Ungarn

Synagogen aus Filz und Perlen

Möchte ihre Arbeiten nicht verkaufen: Edit Vörösváry (82) Foto: György Polgár

»Die Idee kam nach und nach«, sagt Edit Vörösváry. Eigentlich habe sie schon immer gern Figuren und Bilder aus Filzmaterial genäht. Als sie während des Covid-Lockdowns auf Pinterest nach neuen Motiven suchte, stieß sie auf das Bild einer Kapelle mit einer bunten Fensterrosette. Die gefiel ihr so gut, dass sie sie unbedingt in einer Stickarbeit mit kleinen Glasperlen auf Stoff darstellen wollte. Doch dann dachte sie: »Als Jüdin sollte ich es mit Synagogen versuchen!« Das war vor drei Jahren. Mittlerweile hat sich daraus eine Leidenschaft entwickelt.

Das Arbeiten erfordert nicht nur viel Geduld und Geschick, sondern auch Vorstellungskraft.

Die notwendige Technik hat Vörösváry, die früher Lehrerin und Schuldirektorin war, schrittweise ausgetüftelt: Zuerst sucht sie anhand von Bildern eine Synagoge aus, von der sie dann einen Entwurf zeichnet, der fast so präzise ist wie ein Bauplan. Dieser dient ihr als Schnittmuster. Mit dessen Hilfe schneidet sie die einzelnen Teile aus Filz aus und stellt das Bild vom Gebäude zusammen. Die Konturen und Verzierungen stickt sie mittels winziger, zwei Millimeter großer bunter Glasperlen auf das Material. Das erfordert nicht nur viel Geduld und Geschick, sondern auch Vorstellungskraft. Die Kunst besteht darin, die Gebäude mit einfachen Linien und Formen so wiederzugeben, dass man sie sofort erkennt. »Das bedeutet nicht, dass ich immer alles originalgetreu nachbilde«, räumt sie ein. »Gelegentlich weiche ich bewusst ab, um dem Bild eine persönliche Note zu geben.« Manchmal dauert es zwei Monate, bis ein Stück fertig ist.

Vörösváry ist nicht observant und kennt sich im Judentum wenig aus. Obwohl sie sich ihrer jüdischen Herkunft immer bewusst war, konnte sie keinen richtigen Bezug zu den Traditionen ihrer Vorfahren entwickeln. Die heute 82-Jährige hat den Holocaust als kleines Mädchen mit ihrer Mutter in Budapest überlebt – unter Lebensgefahr hetzten die beiden von einem Versteck zum anderen. Vörösvárys Vater hatte kein Glück, er wurde verschleppt und ermordet, genauso wie der Rest der Verwandtschaft. Über diese Zeit hat Edit Vörösvárys Mutter ihr Leben lang geschwiegen. Die Tochter hat erst durch ihr neues Hobby zum Jüdischsein zurückgefunden. Sie hat viel über Synagogen gelesen und kennt sich inzwischen gut aus mit der Geschichte der Bethäuser und deren Architektur. Eine ihrer ersten Arbeiten war die Abbildung der Großen Synagoge in Budapest – sie ist das größte jüdische Bethaus in Europa.

Eine ihrer ersten Arbeiten war die Abbildung der Großen Synagoge in Budapest.

Vörösvárys Lieblingsstück ist jedoch eine kleine hölzerne Dorfsynagoge aus dem Jahr 1747. Sie existiert heute nur noch auf alten Aufnahmen.
Zurzeit arbeitet Edit Vörösváry an der Synagoge von Beregowo, einer Stadt, die heute im Westen der Ukraine liegt und bis zu den Grenzverschiebungen nach dem Ersten Weltkrieg zu Ungarn gehörte. Zu Sowjetzeiten funktionierte man das Gebäude zu einem Kulturzentrum um und verblendete die imposante Fassade mit einer grauen Betonwand. Vor anderthalb Jahren sollte sie freigelegt werden, doch dann kam der Krieg dazwischen. Bislang hat Vörösváry 27 Bilder angefertigt. Verschenken oder verkaufen käme für sie nicht infrage, zu stark hänge sie an den Arbeiten. Freunde hätten ihr vorgeschlagen, sie in einer Ausstellung zu zeigen. »Das kann ich mir eher vorstellen«, sagt sie, auch wenn das mit einem großen Aufwand einhergehe.

Man könne die Bilder jedoch nicht einfach so aufhängen. Es brauche ein Konzept, und zu jedem einzelnen Bild müsse es eine Erläuterung geben, wendet sie ein. »Nun ja, ich mache noch einige schöne Synagogen fertig, und dann können wir über eine Schau reden!«

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  13.11.2025

Ausstellung

Avantgardistin der Avantgarde

Berthe Weill förderte nicht nur die moderne Kunst der Jahrhundertwende, als Galeristin war sie selbst eine Schlüsselfigur. Eine Ausstellung in Paris ehrt die Pionierin

von Sabine Schereck  13.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Zürich

Goldmünze von 1629 versteigert

Weltweit existieren nur vier Exemplare dieser »goldenen Giganten«. Ein Millionär versteckte den Schatz jahrzehntelang in seinem Garten.

von Christiane Oelrich  11.11.2025

USA

Mehrgewichtig, zionistisch und stolz

Alexa Lemieux ist Influencerin in den sozialen Medien und zum Vorbild für viele junge jüdische Frauen geworden

von Sarah Thalia Pines  11.11.2025

Prag

Der Golem-Effekt

Seit mehr als fünf Jahrhunderten beflügelt das zum Schutz der Juden geschaffene Wesen aus Staub und Worten die Fantasie. Ein Blick zurück mit Büchern, Filmen und den »Simpsons«

von Sophie Albers Ben Chamo  11.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Wien

Österreichs Regierung mit neuer Strategie gegen Antisemitismus

KI-gestützte Systeme zum Aufspüren von Hate Speech, eine Erklärung für Integrationskurse, vielleicht auch Errichtung eines Holocaust-Museums: Mit 49 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 will Wien gegen Antisemitismus vorgehen

 10.11.2025

Jerusalem

Zerstrittene Zionisten

Der Zionistische Weltkongress tagt zum 39. Mal seit seiner Gründung im Jahr 1897 durch Theodor Herzl. Doch das Treffen droht zum Fiasko für die Organisation zu werden. Die Hintergründe

von Joshua Schultheis  10.11.2025