Mali

Tatort Timbuktu

Markttreiben in Timbuktu Foto: dpa

Mali? Man kennt das Land als westafrikanischen Staat, der in diesem Jahr häufig in den Schlagzeilen der Medien war: Militärputsch, mögliche Abspaltung des Nordens, Entführungen, Unsicherheit. Mali aber in einen »jüdischen Zusammenhang« zu bringen, scheint kaum möglich.

Doch der Eindruck täuscht. Das erfuhren kürzlich die Zuhörer an der Basler Universität, die zu einem Vortrag von Ismail Diadié Haidara gekommen waren. Der aus Mali stammende Historiker und Dichter sprach über die »Biblioteca Andalusi de Tombuctu«. Diese Bibliothek, deren Begründer er selbst ist, umfasst mehr als 12.000 Manuskripte und Dokumente. Eröffnet wurde sie 2003, teilweise mit Geld der spanischen Regierung. Dass sich Spanien in Schwarzafrika engagierte, obwohl Mali nie spanische Kolonie war, hat mit der ursprünglich jüdischen Familie Ka’ti zu tun, der auch Haidara selbst entstammt.

»Judendörfer« Einer seiner Vorfahren sei im 14. Jahrhundert von Andalusien nach Afrika gezogen und habe sich an der heutigen Grenze zwischen Mali und Mauretanien niedergelassen. Auch Juden zogen in jener Zeit wegen der aufkommenden spanischen Inquisition nach Afrika. Die Familie Ka’ti, deren damalige Mitglieder ebenfalls zu den Flüchtenden gehörte, gründete drei »Judendörfer« in der Nähe von Timbuktu, der großen alten Handelsstadt von Mali: Kirshamba, Haybomo und Kongougara. Allerdings war diese Blüte jüdischen Lebens in Schwarzafrika von eher kurzer Dauer: König Askia Muhammed eroberte die Gegend und stellte die Juden vor die Wahl: Übertritt zum Islam oder Vertreibung.

Erst um 1860 lassen sich wieder jüdische Spuren in der Gegend finden: Ein Rabbiner Mordoche Aby Serour aus Marokko sei nach Timbuktu gereist, um Elfenbein und Straußenfedern zu verkaufen. Er hat schriftliche Zeugnisse hinterlassen. Durch das Studium dieser Texte, erklärt Haidara, fand er heraus, dass er offenbar selbst teilweise von marokkanisch-jüdischen Händlern abstammt: »Ich sprach mit Dorfältesten, die mit mir verwandt waren, und musste feststellen, dass sie – wie die ›Maranen‹ in Spanien – ihre Geschichte und ihre ursprüngliche jüdische Identität aus Angst vor Verfolgung für sich behielten.«

»Dhimmis« Zeitweise gab es in Timbuktu zu jener Zeit eine winzige Gemeinde, doch weil die Juden den Status von »Dhimmis«, nicht-muslimischen »Schutzbefohlenen«, hatten, durften sie weder eine offizielle Gemeinde gründen, noch eine Synagoge betreiben und wurden auf einem separaten Friedhof beerdigt. In Timbuktu, heute eine Oasenstadt mit rund 55.000 Einwohnern, gibt es immerhin noch rund 1000 Menschen, die meinen, jüdische Vorfahren zu haben.

Dies war einer der Gründe für Haidara und andere, in den 90er-Jahren die Organisation »Sachor!« (hebr. »Erinnere dich!«) zu gründen. Muslimische Familien in Timbuktu stehen hinter dieser Organisation, die sich mit den jüdischen Wurzeln Westafrikas beschäftigt. Eine jüdische Gemeinde in Timbuktu gibt es heute nicht.

Seit nach dem Militärputsch im März dieses Jahres Salafisten Städte im Norden Malis besetzten, ist auch die Bibliothek und damit das jüdische Erbe in Gefahr. Auch deshalb sprach Haidara seit vielen Jahren erstmals wieder über seine Forschungsarbeit.

München/Gent

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