New York

Sorge nach »Superspreader-Hochzeiten«

Immer wieder muss die New Yorker Polizei bei jüdischen Gottesdiensten und Feiern einschreiten, weil die Coronaregeln missachtet werden. Foto: imago

»You may now infect the bride, the groom and all the guests!« Mit diesem spöttischen Satz leitete die »New York Post« Ende August einen Artikel ein, in dem auf das Problem der Verbreitung des Coronavirus bei gut besuchten jüdischen Hochzeiten in Brooklyn aufmerksam gemacht wurde. In New York geht die Angst um, dass gerade diese Feste erneut zu sogenannten »Superspreader Events« geworden sind und einen Anstieg der Corona-Infektionen ausgelöst haben. Dieser ist im Vergleich zu den Zahlen vom März oder April diesen Jahres zwar noch moderat, doch manche fürchten, dies könne sich bald ändern.

TEILNEHMERBEGRENZUNG Eigentlich gilt wegen der anhaltenden Corona-Pandemie im Bundesstaat New York immer noch eine Obergrenze von maximal 50 Personen für Zusammenkünfte und Feiern jedweder Art. Vor vier Wochen hatte ein Richter dieses Limit für Hochzeiten zwar als rechtswidrig angesehen und aufgehoben. Gegen diesen Beschluss legte Gouverneur Andrew Cuomo allerdings Berufung ein. Außerdem kündigte er an, weiterhin bei Verstößen gegen die Corona-Verordnungen rigoros einschreiten zu wollen.

Offenbar wurden bei zahlreichen Feiern die Corona-Beschränkungen regelmäßig missachtet.

Für Restaurants gelten dagegen andere Vorschriften: Sie dürfen bis zur Hälfte ihrer vorhandenen Plätze mit Gästen besetzen – auch wenn es mehr als 50 sind. In der Praxis bedeutet dies, dass für private Festessen und -empfänge andere Regeln gelten als für den normalen Restaurantbetrieb. Das sorgt für Unmut nicht nur bei den Betreibern von Gaststätten, sondern auch bei Hochzeitspaaren.

KALENDER Gerade in der Zeit zwischen den beiden Fastentagen im jüdischen Kalender, Tischa beAw und Jom Kippur, finden in New Yorker Stadtvierteln wie Williamsburg, Forest Hill und Far Rockaway viele Trauungen ultraorthodoxer Paare statt. In den drei Wochen vor Tischa beAw, der dieses Jahr auf den 30. Juli fiel, finden dagegen nur wenige jüdische Hochzeiten statt.

Offenbar wurden bei zahlreichen Feiern die Corona-Beschränkungen regelmäßig missachtet, denn die Zahl der Personen, die sich seit dem 15. August mit dem Coronavirus infiziert haben, ist gerade in diesen Gegenden signifikant angestiegen – ausweislich der Zahlen, die das Gesundheitsamt der Stadt New York veröffentlichte.

Im Frühjahr breitete sich das Coronavirus gerade in den Stadtteilen mit einer großen ultraorthodoxen Bevölkerung rasant aus.

Für Stuart Ditchek, Kinderarzt in Brooklyn, ist das kein Zufall. Ditchek sagte der Nachrichtenagentur JTA: »Seit Tisch beAw, als die Hochzeiten begannen, haben wir eine große Zahl von Fällen erlebt.« Ditchek praktiziert in Midwood, in dem eine große Gemeinde syrisch-stämmiger Juden lebt.

SEITENEINGANG In mehreren Sälen in Borough Park, dem Viertel mit der größten jüdischen Bevölkerungsdichte in New York City, wurden große Hochzeitsfeiern abhalten, ohne dass die Gäste Masken trugen oder Abstandsregeln beachtet hätten. Die »New York Post« berichtete von einer Feier, bei der der Betreiber des Festsaals die Gäste durch Fenster und einen Seiteneingang eintreten ließ – unbemerkt vor möglichen Polizeikontrollen.

Im Frühjahr breitete sich das Coronavirus gerade in den Stadtteilen mit einer großen ultraorthodoxen Bevölkerung rasant aus; die jüdische Gemeinschaft dort hatte überdurchschnittlich viele Todesfälle wegen Covid-19 zu beklagen.

APPELL Im Juni und Juli entspannte sich die Lage dann aber spürbar. Jetzt stellen Mediziner in chassidischen Gemeinden der Millionenstadt aber wieder einen spürbaren Anstieg der Corona-Zahlen fest. Unter den betroffenen Einrichtungen sind auch Synagogen und jüdische Schulen. Als Ursache werden neben den Hochzeitsfeiern auch Sommerferienlager und überfüllte Gottesdienste angesehen.

Unweit von New York City, auf Long Island, haben jüdische Ärzte deshalb einen offenen Brief verfasst, in dem sie die Gemeinde auffordern, gerade bei Hochzeiten und anderen Familienfeiern Vorsicht walten zu lassen und das Tragen von Gesichtsmasken ernster zu nehmen. Auch die Quarantäneregeln müssten besser eingehalten werden.

Der Brief endet mit dem Aufruf: »Sie vertrauen uns, dass wir Sie gut behandeln, wenn Sie krank und schwach sind, wenn es um Leben und Tod geht. Sie vertrauen uns, Ihre Babys auf die Welt zu bringen, Ihre Kinder zu behandeln, Ihre chronischen Krankheiten in den Griff zu bekommen und Ihre Knochenbrüche zu heilen. Wir alle zusammen bitten Sie, uns auch bei diesem Thema zu vertrauen.«

Großbritannien

Frauen haben Besseres verdient

Die Journalistin Marina Gerner beklagt in ihrem Buch fehlende Innovationen im Bereich Frauengesundheit – und eckt nicht nur mit dem Titel an

von Amie Liebowitz  28.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  28.11.2025

Niederlande

Demonstranten stören Vorlesung in Gedenken an Nazi-Gegner

An der Universität Leiden erzwangen antiisraelische Studenten die Verlegung einer Gedächtnisvorlesung zum Andenken an einen Professor, der während der Nazi-Zeit gegen die Judenverfolgung protestiert hatte

von Michael Thaidigsmann  28.11.2025

Großbritannien

Verdächtiger nach Anschlag auf Synagoge in Manchester festgenommen

Der Angriff auf die Synagoge am Vorabend des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur sorgte international für Bestürzung. Jetzt wurde ein weiterer Tatverdächtiger festgenommen

von Burkhard Jürgens  27.11.2025

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

Interview

»Meinungsvielfalt gilt es auszuhalten« 

Am 8. Dezember wählt die Gemeindeversammlung der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ein neues Präsidium. Ein Gespräch mit den Kandidaten über Herausforderungen an die Gemeinde, Grabenkämpfe und Visionen

von Nicole Dreyfus  27.11.2025

Schweiz

Antisemitismus auch in der queeren Szene benennen

Viele Jüdinnen und Juden fühlen sich teils unsicher, wenn in der queeren Szene über Israel gesprochen wird. Der Verein Keschet will das ändern

von Nicole Dreyfus  27.11.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

Meinung

Mit Kufiya und Waffen

Ein Kinderbuch mit Folgen

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.11.2025

USA

Personifizierter Hass

Menschen wie Nick Fuentes waren lange ein Nischenphänomen. Nun drängen sie in den Mainstream - und sind gefährlicher denn je

von Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Meinung

Die polnische Krankheit

Der Streit um einen Tweet der israelischen Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem zeigt, dass Polen noch immer unfähig ist, sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen

von Jan Grabowski  26.11.2025