European Union of Jewish Students

»Wien lässt sich nicht unterkriegen«

Bini Guttmann Foto: Michael Thaidigsmann

European Union of Jewish Students

»Wien lässt sich nicht unterkriegen«

EUJS-Präsident Bini Guttmann über den Terror in Österreich, Sicherheit in Europa und einen Tweet

von Katrin Richter  04.11.2020 11:42 Uhr

Herr Guttmann, wie haben Sie reagiert, als Sie von der Nachricht des Anschlags am Montagabend erfahren haben?
Es ist mir wichtig zu betonen, dass man momentan noch nicht weiß, ob der Anschlag dem Stadttempel oder dem koscheren Restaurant gegolten hat und ob es ein antisemitischer Anschlag war. Deswegen will ich ungern spekulieren. Grundsätzlich hat mich das alles aber sehr stark getroffen. Meine Generation von jungen Jüdinnen und Juden ist die, die hinter schusssicherem Glas aufgewachsen ist.

Können Sie das etwas genauer beschreiben?
Die jüdische Schule, in die ich gegangen bin, ist eines der sichersten Gebäude Österreichs und sieht eher wie ein Gefängnis denn eine Schule aus. Dort haben wir nicht nur Feueralarm- sondern auch Terroralarmübungen gemacht. Wir sind an Sicherheitskräfte gewöhnt. Uns war immer bewusst, dass Terrorismus eine Gefahr für uns ist, und dass es immer passieren kann. Allerdings: Wenn es dann passiert, ist es etwas ganz Anderes. Das habe ich auch gestern verstanden.

Der Anschlag vor ein paar Wochen in Paris, der am Montag in Wien: Fühlen Sie sich sicher in Europa?
Momentan eindeutig nein, und das ist unabhängig davon, ob dieser Anschlag antisemitisch, rechtsextremistisch oder islamistisch war. Die starke Bedrohung von islamistischem und rechtsextremen Terror, die wir in den vergangenen Jahren erleben, hat noch einmal deutlich zugenommen. Jetzt ist klar, weswegen jüdische Einrichtungen so geschützt werden wie sie geschützt werden. Aber: Europa ist unsere Heimat. Hier wollen wir bleiben und hier sind wir, aber sicher fühle ich mich nicht.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Wie sollte Europas Antwort auf diese immanente Bedrohung sein?
Vulnerable Einrichtungen sollten besser geschützt werden. Aber es braucht so viel mehr. Und Europa muss sich Taktiken überlegen, wie Menschen, die radikalisiert wurden, wieder deradikalisiert werden. Wir müssen klar benennen, dass menschenverachtende Ideologien unser Leben und unsere Lebensweise bedrohen. Man muss auf Dschihadismus mit der vollen Härte des Rechtsstaats reagieren. Auf keinen Fall soll man Marginalisieren und Abschieben. Wichtig ist, dass kein »Wir gegen sie«-Narrativ aufkommt und es zu einem Kampf der Kulturen kommt. Das ist doch genau, was die Dschihadisten wollen, und das spielt ihnen in die Hände.

Was erwarten Sie von der österreichischen Regierung?
Das kann ich erst in einigen Tagen wirklich beantworten, wenn alle Hintergründe klar sind. Aber: Europa muss reflektieren: Wenn man weiterhin mit Erdogan zusammenarbeitet, sich von ihm erpressen lässt, dessen Regime Islamisten unterstützt und gemeinsam kämpft, dann ist das ein Teil des Problems. Es sind doch solche Staaten, gegen die man aufstehen muss und nicht Muslime im eigenen Land.

Sie haben eine Tweet geretweetet, in dem steht: »Der Typ, der dem Attentäter ›Oaschloch‹ hinterhergerufen hat, verkörpert das Wien, das ich kenne und so unglaublich gern mag, am besten.« Wie würden Sie denn die Situation in Wien gerade beschreiben?
Es ist schon surreal. Wien schien immer sicher und eine Insel der Seligen, denn hier ist seit vielen Jahren eben nicht das geschehen, was in anderen europäischen Städten passiert ist. Und seit gestern in alles anders. Ich lebe selbst in der Innenstadt, und plötzlich haben Polizistinnen und Polizisten in Kampfmontur Menschen in die Häuser geschickt. Schreiende Menschen liefen durch die Stadt. Es war eine Extremsituation. Und dieser Tweet zeigt: Wien lässt sich nicht unterkriegen. Wir sind stärker.

Mit dem EUJS-Präsidenten sprach Katrin Richter.

Israel

WIZO trauert um Ehrenpräsidentin Tova Ben-Dov

Sechs Jahrzehnte lang widmete sie sich der WIZO. Nun ist Tova Ben-Dov im Alter von 88 Jahren in Israel gestorben

 20.10.2025

Meinung

Ich habe Angst vor der politischen Linken

Dass Links bedeutet, sich für mit sozialem Gewissen für die Schwachen einzusetzen, gehört längst der Vergangenheit an

von Michel Ronen  20.10.2025

Florida

»Die Zeit der ungestraften Israel-Boykotte ist vorbei«

Der US-Bundesstaat geht gegen Israel-Boykotteure weltweit vor: Florida verbietet seinen öffentlichen Einrichtungen die Zusammenarbeit mit Regierungen, Universitäten und Unternehmen, die BDS propagieren

von Michael Thaidigsmann  19.10.2025

Großbritannien

»Wir wussten, dass dieser Tag kommen würde«

Das tatkräftige Eingreifen von Gemeindemitgliedern konnte Leben retten. Doch nach dem Anschlag auf die Synagoge in Manchester beklagt die Gemeinschaft zwei Tote und mehrere Verletzte

von Michael Thaidigsmann  19.10.2025

Großbritannien

Aufsicht rügt BBC wegen »schwerwiegender Irreführung«

Eine BBC-Doku aus Gaza drehte sich um den 13-jährigen Sohn eines hochrangigen Hamas-Funktionärs. Doch davon erfuhren die Zuschauer nichts. Jetzt beschloss die Ofcom Sanktionen gegen den Sender

 17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts.

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

USA

Auf der Suche nach dem »Jewish Glam«

Wie jüdische Fotografinnen und Fotografen Hollywood zu seinem berühmten Glamour verhalfen

von Ute Cohen  17.10.2025

Stockholm

Wirtschaftsnobelpreis geht auch an jüdischen Ökonom

Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt werden für ihre Forschung zu nachhaltigem Wachstum geehrt

 13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

von Nicole Dreyfus  12.10.2025