 50 Prozent zu Atheisten.

Insgesamt sei in den USA der Antisemitismus in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegangen, berichtet auch Jacobson. Mitte der 1960er-Jahre hätten 29 Prozent der US-Amerikaner antisemitische Ansichten vertreten. Gegenwärtig liege der Anteil bei 12 bis 14 Prozent.

ermittlungen Der Direktor des »Programms zur Untersuchung des Antisemitismus« an der Yale-Universität in New Haven in Connecticut, Maurice Samuels, sieht das ähnlich: Die gegenwärtige politische Atmosphäre ermutige »die Hasser«. Das FBI gebe den Ermittlungen gegen die Drohanrufer offenbar hohe Priorität. Bei jüdischen US-Amerikanern sehe er dennoch »ein gewisses Maß an gesteigerter Besorgnis«.

Die Diskussion über Antisemitismus führt unweigerlich zu Donald Trump. Im Wahlkampf 2016 setzte Trump mehrmals antisemitische Themen ein, etwa, dass seine Rivalin Hillary Clinton mit »internationalen Banken« die Zerstörung der »US-Souveränität« plane. Trumps Sohn und Wahlberater Donald Jr. beklagte sich über Hillary-Clinton- und Demokraten-freundliche Medien und machte dabei einen schockierenden Vergleich mit Blick auf den Holocaust: »Wenn Republikaner das tun würden, würden sie sofort die Gaskammern anwärmen.«

Ken Jacobson von der Anti-Defamation League betonte, sein Verband habe Trump nie des Antisemitismus beschuldigt. Im New Yorker Immobiliengeschäft habe Trump mit vielen Juden zusammengearbeitet. Trumps Schwiegersohn und Berater Jared Kushner sei jüdischen Glaubens und Trumps Tochter Ivanka zum Judentum konvertiert. Doch die Liga engagiere sich grundsätzlich gegen die Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen, so habe Trump Mexikaner und andere verunglimpft.

bombendrohungen Trump regt sich häufig via Twitter auf über negative Presse – oder wenn eine Ladenkette die Handtaschen seiner Tochter aus dem Sortiment nimmt. Auf die Bombendrohungen gegen jüdische Einrichtungen habe der US-Präsident dagegen nur »sehr verspätet« reagiert, klagte Alvin Rosenfeld aus Indiana.

Für Verwunderung sorgte Trumps Erklärung zum diesjährigen Holocaust-Gedenktag, bei der das Wort »Juden« gar nicht vorkam. Gewürdigt wurden »Opfer, Überlebende, Helden des Holocausts«. Die Historikerin Deborah Lipstadt schrieb in theatlantic.com von einer klassischen Verleugnung. Trump versicherte Reportern bei einer Pressekonferenz Mitte Februar, er sei »die am wenigsten antisemitische Person«, die sie in ihrem ganzen Leben gesehen hätten.

USA

Personifizierter Hass

Menschen wie Nick Fuentes waren lange ein Nischenphänomen. Nun drängen sie in den Mainstream und sind gefährlicher denn je

von Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Meinung

Die polnische Krankheit

Der Streit um einen Tweet der israelischen Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem zeigt, dass Polen noch immer unfähig ist, sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen

von Jan Grabowski  26.11.2025

USA

Ein Stadtneurotiker wird 90

Woody Allen steht als Autor, Regisseur und Schauspieler für einzigartige Filme. Doch bis heute überschatten Missbrauchsvorwürfe sein Lebenswerk

von Barbara Schweizerhof, Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Hollywood

80 Jahre Goldie

Die quirlige Schauspielerin feiert ihren runden Geburtstag – und ist nicht zu bremsen

von Barbara Munker, Sophie Albers Ben Chamo  23.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025