Portugal

Sich der Geschichte stellen

Die Assembleia da República in Lissabon Foto: imago/Xinhua

Fast 500 Jahre nach der offiziellen Einführung der Inquisition im Jahr 1536 wird es in Portugal künftig einen Gedenktag für die vielen Tausend – größtenteils jüdischen – Opfer der Verfolgung geben. Das hat der Kulturausschuss des portugiesischen Parlaments am 4. Dezember einstimmig beschlossen.

BULLE Dieser Beschluss geht auf eine Online-Petition zurück, die von dem Historiker Jorge Martins gestartet wurde und im März dieses Jahres im Parlament eingereicht worden war. Darin wurde zum einen die Errichtung eines nationalen Denkmals für die Opfer der Inquisition vor dem Teatro Dona Maria II auf dem zentralen Lissabonner Platz Rossio gefordert, wo einst die Inquisitionsgerichte tagten. Zum anderen regte die Petition die Einführung eines Gedenktags für die Opfer am 23. Mai an, da an diesem Tag im Jahr 1536 mit dem Erlass der päpstlichen Bulle »Cum ad nil magis« die Inquisition begann.

Martins, der auch ein mehrbändiges Werk zur portugiesisch-jüdischen Geschichte veröffentlicht hat, hatte die Petition zunächst als Einzelperson gestartet. Innerhalb kürzester Zeit erhielt sein Anliegen über 600 Unterschriften. Auch zahlreiche Persönlichkeiten setzten ihren Namen unter die Petition. Neben José Oulman Carp, dem ehemaligen Präsidenten der jüdischen Gemeinde von Lissabon, unterzeichneten auch Francisco Louçã, Gründer des linksradikalen Bloco des Esquerda, Maria de Belém, ehemalige sozialistische Gesundheitsministerin, und Francisco Jo­sé Viegas, ein bekannter Literaturkritiker und ehemaliger Kulturstaatssekretär der liberal-konservativen Sozialdemokraten.

SCHULE Zu seinen Beweggründen sagt Martins, dass es ihm als Geschichtswissenschaftler vor allem darum ging, die grausame Geschichte der Inquisition in Portugal ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. »Ich weiß sehr gut, dass im portugiesischen Schulunterricht die Inquisition kein Thema ist und dass viele Portugiesen nichts über die verheerenden Folgen wissen«, erläutert er seine Motivation.

Innerhalb kürzester Zeit erhielt Jorge Martins Anliegen über 600 Unterschriften.

Schon vor fast 30 Jahren hatte Portugal unter dem damaligen Präsidenten Mário Soares um Vergebung für die Verfolgung der Juden ab 1496 gebeten. In Lissabon gibt es zudem seit zehn Jahren ein Denkmal für die Opfer des Pogroms von 1506, das an die rund 4000 ermordeten Juden erinnert und von der Stadt errichtet wurde.

Der Parlamentsausschuss nahm in seiner Begründung explizit Bezug auf die aktuellen Entwicklungen in Europa, die Zunahme des Antisemitismus in den vergangenen Jahren und die Einführung des nationalen Holocaustgedenktags in Portugal.

PETITION Der von den Antragstellern geforderten Errichtung eines Denkmals erteilte der Ausschuss aus rechtlich-administrativen Gründen eine Absage. Doch der Einführung eines Gedenktags stimmten die Parlamentarier zu und begrüßten die Inhalte der Petition. Allerdings schlugen die Abgeordneten eine kleine Änderung vor: Statt dem 23. Mai wird es nun der 31. März werden, der Tag der Abschaffung der Inquisition im Jahr 1821.

Einer der prominentesten Unterstützer der Petition ist Richard Zimler, ein portugiesisch-jüdischer Schriftsteller mit amerikanischen Wurzeln. Er sieht die Entscheidung des portugiesischen Parlaments positiv, doch äußert er sich skeptisch über den Umgang Portugals mit seiner Vergangenheit: »Ich glaube nicht, dass Portugal seine Geschichte erfolgreich aufarbeitet. Es muss vor allem an den Schulen viel ausführlicher gelehrt werden.«

Die jüdische Gemeinde von Lissabon zeigte sich über den Ausgang der Ausschussberatung zufrieden. »Wir begrüßen den einstimmigen Parlamentsbeschluss«, sagte der Vorsitzende der Gemeinde, Gabriel Steinhardt. »Wir sind davon überzeugt, dass dies ein weiterer wichtiger Schritt zur Stärkung der Beziehung Portugals zur jüdischen Gemeinde des Landes und zum Judentum im Allgemeinen ist.« Das vordringliche Ziel müsse sein, aus der Geschichte Lehren zu ziehen, um einen Rückfall in dunkle Zeiten zu verhindern.

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

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