Kroatien

Wirbel der Erinnerung

Die fünf silbrig glänzenden Objekte scheinen in der Luft zu schweben: An fast durchsichtigen Plastikfäden hängen sie in einem Rahmen und bilden durch ihre wirbelartige Form ein Rückgrat. Die Installation wirkt gleichzeitig abstrakt und futuristisch – ein Eindruck, der von der Künstlerin Jovana Popic durchaus beabsichtigt ist. »Die Wirbel sind für mich Teil eines Menschen aus der Zukunft«, so die 39-Jährige. »Und in dieser Zukunft werden wir uns nicht mehr erinnern.«

Ebenjene Erinnerung ist allerdings zentral für Popic’ Arbeit, die unter dem Titel »What do you want to forget?« (Was willst du vergessen?) steht. Während das Modell in ihrem Atelier stumm bleibt, wird die spätere große Installation Stimmen der Vergangenheit erklingen lassen. In die stilisierten Wirbel sind Lautsprecher eingebaut, aus denen einzelne Sätze von 30 Überlebenden der Schoa oder deren Nachkommen aus dem früheren Jugoslawien zu hören sein werden. Dort überlebten bis zu 95 Prozent der jüdischen Bevölkerung den Holocaust nicht.

Reflexion Popic geht es nicht um eine dokumentarische Arbeit, sondern um ein Extrakt der Geschichten, die sie in Zagreb, Belgrad und Sarajevo erfahren hat. »In den Audios werden die authentischen Zeugnisse der Menschen zu hören sein, die Essenz dessen, was sie verändert hat.« Einzelne Sätze würden so zu Botschaften, die den Betrachter zur Reflexion anregen sollten, aber auch Wegmarken für die Zukunft bildeten.

»Zum Beispiel hat mir ein Mann in einem Interview gesagt, dass es sehr einfach sei, vom Guten ins Böse abzusteigen – der umgekehrte Weg sei jedoch sehr schwer«, erzählt Popic. Von Menschen wie diesem Interviewpartner sollten die Zuhörer der Installation für kommende Zeiten lernen.

In dem Multimedia-Projekt treffen so nicht nur in der Form, sondern auch im Inhalt Vergangenheit und Zukunft aufeinander – eine Kollision von Zeitebenen, in deren Zentrum das Nachdenken über Erinnerung und Vergessen steht.

»What do you want to forget?« entstand, als Jovana Popic vom Präsidenten des renommierten kroatischen Künstlervereins HDLU eingeladen wurde, eine Arbeit für den Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts vorzuschlagen. »Am Anfang war ich blockiert, denn ich wusste nicht, ob ich mit dem Holocaust, mit der beispiellosen Zerstörung menschlichen Lebens würde umgehen können«, erinnert sich die mehrfach ausgezeichnete Künstlerin, die an der Akademie der Schönen Künste in Belgrad studiert hat und seit 2003 in Berlin lebt. Dann habe sie aber an ihre früheren Arbeiten im ehemaligen Jugoslawien gedacht, die sich mit dem Bürgerkrieg beschäftigten. »Der hatte viel mit der Nicht-Aufarbeitung von Geschichte zu tun«, so Popic. So sei sie schließlich zu der Frage gelangt, was Menschen vergessen wollten.

Zadar Popic selbst musste als 13-Jährige mit ihrer Familie wegen des Krieges aus ihrer Geburtsstadt Zadar fliehen – eine Erfahrung, die sie als Künstlerin bis heute prägt. »Schon als Kind habe ich Zerstörung gesehen und die Zerbrechlichkeit des Lebens erfahren«, führt sie aus. Entsprechend kreisen ihre Werke um Themen wie die Macht der Destruktion, die An- und Abwesenheit von Menschen und deren Spuren und die Manifestationen von Identitäten. Jene Identitäten werden in ihrem aktuellen Projekt akustisch erlebbar. Für Popic ist Ton oft das bessere Medium, um etwas Visuelles zu transportieren, denn beim Hören schaffe jeder seine eigenen Bilder im Kopf, sagt sie.

Die kroatische Ausstellung ist vergangene Woche in Zagreb eröffnet werden. Doch Jovana Popic will die Installation weiter entwickeln. Sie hat den Award des Sennheiser »Future Audio Artist Program« bekommen. Es unterstützt Audio-Künstler nicht nur materiell in Form von Equipment, sondern gibt ihnen auch die Möglichkeit, ihre Werke bei der Art Basel auszustellen, einer der wichtigsten Kunstmessen weltweit.

Im Juni wird Popic dort die Fortentwicklung ihrer Klanginstallation zeigen – mit weiteren Botschaften aus der Vergangenheit für die Zukunft.

Für die Weiterentwicklung ihres Projekts sucht Jovana Popic jüdische Interviewpartner in Berlin. Interessierte melden sich bitte unter: mail@jovanapopic.com

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025