Argentinien

Spiel, Satz, Diego!

Bekannt für sein intelligentes Spiel und seinen dynamischen Einsatz: Diego Schwartzman Foto: imago

Argentinien

Spiel, Satz, Diego!

Der Tennisstar Diego Schwartzman, Platz 11 der Weltrangliste, steht demnächst in Wimbledon auf dem Platz

von Andreas Knobloch  25.06.2018 19:35 Uhr

Mit stehendem Applaus und Sprechchören feierten die knapp 15.000 Zuschauer Diego Schwartzman, als dieser den Center Court verließ. Dabei hatte der Argentinier gerade sein Viertelfinale-Match bei den French Open gegen Sandplatzkönig Rafael Nadal verloren.

Aber Schwartzman hatte geschafft, was schon lange keinem mehr beim zweiten Grand-Slam-Turnier des Jahres gelungen war: Er hatte Nadal einen Satz abgenommen. Im Vorjahr war Nadal noch ohne Satzverlust durch das Turnier marschiert; und auch bei seinem neuerlichen Triumph gab er einzig gegen Schwartzman einen Durchgang ab – nach 37 Satzgewinnen in Folge.

Schwartzman hatte dem Rekordchampion fast vier Stunden lang mit Mut und Leidenschaft Paroli geboten und ihn immer wieder in die Enge getrieben. Das honorierten die Zuschauer.

bestplatziert Mittlerweile auf Platz 11 der Weltrangliste, ist Diego Schwartzman der zurzeit bestplatzierte jüdische Tennisprofi und zugleich der einzige unter den besten 100 der Welt. Gleichzeitig ist der 25-Jährige mit nur 1,70 Meter Körpergröße der mit Abstand kleinste Spieler in den Top 100.

Die Weltrangliste wird heute dominiert von Spielern mit Gardemaß. Der kroatische Aufschlagriese Ivo Karlovic überragt Schwartzman gar um 41 Zentimeter.

»Ich hoffe, dass die Leute verstehen, dass Tennis für alle da ist, nicht nur für die Großen«, erklärte Schwartzman, der nicht von ungefähr »el Peque«, der Kleine, gerufen wird. »Manchmal hilft es, groß zu sein, weil du sehr schnell aufschlagen kannst, und von der Grundlinie kannst du härter schlagen, weil deine Arme länger sind als meine. Aber ich war immer so, und ich habe immer versucht, besser zu werden, ohne darüber nachzudenken, wie groß ich bin.«

Trainiert von dem argentinischen Ex-Profi Juan Ignacio Chela, ersetzt Schwartzman die fehlenden Zentimeter durch intelligentes Spiel und einen von Laufbereitschaft getragenen, sehr dynamischen Einsatz. Bisher schlagen zwei Turniersiege für Schwartzman zu Buche: im Februar dieses Jahres in Rio de Janeiro sowie 2016 in Istanbul, wo er im Jahr zuvor im Halbfinale knapp dran gewesen war, Roger Federer zu schlagen. Beide Turniere werden auf Sand gespielt – Schwartzmans Lieblingsbelag.

Herkunft Zum Tennis kam er durch seine Mutter Silvana, die selbst auf Amateurniveau gespielt hat. Er wuchs als jüngstes von vier Geschwistern in einer jüdischen Familie in Buenos Aires auf. Seine Vorfahren stammen aus Deutschland, Polen und Russland. Von dort flüchteten sie in den 30er- und 40er-Jahren vor den Nazis nach Südamerika. Einem deutschen Journalisten sagte Schwartzman kürzlich, dass seine Urgroßmutter mütterlicherseits nach Auschwitz deportiert werden sollte, aber entkommen konnte. Genaueres wisse er allerdings nicht.

Mit sieben Jahren meldeten ihn seine Eltern im örtlichen Tennisklub an, wo man ihn schon bald stundenlang mit seinem Vater Ricardo trainieren sah. Bereits in jungen Jahren hatte Diego ein »unglaubliches Timing«, erinnern sich die Eltern. Obwohl er kaum übers Netz schauen konnte, wollte er nie mit einem Juniorenschläger, sondern immer mit dem großen Racket spielen.

Als Schwartzman 13 Jahre alt war, teilten ihm die Ärzte mit, dass er nicht größer als 1,70 Meter werden würde. Niedergeschlagen von der Prognose wollte er schon mit dem Tennis aufhören. Aber seine Eltern überzeugten ihn, an seinen Traum zu glauben und dafür zu kämpfen.

Und tatsächlich, mit 17 wurde Diego Schwartzman Tennisprofi. In seiner Heimat wird er mittlerweile auf der Straße erkannt. Und vor allem die jüdische Gemeinde ist stolz auf ihr sportliches Aushängeschild.

Im Laufe der Jahre hat sich Schwartz­man mit einigen israelischen Spielern wie Dudi Sela oder Jonathan Erlich angefreundet. Erlich ist ebenfalls in Buenos Aires geboren, aber wuchs später in Israel auf.

fussball Wie viele Argentinier ist Diego Schwartzman – seinen Vornamen erhielt er zu Ehren von Diego Armando Maradona – ein großer Fußballfan. Immer wenn es der Turnierplan erlaubt, was nicht oft der Fall ist, macht er einen Abstecher ins Stadion seines Lieblingsklubs Boca Juniors. Als Junge kickte Schwartzman bei Club Social Parque, dem Verein, in dem früher auch sein Idol Juan Román Riquelme spielte.

Nach dem Aus Anfang des Monats in Paris machte Schwartzman vor seiner Rückkehr nach Argentinien einen Zwischenstopp in Barcelona, wo sich die argentinische Fußballnationalmannschaft auf die WM vorbereitete. Er schaute beim Training vorbei und schoss Erinnerungsfotos mit den Spielern.

»Ich bitte Fußballspieler immer, ein Foto mit mir zu machen. Ich liebe Fußball. Ich schaue jeden Tag Fußball«, sagt Schwartz­man. »Hier beim Tennis habe ich ein bisschen Angst, nach einem Foto zu fragen. Wenn ich Vertrauen habe, frage ich Rafael Nadal oder Roger Federer. Ich versuche immer, ein Foto mit ihnen zu machen, aber es fällt mir schwer zu fragen.«

Nach einer Niederlage gegen Nadal im Viertelfinale von Monte-Carlo im vergangenen Jahr bat er diesen um sein Trikot und ließ es sich signieren. Es hängt nun in seiner Wohnung in Buenos Aires an der Wand.

Auf dem Platz aber spielt Schwartz­man mittlerweile auf Augenhöhe mit den ganz Großen seines Sports, wie das Match in Paris gegen Nadal gezeigt hat. In der Runde davor hatte Schwartzman den in der Weltrangliste vor ihm platzierten Kevin Anderson (Rang 7) nach 0:2-Satzrückstand noch besiegt.

Wenn er gegen Spieler wie Anderson antrete, die ihn um fast zwei Köpfe überragen, versuche er immer, an die biblische Erzählung von David gegen Goliath zu denken, sagte Schwartzman nach der denkwürdigen Begegnung. Sie ist ein bisschen auch seine Geschichte.

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Hollywood

80 Jahre Goldie

Die quirlige Schauspielerin feiert ihren runden Geburtstag – und ist nicht zu bremsen

von Barbara Munker, Sophie Albers Ben Chamo  23.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025

Russland

Der Vater der israelischen Rüstungsindustrie

Emanuel Goldberg war ein genialer Erfinder in der Weimarer Republik. Die Nazis sorgten dafür, dass er in Europa vergessen wurde. Doch bis heute macht der Mann aus Moskau Israel sicherer

von Leif Allendorf  20.11.2025