Großbritannien

»Red Ed« ganz oben

Der neue Frontman: Ed Miliband Foto: dpa

Großbritannien

»Red Ed« ganz oben

Mit Edward Miliband hat die Labour-Partei erstmals einen jüdischen Vorsitzenden

von Frank Diebel  28.09.2010 09:32 Uhr

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hat die britische Labour Party einen jüdischen Vorsitzenden: Der 40-jährige Edward Samuel Miliband wurde am Samstag in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit seinem älteren Bruder David zum Chef der britischen Sozialdemokraten gewählt. Nach vier Auszählungsrunden erreichte Ed Miliband 50,65 Prozent der Stimmen, sein Bruder David 49,35 Prozent. Eine Überraschung für viele, galt doch lange Zeit der ältere Miliband als Spitzenkandidat für den Posten des Parteichefs. Die Medien favorisierten David, den man für charismatisch und konservativ hält – und der mehr der politischen Mitte zugewandt ist.

Spitzname Kaum im Amt, hat der Sohn von Ralph Miliband, einem der führenden marxistischen Theoretiker des 20. Jahrhunderts, bereits seinen Spitznamen weg: »Red Ed« nennt die britische Presse den neuen Parteichef aufgrund seiner Nähe zu den Gewerkschaften – und das nicht zu Unrecht: Seine Wahlkampagne richtete sich an die Stammwähler der britischen Sozialdemokraten, die einst von Tony Blair und seiner New-Labour-Bewegung verprellt worden waren, und wurde von nicht weniger als sechs Gewerkschaften unterstützt. Gleich in seinem ersten BBC-Fernsehinterview nach der Wahl wollte der neue Labour-Chef etwaige Vorurteile jedoch aus dem Weg räumen: »Über eines bin ich mir im Klaren: Ich bin mein eigener Mann«, erklärte er selbstbewusst.

»Wir dürfen nie wieder den Draht zur Mitte unseres Landes verlieren«, schrieb Miliband außerdem bereits weniger als 24 Stunden nach seiner Wahl in der konservativen britischen Sonntagszeitung Sunday Telegraph. »Mein Ziel ist zu zeigen, dass unsere Partei auf der Seite der Mitte unseres Landes ist; auf der Seite von allen, die hart gearbeitet haben und weiterkommen wollen.«

Mutter Kann der frischgebackene Parteichef auch die Stimmen der jüdischen Wählerschaft in Großbritannien zurückgewinnen? Viele britische Juden ziehen zwar traditionell die Labour Party vor, hatten sich aber seit Gordon Browns Amtszeit von den Sozialdemokraten abgewandt. Aufgrund seiner Nähe zu den britischen Gewerkschaften, die traditionell israelkritisch sind, dürfte es Ed Miliband allerdings schwer fallen, die vergrätzten jüdischen Labour-Anhänger wieder ins Boot zu holen. Erschwerend kommt hinzu, dass seine Mutter Marion Kozak Mitglied der britischen Organisation »Jews for Justice for Palestinians« ist.

Milibands größte Hürde dürfte aber die britische Wirtschaftsmisere sein. »Die Labour-Partei kann keine Wahl gewinnen«, sagte Polly Toynbee, Kolumnistin der Londoner Tageszeitung The Guardian, »wenn sie nicht selbst eine wirklich solide Wirtschaftsstrategie vorlegt.« Außerdem will der neue Parteichef soziale Ungerechtigkeit abbauen und britische Arbeiter beim Wettlauf um Jobs mit Migranten unterstützen. Ein fragwürdiges Vorhaben, stammt der Labour-Chef doch selbst aus einer Familie von Einwanderern: Geboren in Brüssel, flüchtete sein Vater Ralph 1940 vor den herannahenden deutschen Truppen nach Großbritannien.

Karriere Ed Miliband hat eine sehr steile Karriere bei den britischen Sozialdemokraten hinter sich. Er studierte zunächst Philosophie, Politik und Wirtschaftswissenschaften an der renommierten Universität von Oxford und stieß in den 80er-Jahren zur Labour-Partei. Nachdem Gordon Brown 1997 Finanzminister wurde, machte er Ed Miliband zu einem seiner Berater. 2005 wurde Miliband unter dem damaligen Premierminister Tony Blair Parlamentsabgeordneter. Und nachdem Gordon Brown zum Premierminister gekürt worden war, wurde Miliband im Juni 2007 als Minister für Energie und Klimawandel Mitglied des Kabinetts.

»Red Eds« Aufgabe ist klar: Er soll den seit den Tagen von New Labour bestehenden Graben zwischen den Anhängern von Gordon Brown beziehungsweise Tony Blair in der britischen Labour-Partei zuschütten. Ob ihm das gelingen wird, bleibt fraglich, denn sein äußerst knapper Wahlsieg macht deutlich, dass sich Labour noch zutiefst uneins ist. Knapp die Hälfte der Parteimitglieder hatte schließlich seinem Bruder David die Stimme gegeben. Problematisch sind auch Eds Nähe zu den Gewerkschaften und sein marxistischer Vater – zwei Pferdefüße, an die ihn die britische Presse nur zu gerne immer wieder erinnern wird.

USA

Angriff auf Cousin einer ermordeten Geisel

Ariel Yaakov Marciano wurde in Santa Monica angegriffen und geschlagen, weil er Hebräisch sprach

 17.09.2025

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025