Großbritannien

»Wir arbeiten hart daran«

Marie van der Zyl über wachsenden Antisemitismus und den Mangel an Frauen in jüdischen Verbänden

von Michael Thaidigsmann  07.03.2024 10:20 Uhr

Marie van der Zyl Foto: Board of Deputies of British Jews

Marie van der Zyl über wachsenden Antisemitismus und den Mangel an Frauen in jüdischen Verbänden

von Michael Thaidigsmann  07.03.2024 10:20 Uhr

Frau van der Zyl, in Großbritannien wurde seit dem 7. Oktober ein sprunghafter Anstieg judenfeindlicher Taten registriert. Wie hält die jüdische Gemeinde dagegen?
Das war in der Tat ein extremer Anstieg, mehr als 500 Prozent. Wir sind unserer Regierung dankbar, dass sie die jüdische Gemeinschaft bei dieser Herausforderung unterstützt. Sie hat jüngst angekündigt, zusätzlich 17 Millionen Pfund (21,5 Millionen Euro) für die Verbesserung der Sicherheit jüdischer Einrichtungen bereitzustellen. Darüber hinaus haben wir Mahnwachen und Kundgebungen gegen Antisemitismus organisiert und die Politik um Unterstützung gebeten. Wir fordern auch, dass die sozialen Medien besser überwacht und Hass und Hetze von dort konsequent entfernt werden.

Waren die britischen Juden auf diesen Hassausbruch vorbereitet?
Nach den Anschlägen hatten wir eine gewisse Vorahnung. Jeder Konflikt im Nahen Osten ist bislang mit einem Anstieg des Antisemitismus bei uns einhergegangen. Doch das Ausmaß des Hasses hat unsere schlimmsten Erwartungen übertroffen – gerade was Schulen und Universitäten angeht. Junge Juden tragen die Hauptlast. Wir verfügen zwar über eine gute Sicherheits­infrastruktur, aber die wird momentan auf eine harte Probe gestellt.

Sie gehören zu den wenigen Frauen weltweit, die jüdische Gemeindeverbände führen. Warum gibt es nicht mehr Frauen an der Spitze?
Frauen sind schon immer in Führungspositionen unterrepräsentiert. Das gilt auch für die jüdischen Organisationen hierzulande. Wir haben aber Fortschritte gemacht. Ich bin bereits die zweite Frau, die zur Präsidentin gewählt wurde. In meiner Amtszeit hatten wir zudem zwei Vizepräsidentinnen und eine Geschäftsführerin. Das heißt nicht, dass mir nicht auch Sexismus oder Diskriminierung begegnet wären. Wir arbeiten jedoch hart daran, sicherzustellen, dass Frauen überall in der jüdischen Gemeinschaft gleichbehandelt werden.

Was sollte konkret getan werden, damit dies gelingt?
Ich denke, Frauen sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Und ich hoffe, dass ich als Präsidentin des Board of Deputies und als Beauftragte für Gleichstellung und Inklusion des Jüdischen Weltkongresses ein Beispiel dafür bin, dass eine Frau in der jüdischen Gemeinschaft durchaus an die Spitze gelangen kann.

Viele internationale jüdische Organisationen werden von einem einzigen Mann geführt und finanziert. Ist das ein zukunftsfähiges Modell?
Unser Verband finanziert sich überwiegend durch freiwillige Mitgliedsbeiträge der angeschlossenen Synagogen und Organisationen. Dies untermauert unsere demokratische Struktur und könnte vielleicht ein Vorbild für andere Organisationen sein.

Das Interview mit der Präsidentin des Board of Deputies of British Jews führte Michael Thaidigsmann.

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