Budapest

Schoa an der Donau

Gedenkort an der Donau Foto: dpa

Heute vor 70 Jahren begann die deutsche Besetzung Ungarns. Der Verband jüdischer Gemeinden des Landes, Mazsihisz, erinnert am Nachmittag vor der Großen Synagoge in der Budapester Dohánystraße an den Beginn der Schoa in Ungarn. Wie ein Sprecher der Organisation sagte, erwarte man mehr als 1000 Gäste, darunter Vertreter der ungarischen Regierung, den katholischen Erzbischof des Landes, den israelischen und den amerikanischen Botschafter sowie eine Delegation der Allgemeinen Rabbinerkonferenz aus Deutschland.

Nachdem Deutschland am 19. März 1944 Ungarn besetzt hatte, wurde eine neue Regierung installiert, die aus extremen Befürwortern des Nationalsozialismus bestand und die Besatzer äußerst bereitwillig bei der Judenverfolgung unterstützte. Bereits am ersten Abend der Besatzung wurden in Budapest und anderen Städten Hunderte Juden verhaftet und in Internierungslager verschleppt. Am 15. Mai begannen die Deportationen nach Auschwitz mit täglichen Transporten von 2000 bis 3000 Männern, Frauen und Kindern. Von den rund 800.000 ungarischen Juden wurden innerhalb eines Jahres mehr als 500.000 ermordet.

Gedenkjahr Die nationalistische Orban-Regierung, die im Ruf steht, Antisemitismus nicht entschlossen genug entgegenzutreten und Rechtsextremen nach dem Mund zu reden, hatte das Jahr 2014 zum Holocaust-Gedenkjahr erklärt. Viele Juden im Land waren am Anfang skeptisch, betrachteten die Initiative jedoch als Zeichen des guten Willens.

Die Regierung plante zusammen mit den jüdischen Gemeinden und unter Beteiligung des israelischen Staates eine Vielzahl von Aktivitäten – landesweite Gedenkfeiern, Synagogenrenovierungen, die Förderung der Erinnerungskultur in öffentlichen Einrichtungen sowie ein großes, neues Holocaust-Gedenk- und Bildungszentrum in Budapest.

Doch schon bald sahen sich viele ungarische Juden in ihren Vorbehalten bestätigt: Das Holocaust-Gedenkjahr begann mit amtlichem Geschichtsrelativismus und antisemitischen Skandalen. So sagten Anfang Februar die jüdischen Gemeinden und Verbände ihre Teilnahme ab. Das Geld, das ihnen der Staat für Veranstaltungen und Projekte im Gedenkjahr gegeben hatte, überwiesen sie zurück.

Denkmal Die größte Kontroverse löste Anfang des Jahres ein geplantes Denkmal zur Erinnerung an die deutsche Besetzung Ungarns aus. Es sollte auf dem Budapester Freiheitsplatz stehen und einen Reichsadler (Hitler-Deutschland) zeigen, der über den Erzengel Gabriel (Ungarn) herfällt. Das Denkmal sollte ausdrücklich »allen Opfern« gewidmet sein. Nach Lesart der Regierung endete Ungarns Souveränität am 19. März 1944. Der ungarische Staat sei also nur eingeschränkt oder gar nicht verantwortlich gewesen für den Holocaust an den ungarischen Juden.

Die jüdischen Gemeinden und zahlreiche jüdische Verbände protestierten gegen das Denkmal und forderten die Regierung auf, es nicht einzuweihen. Ein Sprecher der Regierungspartei Fidesz nannte die Debatte um das Denkmal »hysterisch«. Auch Ungarns Regierungschef Viktor Orbán verteidigte das Denkmal noch einige Wochen. In einem Brief an den Mazsihisz-Vorsitzenden Andras Heisler schrieb er Anfang des Jahres, es gebe Kräfte, die das Gedenken politisch ausschlachten würden, man werde diese Versuche jedoch entschieden zurückweisen.

Ursprünglich war geplant, das Denkmal diese Woche einzuweihen. Inzwischen hat die Regierung den Termin jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben.

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

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