Frankreich-Wahl

»Wir haben keine andere Option«

Gila Lustiger Foto: Marina Maisel

Frau Lustiger, der Front National (FN) geht nur als zweitstärkste Kraft in die Stichwahl um die französische Präsidentschaft. Ist das gut für die Juden?
Wenn ich darf, möchte ich darauf antworten, ob es gut für Europa ist. Ja, das ist es, und die Juden sind ja wohl ein Teil Europas. Macron ist der Kandidat, der ganz im Gegensatz zur Kandidatin des Front National nicht aus der Euro-Zone und dem Schengener Abkommen austreten will. In seiner Rede am Sonntag, nachdem die Ergebnisse feststanden, hat Macron sogar von einem Wiederaufbau Europas gesprochen, der jetzt ansteht.

Macron wird ein neoliberales Programm vorgeworfen, dessen Realisierung für Verhältnisse sorge, die den FN erst stark gemacht haben. Ein berechtigter Vorwurf?
Das ist immer eine Möglichkeit. Selbstverständlich können sich die Verhältnisse verschlechtern. Aber ganz ernsthaft gesagt: Wir haben doch keine Alternative. Wir haben hier die Wahl zwischen einer rechtsextremen Partei und einem Demokraten. Und da weiß ich doch, wie ich mich entscheide.

Andere Stimmen sagen, mit der Stimmenmehrheit Macrons sei die Gefahr des FN quasi besiegt. Also Entwarnung?
Nein, der FN ist viel zu stark verankert – in der französischen Arbeiterschaft, die traditionell links gewählt hat, also Sozialisten und Kommunisten. Der FN ist tatsächlich eine Arbeiterpartei geworden. Und natürlich gibt es auch die, und sie sind zahlreich, die diese populistische Anti-System-Partei aus Protest wählen, nicht weil sie das Programm kennen, sondern, weil sie ihren ras-le-bol, ihren Überdruss, zum Ausdruck bringen wollen.

Müssen wir mit dem FN künftig leben?
Wir müssen die Frage stellen, warum der FN für viele Menschen attraktiv geworden ist. Junge Leute, die Erstwähler, haben für Le Pen gestimmt. Warum wählen junge Franzosen und Arbeiter rechtsextrem? Das sind Fragen, die wir uns stellen sollten.

Wie ist es mit den Juden? Der FN hat sich als Vertreter jüdischer Interessen gegen eine muslimische Gefahr präsentiert. War er damit erfolgreich?
Was bedeutet das bitte – »muslimische Gefahr«? Ist eine Kopftuch tragende Frau eine Gefahr? Marine Le Pen will die sogenannten sichtbaren religiösen Symbole, wie etwa das Kopftuch, in öffentlichen Einrichtungen verbieten lassen. Das ist keine Terrorbekämpfung. Und man geht auch nicht effizient gegen Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit vor. Juden, die Le Pen wählen, haben ein Kurzzeitgedächtnis. Sie haben die Anfänge der Partei vergessen, die rassistischen und negationistischen Erklärungen, dass Jean-Marie Le Pen die Gaskammern mehrmals als »Detail der Geschichte« bezeichnet hat. Marine Le Pen behauptet jai immer wieder, ihr Programm sei frei von Antisemitismus und Rassismus, dass sie den Werten der französischen Republik verpflichtet sei, und dennoch ist eben der Rassismus in die Geschichte dieser Partei eingeschrieben.

Mit der in Paris lebenden Schriftstellerin sprach Martin Krauß.

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025