Treffen

Zeichen der Solidarität

Nach seiner Rede am Montagvormittag, zu Beginn des zweiten Tages der Vollversammlung des Jüdischen Weltkongresses (WJC) in Budapest, wurde Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Gespräch mit Journalisten recht deutlich: Er nannte die Begleitumstände des Kongresses »alles andere als erfreulich«.

Er sprach von Fehlentwicklungen in Ungarn, nannte jüngste Demonstrationen und Parolen »völlig inakzeptabel«. Es sei wichtig, dass der Jüdische Weltkongress jetzt Flagge zeige. Er sei nach Budapest gekommen, so Westerwelle, um gemeinsam mit dem WJC ein klares Signal zu senden: »Es gibt in Europa keinen Platz für Antisemitismus, nicht in Berlin und nicht in Budapest.«

werte Und er wiederholte, was er den Delegierten zuvor in seiner Rede gesagt hatte: Das gemeinsame Europa sei nicht nur ein Markt, sondern vor allem eine Wertegemeinschaft. »Und wenn in Europa Tendenzen sichtbar werden, dass die Werte, die uns in Europa zusammenführen, nicht mehr ausreichend geschützt und geachtet sind, dann ist es unsere gemeinsame Aufgabe, darauf zu reagieren.« Das richte sich nicht gegen ein Land, sondern es sei im Sinne Europas.

Die Delegierten dankten dem Bundesaußenminister für seine klaren Worte, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, lobte Westerwelle als »wahren Freund Israels und der Juden«. Die Rede sei eine »starke und kraftvolle Botschaft«, von der er hoffe, dass sie in Budapest vernommen und in praktische politische Entscheidungen umgesetzt werde, sagte Graumann.

Es folgte stehender Applaus für den Bundesaußenminister. Ganz anders die Reaktion auf das Grußwort des ungarischen Regierungschefs am Abend zuvor. Die Delegierten spendeten Ministerpräsident Viktor Orbán nur verhaltenen Beifall.

Null-Toleranz Der rechtskonservative Regierungschef hatte deutlich gemacht, dass zunehmender Antisemitismus ein europaweites, nicht ein speziell ungarisches Problem sei. Während jedoch in Europa gezielte Tötungen jüdischer Schulkinder, Bombenanschläge auf Synagogen und andere Gewalttaten gegen Juden und jüdische Einrichtungen zu registrieren seien, gebe es nichts Vergleichbares in Ungarn, so Orbán.

Gleichwohl sei der Judenhass auch in seinem Land eine Herausforderung, der die Regierung aus moralischer Verpflichtung heraus mit einer »Politik der Null-Toleranz« begegne. Antisemitismus sei »inakzeptabel und nicht zu dulden«, sagte er, benannte jedoch keine konkreten Maßnahmen, wie er dem begegnen wolle.

Zentralratspräsident Dieter Graumann fand Orbáns Rede enttäuschend. Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen sagte er: »Der Ministerpräsident hat eine große Chance vertan. Es war viel guter Wille, der kundgetan wurde, aber überhaupt nichts Konkretes.« Orbán hätte klarmachen müssen, dass er die Bekämpfung des Antisemitismus zur absoluten Chefsache macht, so Graumann. »Das haben wir uns alle gewünscht, das ist nicht passiert. Es waren nette Worte, aber viel weniger, als er hätte sagen sollen.«

vorfälle Ein Sprecher des WJC bemängelte, dass der Premier nicht die wahre Natur des Problems angesprochen habe und auch nicht die jüngsten antisemitischen und rassistischen Vorfälle in seinem Land angesprochen habe.

Mit diplomatischen Worten hatte WJC-Präsident Ronald S. Lauder das aktuelle Phänomen des Hasses und der Intoleranz angesprochen. Er verwies auf die rechtsextreme Jobbik-Partei, die noch am Samstag in der Nähe des Parlamentsgebäudes gegen die WJC-Tagung protestiert hatte. Dabei waren judenfeindliche und antizionistische Parolen zu hören. Es seien nur wenige Menschen gewesen, aber es sei ein symbolisches Geschehen.

Das Ansehen des Landes werde nicht von der ausländischen Presse beschädigt, unterstrich Lauder, sondern von Extremisten und Fanatikern wie diesen. Erinnerungen an die dunkelste Geschichte Europas würden wach. »Ungarns Juden brauchen Sie«, wandte sich Lauder direkt an Premierminister Viktor Orbán. Es sei Zeit für entschiedenes Handeln, für die aktive Bekämpfung von Antisemitismus.

Plenum Am Sonntagabend hatte die dreitägige Vollversammlung des Jüdischen Weltkongresses begonnen. WJC-Präsident Ronald S. Lauder hatte bereits zuvor betont, dass das Treffen von 500 Vertretern jüdischer Gemeinden und Organisationen aus 100 Ländern ein Zeichen gegen den zunehmenden Antisemitismus im Land und für die Solidarität mit den ungarischen Juden sei.

Bis Dienstag dauert die Veranstaltung noch an. Themen der Debatten sind unter anderem die Friedensperspektiven im Nahen Osten und Fragen der Religionsfreiheit. Der WJC trifft sich alle vier Jahre zu seiner Vollversammlung, zuletzt meist in Israel, nun erstmals in Osteuropa. Die jüdische Gemeinde in Ungarn ist mit etwa 150.000 Mitgliedern die drittgrößte der Europäischen Union.

Der Präsident der Föderation der Jüdischen Gemeinden Ungarns, Péter Feldmájer, sagte der Jüdischen Allgemeinen: »Es ist eine große Ehre und ein wichtiges Zeichen der Unterstützung für die Juden Ungarns, dass der Jüdische Weltkongress seine Tagung in Budapest abhält.«

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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