Grossbritannien

Vom Papa geerbt

Auch die väterliche Linie soll zählen. Foto: Thinkstock

Grossbritannien

Vom Papa geerbt

Das Reformjudentum möchte die Anerkennung patrilinearer Juden erleichtern

von Daniel Zylbersztajn  27.07.2015 19:57 Uhr

Kinder, die keine jüdische Mutter, aber einen jüdischen Vater haben, sollen nach einem Beschluss der Assembly of Reform Rabbis UK bald durch ein vereinfachtes Verfahren als Juden anerkannt werden. Nach dem Beschluss, der eher als Richtlinie zu verstehen ist, soll die Hauptentscheidung in Zukunft bei den Gemeinderabbinern und nicht beim Beit Din, einem religiösen Gericht, liegen. Rabbiner würden dem Beit Din die Aufnahme einer Person empfehlen, und das müsste dann nur noch beurkunden, dass sie jüdisch ist.

Bei dieser Anerkennung reicht allerdings nicht allein die Tatsache aus, dass der Vater eines Anwärters jüdisch ist. Es bedarf auch eines »Mindestniveaus an jüdischem Lebensstil und einer jüdischen Identität«. Da die Gemeinden im Reformjudentum alle unabhängig sind, können sie selbst frei entscheiden, welche Kriterien sie an dieses »Mindestniveau« anlegen. Eine übergemeindliche Regel gibt es hierzu also nicht. Jene, die das Mindestniveau noch nicht erreicht haben, sollen mit ihrem Rabbiner oder ihrer Rabbinerin individuell zusammenarbeiten, um die für die Anerkennung notwendigen Bedingungen zu erfüllen.

entscheidung Die Entscheidung ist bedeutend, da das Reformjudentum in Großbritannien zahlenmäßig die zweitgrößte jüdische Bewegung nach den Konservativen und Orthodoxen ist. Rund 16.500 Personen – das sind etwa 20 Prozent aller britischen Juden – gehören dem Reformjudentum an.

Rabbi Paul Freedman, der Vorsitzende der Assembly of Reform Rabbis UK, sagte, er sei stolz auf die Neuerung, »Menschen in die Gemeinschaft aufzunehmen«. Die Entscheidung dazu folge der für gleichberechtigte Ehen und dem Aufruf von Frauen zur Bima. Mit den neuen Richtlinien sei die Assembly »ihren Hauptwerten zur Nähe der jüdischen Tradition treu und erlaubt es dem Judentum doch gleichzeitig, sich im Sinne der Herausforderungen der gegenwärtigen Welt zu entwickeln, und will dabei integrativ und gleichberechtigend sein«, formulierte Freedman.

Simon Rothstein, Sprecher der Vereinigung des Liberalen Judentums, die mit 37 Synagogen und Gemeinden als drittgrößte jüdische Religionsgemeinschaft in Großbritannien gilt, begrüßt den Schritt des Reformjudentums. Jedoch hob er hervor, dass seine Strömung diese Frage schon längst beantwortet habe. In Großbritannien sei es seit 1955 völlig egal, ob der jüdische Elternteil eine Frau oder ein Mann ist. Solange ein Kind jüdisch aufwächst und jüdisch erzogen wird, darf es Gemeindemitglied sein. Rothstein fügte hinzu, dass es sich bei dem Elternteil übrigens auch um einen Adoptivvater oder eine Adoptivmutter handeln könne. »Es gibt bei uns dazu weder Fragen noch Verfahren.«

mehrzahl Für die Mehrzahl der orthodoxen, sefardischen und Masorti-Gemeinden in Großbritannien wird es aber keine Änderung geben. Das Judentum wird hier auch künftig ausschließlich über die Mutter vererbt. Das Gebot hierzu findet sich in der Mischna (Kidduschin 3,12) und im Talmud (Kidduschin 68b).

Während die Orthodoxie der Auffassung ist, das Gesetz stamme aus der Zeit der Gesetzesübergabe am Berg Sinai, sind viele nichtorthodoxe Religionswissenschaftler der Meinung, dass es sich hier um Neuerungen aus der Zeit Esras im vierten Jahrhundert v.d.Z. handelt oder gar erst aus der Zeit der römischen Herrschaft im ersten oder zweiten Jahrhundert v.d.Z. Davor, so die Wissenschaftler, sei das Judentum über den Vater vererbt worden. Bei den Karäern, einer jüdischen Gruppierung, die den Talmud ablehnt, gilt dies bis heute.

Die neuen Richtlinien des britischen Reformjudentums werden die Diskussionen über die sogenannten Vaterjuden wiederaufleben lassen. Bereits jetzt erklärte der Geschäftsführer von Masorti Judaism, Matt Plen, seine Bewegung verstehe das jüdische Gesetz in der traditionellen matrilinearen Definition.

Allerdings fügte er hinzu, dass Masorti – im Rahmen der halachischen Regeln – Konversionen durchaus ermöglicht und dabei Wert auf einzelne »Zusammenhänge eines jeden Individuums« legt. »Feingefühl ist besonders wichtig, wenn jemand jüdisch aufgewachsen ist und sich als Mitglied der jüdischen Gemeinschaft versteht.«

Bern

Schweizer Juden reagieren auf Verbot der Terrororganisation Hamas

Deutschland hat die Terrororganisation schon kurz nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 verboten. Die Schweiz zieht jetzt erst nach

 30.04.2025

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025