Lateinamerika

Vielfalt unter Palmen

Eine Monatszeitschrift schildert das jüdische Leben zwischen Mexiko und Argentinien

von Andreas Knobloch  18.05.2010 11:44 Uhr

Koscherladen in Buenos Aires Foto: Rosa Merk

Eine Monatszeitschrift schildert das jüdische Leben zwischen Mexiko und Argentinien

von Andreas Knobloch  18.05.2010 11:44 Uhr

Vergangenen Monat hat sich die Zeitschrift der Bonner Informationsstelle Lateinamerika (ILA) schwerpunktmäßig mit dem jüdischen Leben auf dem Subkontinent beschäftigt. Natürlich nimmt Antisemitismus dabei einen breiten Raum ein. Der jüdische Journalist Guillermo Lipis spricht mit Britt Weyde über antisemitische Einstellungen in Argentinien und problematisiert dabei das fehlende Geschichtsbewusstsein bei einigen Teilen der Linken ebenso wie die bedingungslose Verteidigung der israelischen Regierung durch die jüdische Gemeinde. Damit umreißt er recht gut das diskursive Spannungsfeld der Auseinandersetzung.

In lesenswerten Artikeln beschäftigen sich Wolf-Dieter Vogel und Angela Reyes mit dem wachsenden Antisemitismus in Venezuela. Vogel thematisiert das unkritische Verhältnis der ALBA-Staaten gegenüber Teheran. Co-Autorin Reyes zeigt, dass Judenhass in Venezuela historisch nicht verwurzelt ist und verweist auf die ideologische Komponente der venezolanischen Debatte. Vorwürfe des Antisemitismus würden oft dazu benutzt, das alternative politische Projekt in Venezuela in Verruf zu bringen.

antisemitismus Leider ist der theoretische Artikel zu Antisemitismus am Anfang des Hefts recht undifferenziert. Mit Moishe Postone versteht der Autor Werner Ratz Antisemitismus vor allem als verkürzte Kapitalismuskritik, bei der Juden in einer fetischisierten Wahrnehmung der Erscheinungsformen der gesellschaftlichen Verhältnisse mit allen Übeln des Kapitalismus gleichgesetzt werden. Zwar sei Kapitalismuskritik von links und rechts keineswegs identisch, so Ratz, verengt in der Folge aber links auf soziale Nationalismen und rechts auf nationale Sozialismen und behält damit doch eine pauschalisierende Gleichsetzung von links und rechts bei. Dies ist ärgerlich und führt zu unscharfen Begrifflichkeiten. Wer Antisemitismus zudem nur am linken und rechten Rand sucht, verkennt, dass antisemitische Haltungen tief in der Mitte der Gesellschaft verwurzelt sind.

Die Stärke des Heftes aber macht aus, dass es sich nicht auf das Thema Antisemitismus beschränkt, sondern die unterschiedlichen Aspekte jüdischen Lebens in Lateinamerika einfängt. Vor allem die Interviews vermitteln ein lebendiges Bild. Im Gespräch mit Gaby Küppers und Gert Eisenbürger beschreibt der Journalist Isaac Gliksberg die jüdische Einwanderung in Uruguay und hebt die Rolle von Juden für den Aufbau kommunistischer und anderer linker Parteien in Südamerika hervor.

Einblicke Der Gemeindevorsitzende Ricardo Udler gibt Andreas Hetzer gegenüber Einblick in den Alltag der jüdischen Gemeinde Boliviens – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der engen Beziehungen der Regierung Morales zu Teheran. Aber auch die Abwanderung vieler Juden aus Bolivien in die wirtschaftlich stärkeren Nachbarländer und nach Israel wird angesprochen.

Andere Artikel beschäftigen sich mit der Geschichte jüdischer Piraten in der Karibik oder den Netzwerken jüdischer Prostituierter in Argentinien und Brasilien. Knut Henkel porträtiert die kleine jüdische Gemeinde in Havanna, und Marta S. Halpert schildert einen Besuch in der jüdischen Gemeinde in Mexiko-Stadt. Bei allen Gemeinsamkeiten stechen doch in erster Linie die Unterschiede ins Auge und vermitteln eine Idee der Vielfalt jüdischer Identitäten in Lateinamerika. Zahlreiche Portraits jüdischer Literaten und Filmemacher runden das Bild ab.

Kurzum: ein Heft, das seinen Lesern Einblick gibt in viele interessante Aspekte jüdischen Lebens in Lateinamerika. Allerdings stünde ihm ein professionelles Layout gut zu Gesicht.

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