Schweiz

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Beitrag zur Stadtökologie: der Judaist und Sozialanthropologe Daniel Lis auf dem Dach des Berner Gemeindehauses Foto: Lia Lis

Daniel Lis blickt von der Dachterrasse der Jüdischen Gemeinde Bern (JGB) hinab auf die Schweizer Hauptstadt. In der unmittelbaren Umgebung ist die amerikanische Flagge zu sehen. Sie weht im kräftigen Wind von der US-Botschaft, die sich direkt neben der Synagoge befindet. Etwas im Hintergrund sind die Berner Alpen zu sehen. Auf der anderen Seite der Dachterrasse ragt eine Steintafel in den Himmel, die »Rückseite« der Zehn Gebote, die auf dem Synagogengebäude angebracht ist.

»Wir stehen hier auf der einzigen freien Fläche der Jüdischen Gemeinde Bern außerhalb des Gemeindehauses« sagt Lis. Diese Fläche wolle man nutzen, um die Themen Religion, Ernährung und Ökologie miteinander zu verbinden.

halacha Daniel Lis gehört zu einer nach eigenen Angaben eher kleinen, aber aktiven Gruppe der JGB, welche die Gemeinde zunehmend für den Umweltschutz sensibilisieren möchte, und dies im Einklang mit der Halacha, dem jüdischen Religionsgesetz.

Eines Tages wollen sie auf dem Dach vielleicht auch Weinstöcke pflanzen.

Viele Gemeindemitglieder kämen, wenn überhaupt, nur an Sukkot aufs Dach des Hauses. Hier steht dann die Laubhütte, die rege benutzt wird. Weil es keinen Fahrstuhl gibt, sei dies für ältere Gemeindemitglieder allerdings manchmal etwas mühsam.

Die Idee, die Dachterrasse häufiger zu benutzen, kam vor drei Jahren – jedoch an einem anderen Feiertag, einem, der bis dahin, sagt Lis, in Bern kaum begangen worden sei. An Tu Bischwat, dem Neujahrsfest der Bäume, hätten Gemeindemitglieder erstmals einen Granatapfelbaum gepflanzt. Der überraschende Erfolg dieser ersten Anpflanzung ermutigte Lis und einige weitere Mitstreiter, das Experiment fortzusetzen: In einigen Paletten und Holzkisten pflanzten sie Gemüse, Salat und sogar einen Olivenbaum.

»Dahinter steckt die Idee, die landwirtschaftliche Bedeutung der jüdischen Feste deutlicher herauszustreichen.« So wurde beispielsweise für Pessach Meerrettich angebaut oder für Rosch Haschana ein Granatapfelbaum gepflanzt.

Weinstöcke sind bislang nur geplant. Doch haben sich einige Gemeindemitglieder bereits damit auseinandergesetzt – auch mit dem halachischen Gebot, dass zwischen den Stielen von Weinstock und Gemüse- oder Getreidepflanze ein Abstand von rund 1,80 Meter einzuhalten ist. Oder auch dem Verbot, in der Landwirtschaft verschiedene Saaten und Bäume zu mischen (Kilajim).

permakultur Daniel Lis ist promovierter Judaist und Sozialanthropologe. Zwei seiner Themenschwerpunkte sind Ökolo­gie und Landwirtschaft. In diesem Zusam­menhang ist er überrascht, dass die Agrargesetze der Halacha, die ebenso klar formuliert sind wie die Speisegesetze oder auch die Gebote vom Schabbat und den Feiertagen, oftmals weniger beachtet werden. »Dabei sind sie genauso wichtig wie die anderen.«

Der 44-jährige Vater zweier Kinder ist fasziniert von den Ideen der Permakultur, einem Konzept, das auf die Schaffung von nachhaltigen Kreisläufen zielt. Es stammt aus dem angelsächsischen Raum und will die bestehenden Ressourcen so gut wie möglich nutzen und die Naturkreisläufe wiederherstellen. So können beispielsweise Bohnen, die angebaut werden, den Boden gleichzeitig mit Stickstoff anreichern, sodass man nicht extra düngen muss.

Die Küchenabfälle vom Kiddusch kommen auf den gemeindeeigenen Komposthaufen.

In Bern heißt das auch, dass man die Küchenabfälle, die am Schabbat nach dem Kiddusch anfallen, nicht einfach in einem Abfallsack entsorgt, sondern sie auf der Dachterrasse in wertvollen Humus verwandelt. Und dies mithilfe von Kompostwürmern, »die irgendwie den Weg hier nach oben geschafft haben«, wie Daniel Lis augenzwinkernd erzählt.

wasser Auch mit dem Thema »Wasser« setzt man sich in der Berner Gemeinde auseinander. Für viele Menschen ist es spätestens seit dem trockenen Sommer des vergangenen Jahres äußerst dringlich geworden.

Lis und seine Mitstreiter versuchen, das Regenwasser auf der Dachterrasse in Sammelbehältern aufzufangen, um es später den Pflanzen per Tröpfchenbewässerung zuzuführen. Diese Methode ersetzt den Abfluss des Wassers in die Kanalisation, wo es verunreinigt wird und dann erst wiederaufbereitet werden muss.

Auch hier gibt es eine Querverbindung zum Judentum. »Wir hatten bisher in Bern keine Mikwe, die sich aus Regenwasser speist«, sagt Lis. Doch inzwischen gebe es Bestrebungen, eine einzurichten.

Der 44-jährige Vater zweier Kinder ist fasziniert von den Ideen der Permakultur.

Es sei erfreulich, fasst Lis das Projekt »Urban Gardening« zusammen, dass die Jungen mit von der Partie sind – und das sogar im Rahmen des Religionsunterrichts. Schließlich bekommen auch die Jugendlichen in der Schweiz die sogenannten Klima-Demos mit, und gelegentlich nimmt der eine oder andere jüdische Schüler daran teil.

Manche sagen, in gewisser Weise erfülle die Gemeinde mit ihrem Dachterrassenprojekt eine gewisse Pionierrolle in der Grünstrategie der Stadt Bern. Und das alles zu einem sehr geringen Betrag: »Die ganze Einrichtung hat nicht mehr als 200 Franken gekostet.«

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