Frankreich

Tradition und Moderne verknüpfen

Stammt aus Marokko: Georges Bensoussan Foto: privat

Frankreich

Tradition und Moderne verknüpfen

Der Historiker Georges Bensoussan erinnert in einem Buch an die Gründung der Alliance Israélite Universelle vor 160 Jahren

von Karl Pfeifer  24.12.2020 11:26 Uhr

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Bottalk ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Bottalk angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der Historiker Georges Bensoussan hat erneut ein wichtiges Buch geschrieben – diesmal über die 160 Jahre der Alliance Israélite Universelle (AIU), die Teil der jüdischen wie auch der französischen, europäischen und orientalischen Geschichte ist.

Zur Vorgeschichte: Im Jahr 1840 verschwanden in Damaskus ein italienischer Mönch und sein muslimischer Diener. Sofort wurden »die Juden« beschuldigt, sie entführt zu haben. Man verhaftete mehrere jüdische Notabeln mit ihren Kindern und folterte sie. Jüdischen Philanthropen gelang es, die Verhafteten freizubekommen – mit Ausnahme von zwei Personen, die an den Folgen der Folterung starben.

aufsehen Internationales Aufsehen erregte 1858 der Fall Mortara in Italien. Die katholische Kirche hatte einen von einem Dienstmädchen heimlich getauften Jungen seinen jüdischen Eltern weggenommen und ihnen trotz Protesten aus dem In- und Ausland nicht zurückgegeben.

Zwei Jahre später gründeten liberale französische Juden – von der Wissenschaft des Judentums beeinflusst – die AIU. Zu ihnen gehörten deutsche Juden, die wegen ihrer Herkunft in Deutschland keine Karriere machen konnten und deswegen an französische Universitäten gingen, wie Salomon Munk, der 1828 in Frankreich ankam.

Judentum und Modernität waren nach Ansicht der AIU-Gründer genauso miteinander vereinbar wie Glaube und Vernunft. Sie übten zunächst Kritik an den jüdischen Bankbesitzern, denen sie Passivität gegenüber der Verfolgung von Juden vorwarfen. Doch schon ein paar Jahre später erkannten jene die Bedeutung der AIU und unterstützten sie.

Vorbild Ein Vorbild der Alliance war die 1846 in London gegründete Evangelische Allianz. Das erste Mal intervenierte die soeben gegründete AIU im Sommer 1860 für die christlichen Maroniten im Libanon und in Syrien, die von Drusen massakriert wurden. Es folgten viele Interventionen für verfolgte Juden von Marokko bis Persien.

Die AIU-Gründer hatten, wie andere französische Liberale nach 1848, verstanden, dass die Ideen der Aufklärung nur durch ein republikanisches Erziehungssystem verankert werden können. Deswegen gründeten sie weltweit viele Schulen, die im Laufe eines Jahrhunderts dann von fast 600.000 jungen Juden besucht wurden.

Die Absolventen organisierten sich in Vereinen, die häufig für die medizinische Versorgung und hygienische Erziehung sorgten. Es wurden Bibliotheken, Sportvereine, Ferienlager sowie Kurse für Erwachsene geschaffen – womit der traditionelle Fatalismus in den orientalisch-jüdischen Gemeinden gebrochen wurde.

Das Leitmotiv der AIU-Gründer war, die Jugend produktiv zu machen, sie wegzubringen vom Handel, damit sie ein Handwerk oder das Arbeiten in der Landwirtschaft erlernen.

Das Leitmotiv der AIU-Gründer war, die Jugend produktiv zu machen, sie wegzubringen vom Handel, damit sie ein Handwerk oder das Arbeiten in der Landwirtschaft erlernen.

Damit veränderte sich das Leben der Juden in muslimischen Ländern gründlich. Durch die französische Sprache eröffneten sich für die jungen Juden – insbesondere im Maghreb – Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs. Und obwohl es in der Kolonialverwaltung nicht wenige Antisemiten gab, half sie den Juden, sich von ihrer Unterdrückung zu befreien.

Zionismus Der Autor weist darauf hin, dass die AIU die Welle des Antisemitismus in Westeuropa seit den 1880er-Jahren falsch einschätzte. Die AIU hatte lange Zeit nichts übrig für den Zionismus, musste aber nach dem Ersten Weltkrieg erkennen, dass sich viele ihrer Schüler und Lehrer dafür begeisterten.

Bensoussan widerlegt die Legende vom guten Zusammenleben mit Muslimen, indem er die Pogrome dokumentiert sowie die Verfolgung und Diskriminierung der Juden in muslimischen Ländern. Er schildert, was die Allianz dagegen unternahm.

Die Gründer der Allianz haben versucht, die jüdische Tradition ihrer Väter mit der Modernität der Aufklärung und den Ideen der Französischen Revolution in Einklang zu bringen und den unterdrückten Juden des Orients eine Hand zu reichen.

Georges Bensoussan: »L’Alliance Israélite Universelle (1860–2020). Juifs d’Orient, Lumières d’Occident«. Éditions Albin Michel, Paris 2020, 373 S., 12,90 €

Österreich

Jüdische Familie aus Taxi geworfen

In Wien beschimpfte ein Uber-Fahrer seine jüdischen Gäste und attackierte dann den Familienvater

von Nicole Dreyfus  19.08.2025

Tschechien

Im Versteck der Zeit

Auf einem Hügel über Brünn liegt die Villa Wittal, fast unberührt seit der Deportation ihrer Bewohner 1942. Bald wird sie ein Ort für Gäste aus aller Welt – und das Herz eines Festivals, das Geschichte und Gegenwart verbindet

von Kilian Kirchgeßner  19.08.2025

Schweiz

Ein Mandat, das für Irritationen sorgt

Der World Jewish Congress fordert von der UBS mehrere Milliarden Dollar Entschädigung und holt dafür Urs Rohner, Ex-Verwaltungsratspräsident der früheren Credit Suisse, ins Boot

 19.08.2025

Österreich

Auge in Auge mit Antizionisten

Wie spricht man mit Menschen, die Israel hassen? Und was, wenn sie Juden sind? Ein Selbstversuch in Wien

von Gunda Trepp  18.08.2025

Berlin

Sam Altman: Ehrung von Axel Springer SE

Der amerikanische Jude gilt als Vordenker auf dem Feld der KI und als Architekt einer neuen technologischen Ära

 18.08.2025

Meinung

Soll die Schweiz Palästina anerkennen?

Eine Anerkennung von Palästina wäre für die Schweiz ein außenpolitischer Kurswechsel, von dem niemand profitiert

von Nicole Dreyfus  17.08.2025

USA

»Don’t dream it, be it!«

Auch die »Rocky Horror Picture Show« hat jüdische Seiten. Und dabei geht es nicht nur um Bagels. Mazal tov zum Fünfzigsten!

von Sophie Albers Ben Chamo  17.08.2025

Zürich

Die gute Seele der Gemeinde

Seit 13 Jahren sorgt der muslimische Hausmeister Michel Alassani dafür, dass im Gebäude der Israelitischen Cultusgemeinde alles rundläuft

von Nicole Dreyfus  14.08.2025

Slowakei

»Wir würden es als großen Verlust empfinden«

Durch beherztes Handeln konnte die Stadtverwaltung von Prešov die Schließung des örtlichen Jüdischen Museums verhindern

von György Polgár  12.08.2025