Basel

»Traurige Realität«

Auf dem Balkon des Basler Hotels »Les Trois Rois«: Theodor Herzl am Rand des Ersten Zionistenkongresses Foto: GPO Photo

Basel

»Traurige Realität«

Vor den Feierlichkeiten zum 125. Jahrestag des Ersten Zionistenkongresses werden Veranstaltungen »aus Sicherheitsgründen« verlegt

von Helmut Kuhn  23.08.2022 17:53 Uhr

Eigentlich sollte am Dienstagabend der Historiker Michael Wolffsohn im Vorfeld der Jubiläumsfeierlichkeiten des Ersten Zionistenkongresses in Basel sein. Zu der bis Donnerstag geplanten Veranstaltung »Zionismus von verschiedenen Seiten beleuchtet« war er als Teilnehmer angekündigt.

Doch Wolffsohn sah sich gezwungen, seine Teilnahme aus Sicherheitsgründen abzusagen. »Es gab Informationen, die auf sicherheitspolitische Probleme hinwiesen. Das fand ich zu riskant. Ich kämpfe mit offenem Visier, aber nicht gegen Anonyme«, sagte Michael Wolffsohn unserer Zeitung.

»Dass diese Veranstaltung unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, damit müssen wir leider leben.«

Ursprünglich sollten alle drei Podien im Haus, dem jüngst neu eröffneten Kasernen-Hauptbau, durchgeführt werden. Veranstalter sind das Präsidialparlament des Kantons Basel-Stadt, Swisspeace und die Offene Kirche Elisabethen.

ERSATZ Sehr kurzfristig habe sich herausgestellt, dass das Haus »die gehobenen Sicherheitsanforderungen der Veranstaltungsreihe nicht erfüllen« könne, heißt es in der Medienmitteilung des Präsidialdepartements. »Die Veranstalter bedauern, diese Sicherheitsprüfung nicht früher durchgeführt zu haben« und seien froh, »dass ein geeigneter Ersatz gefunden wurde«.

Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelischen Gemeindebunds (SIG), bestätigt dies gegenüber der Jüdischen Allgemeinen. Er erläutert, dass die offiziellen Feierlichkeiten erst am Sonntag und Montag stattfinden, auch mit einer Gala-Veranstaltung mit über 1000 Gästen im Beisein israelischen Präsidenten Isaac Herzog.

»Die Existenz dieser Drohungen ist doch ganz klar eine Bestätigung des zionistischen Axioms«, betont Michael Wolffsohn.

»Dann hat der Kanton Basel in Zusammenarbeit mit diversen lokalen Organisationen ein Vorprogramm für die lokale Bevölkerung organisiert. Das heutige Gespräch war an einem Ort vorgesehen, bei dem die Polizei offenbar davon ausging, dass er nicht den hohen Sicherheitsansprüchen genügen würde«, so Kreutner. Man habe dann entschieden, die Veranstaltung ins Internet zu verlegen, für die beiden folgenden Tage habe man andere Lösungen, zum Beispiel im Kollegiengebäude der Universität Basel, gefunden.

KRITIK Die Planänderung im Vorprogramm verwundert, da es seit Wochen bereits Kritik an dem Kongress gibt und mehrere Protestveranstaltungen im Vorfeld angekündigt waren. Zudem erscheint es beinahe ironisch, dass es 125 Jahre nach dem ersten Zionistenkongress, auf dem Theodor Herzl für Juden in aller Welt einen Ort forderte, an dem sie vor Verfolgung, Antisemitismus und Pogromen sicher sein können, ausgerechnet in der Schweiz zu »Sicherheitsproblemen« kommt.

»Das ist doch ganz klar eine Bestätigung des zionistischen Axioms, welches auf Empirie damals beruhte und heute beruht«, sagt Michael Wolffsohn. Dabei möchte der Historiker den Sicherheitsbehörden in Basel gar keine Vorwürfe machen.

Vor 125 Jahren forderte Herzl in Basel für Juden in aller Welt einen Ort, an dem sie vor Verfolgung, Antisemitismus und Pogromen sicher sein können.

»Dass es diese Gefahr gibt«, so Wolffsohn weiter, »hat mit der Schweiz überhaupt nichts zu tun. Das ist ein europäisches und ein globales Problem. Es ist nicht das Problem der Schweizer Verantwortlichen, es ist das Problem der Judenfeinde, die es in der 3000-jährigen Geschichte von uns Juden immer gegeben hat. Ich bin den Verantwortlichen sogar dankbar, wenn sie Sicherheitsprobleme ernst nehmen, Prävention ist völlig richtig.«

Jonathan Kreutner sieht die Vorfälle als eine Realität, die nichts mit der Veranstaltung zu tun habe: »Dass diese Veranstaltung, zu der auch israelische Gäste kommen, unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, damit müssen wir leben. Es ist eine traurige Realität.«

Lesen Sie mehr dazu in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

Großbritannien

Verdächtiger nach Anschlag auf Synagoge in Manchester festgenommen

Der Angriff auf die Synagoge am Vorabend des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur sorgte international für Bestürzung. Jetzt wurde ein weiterer Tatverdächtiger festgenommen

von Burkhard Jürgens  27.11.2025

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

Interview

»Meinungsvielfalt gilt es auszuhalten« 

Am 8. Dezember wählt die Gemeindeversammlung der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ein neues Präsidium. Zur Wahl stellen sich Noëmi van Gelder sowie Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein für ein Co-Präsidium. Ein Gespräch über Herausforderungen an die Gemeinde, Grabenkämpfe und Visionen

von Nicole Dreyfus  27.11.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 27.11.2025

Schweiz

Antisemitismus auch in der queeren Szene benennen

Viele Jüdinnen und Juden fühlen sich teils unsicher, wenn in der queeren Szene über Israel gesprochen wird. Der Verein Keschet will das ändern

von Nicole Dreyfus  27.11.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

Meinung

Ausmalen gegen die Realität

Kinderbücher sollten nicht dazu instrumentalisiert werden, Kinder niederschwellig zu prägen

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.11.2025

USA

Personifizierter Hass

Menschen wie Nick Fuentes waren lange ein Nischenphänomen. Nun drängen sie in den Mainstream - und sind gefährlicher denn je

von Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Meinung

Die polnische Krankheit

Der Streit um einen Tweet der israelischen Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem zeigt, dass Polen noch immer unfähig ist, sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen

von Jan Grabowski  26.11.2025

USA

Ein Stadtneurotiker wird 90

Woody Allen steht als Autor, Regisseur und Schauspieler für einzigartige Filme. Doch bis heute überschatten Missbrauchsvorwürfe sein Lebenswerk

von Barbara Schweizerhof, Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025