Interview

»Weg, solange es noch geht«

Herr Fuchsmann, am Sonntag wird in der Ukraine ein neues Parlament gewählt. Werden Sie Ihre Stimme abgeben?
Nein, ich besitze seit vielen Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit. Aber auch, wenn ich einen ukrainischen Pass hätte, würde ich nicht zur Wahl gehen.

Warum nicht?
Es gibt niemanden, dem ich meine Stimme schenken würde. Diese Wahl ist nicht demokratisch. Die Menschen im Donbass, in den Großstädten Lugansk und Donezk, sind davon ausgeschlossen. Das bedeutet, dass Millionen von Wählerstimmen aus den Separatistengebieten nicht berücksichtigt werden. Früher war es in der Ukraine so, dass ohne die Stimmen aus dem Donbass keine Wahl gewonnen werden konnte. Welche Legitimation hat eine Wahl mitten im Bürgerkrieg? Der Waffenstillstand ist brüchig, und die Leute sterben nach wie vor.

Welchen Wahlausgang wünschen Sie sich?
Präsident Poroschenko braucht unbedingt eine Mehrheit, um seine Reformen durchzusetzen – und die braucht wiederum das Land, sonst gibt es kein Geld und keine Investitionen aus dem Ausland. Aber natürlich hängt alles von einer zukünftigen Koalition ab.

Wie beurteilen Sie die Chancen rechtsextremer Parteien?
Die Swoboda-Partei wird wahrscheinlich nicht wieder ins Parlament einziehen. Aber die nationalistischen Wähler tendieren jetzt zu anderen Parteien. Und insgesamt sind es mehr als früher – ich schätze, knapp 20 Prozent der Wählerschaft.

Wie viele jüdische Bürger können nicht an der Wahl teilnehmen?
Insgesamt leben in der Ukraine noch etwa 300.000 Juden, im Donbass werden es etwa 25.000 sein. Alleine die Gemeinde in Donezk hat etwa 15.000 Mitglieder. Aber viele Juden sind wie andere Ukrainer aus den umkämpften Gebieten geflüchtet. Wir haben 30 Familien in einem Hotel in der Nähe unserer Synagoge in Kiew untergebracht und 60 Familien in Odessa. Viele wollen jetzt auch nach Israel ausreisen.

Raten Sie den Juden in der Ukraine zur Auswanderung?
Wenn mich jemand fragt, dann sage ich: Fahren Sie weg, solange Sie noch können! In der Ukraine gibt es zum Glück keinen staatlichen Antisemitismus. Aber in einem Land, in dem keine Ordnung herrscht, kann man sich nicht auf Schutz verlassen. Das Chaos trifft alle, aber zuallererst trifft es immer die Juden. Und die wirtschaftliche Situation ist ohnehin eine große Katastrophe. Auch die Energieversorgung bleibt problematisch. Russlands Präsident Wladimir Putin hat zwar jetzt zugesichert, im Winter Gas in die Ukraine zu liefern. Bedingung ist aber unter anderem, dass die Ukraine ihre Schulden bezahlt. Und weil das Land das nicht schaffen wird, müssen andere europäische Länder einspringen.

Mit dem Präsidenten der Jüdischen Konföderation der Ukraine sprach Ayala Goldmann.

Hurrikan Melissa

»Ich habe seit einer Woche nicht geschlafen«

Wie ein Rabbiner vom Wirbelsturm in Jamaika überrascht wurde – und nun selbst Betroffenen auf der Insel hilft

von Mascha Malburg  06.11.2025

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  05.11.2025 Aktualisiert

New York

ADL will Mamdani unter Beobachtung stellen

Die Anti-Defamation League erwartet vom neugewählten New York Bürgermeister nichts Gutes. Jetzt hat die jüdische Organisation angekündigt, man werde genau hinschauen

 05.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  05.11.2025 Aktualisiert

Essay

Mamdanis demokratische Steigbügelhalter

Führende Politiker der Demokraten haben aus Opportunismus die Wahl des Israel-Hassers Zohran Mamdani zum New Yorker Bürgermeister ermöglicht - und so in Kauf genommen, dass aus Worten gegen Israel wieder Gewalt gegen Juden werden könnte

von Menachem Z. Rosensaft  05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025

Spanien

Francos Erbe

Das Land, das den Sefardim einst ihren Namen gab, verlangt seinen Juden heute einiges ab

von Valentin Suckut  03.11.2025