Polen

Trillerpfeifen gegen Rassismus

Gegen sie kamen die Rechtsextremisten nicht an: Demonstranten in KZ-Kleidung Foto: dpa

Knapp 2.000 Rechtsradikale wurden am Nationalfeiertag Polens daran gehindert, mit ihren nationalistischen Parolen und Transparenten durch Warschau zu marschieren. Zum ersten Mal seit vielen Jahren stellte sich ihnen vergangenen Donnerstag eine Koalition aus Antifaschisten, Künstlern, Feministinnen, jüdischen Studenten, Lesben und Schwulen entgegen. Insgesamt 6.000 Gegendemonstranten skandierten »Ihr marschiert hier nicht durch!« und »Wir lassen uns unseren Nationalfeiertag nicht wegnehmen!« Etliche Demonstranten trugen blau-weiß gestreifte KZ-Kleidung und graue Lagerdecken. Gegen die »KZ-ler« und die tausenden Trillerpfeifen kamen die Rechtradikalen nicht an. Ihr Ruf »Lasst uns Polen befreien!« verhallte weitgehend ungehört.

Die Neonazi- und Skinhead-Aufmärsche bestimmen seit Jahren die Atmosphäre am Nationalfeiertag in Polen. Als im vergangenen Jahr ein schwarz gekleideter Block mit schweren Springerstiefeln durch die Hauptstraßen Warschaus marschierte und zum Heil-Hitler-Gruß brüllte »Weg mit der jüdischen Okkupation!« und »Heil, Großpolen!«, waren viele Warschauer fassungslos. Sie beschlossen, sich im nächsten Jahr den Gegendemonstranten anzuschließen. So kam es an diesem 11. November zu einer Rekordanmeldung: Ganze 23 Manifestationen genehmigte das Stadtamt in Warschau. Da das Konfliktpotential bekannt war, schütze ein massives Polizeiaufgebot die Demonstranten, trennte aggressive Gruppen voneinander und verhaftete 32 Steinewerfer und Schläger.

Der Soziologe Rafal Pankiewicz, der sich seit Jahren im Kampf gegen rechte Gewalt in Polen engagiert, bedauert, dass sich die Warschauer Oberbürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz dem Protestmarsch nicht anschließen wollte. »Wenn in Deutschland Neofaschisten aufmarschieren, gehen an der Spitze der Gegendemonstrationen oft die Bürgermeister der Städte«, so Pankiewicz. Die Slogans der heutigen Rechtsradikalen in Polen hätten mit dem Traditionen und Ideologien der nationalen Parteien der Vorkriegszeit nicht viel zu tun. Nicht Freiheit und Unabhängigkeit seien ihre Ziele, sondern beispielsweise ein »katholisches Großpolen« oder umgekehrt die Entfernung aller Kreuze aus öffentlichen Gebäuden. »Die einzige Ideologie, die alle Neonazis in Polen eint, ist der Rassismus«, so Pankiewicz. »Wir wollen mit unserer Gegendemonstration erreichen, dass die polnische Gesellschaft versteht wie gefährlich das Wegsehen vor rechtsextremen Umtrieben im eigenen Land ist.«

Artur Zawisza, ein rechter Politiker und früherer Abgeordneter, hingegen unterstützt den Rechtsradikalen-Aufmarsch offen. Als Präsident des Veteranenverbandes »Nationale Bewaffnete Kräfte« habe er das Patronat über den Unabhängigkeitsmarsch übernommen. Leute, die diesen Marsch aufhalten wollen, sollten zuerst Kränze an den Gräbern derjenigen niederlegen, die für das freie und souveräne Polen gefallen sind. Bei den Kritikern des Marsches handele es sich um »extreme Linke«, so Zawisza.

Obwohl die Rechtsradikalen in Warschau am Nationalfeiertag nicht die geplante Strecke entlanglaufen konnte, sondern von der Polzei umgeleitet wurden, kamen am späten Abend doch einige Hundert am Denkmal des Nationalisten und Antisemiten Roman Dmowski an. Hier skandierten sie dann wie im Triumph: »Wir sind doch durch die Stadt marschiert! Wir sind da«.

USA

Personifizierter Hass

Menschen wie Nick Fuentes waren lange ein Nischenphänomen. Nun drängen sie in den Mainstream und sind gefährlicher denn je

von Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Meinung

Die polnische Krankheit

Der Streit um einen Tweet der israelischen Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem zeigt, dass Polen noch immer unfähig ist, sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen

von Jan Grabowski  26.11.2025

USA

Ein Stadtneurotiker wird 90

Woody Allen steht als Autor, Regisseur und Schauspieler für einzigartige Filme. Doch bis heute überschatten Missbrauchsvorwürfe sein Lebenswerk

von Barbara Schweizerhof, Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Hollywood

80 Jahre Goldie

Die quirlige Schauspielerin feiert ihren runden Geburtstag – und ist nicht zu bremsen

von Barbara Munker, Sophie Albers Ben Chamo  23.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025