Das religiöse Mosaik gehört zum Markenzeichen des Libanon. Die Einzigartigkeit des multikonfessionellen Systems betonte der libanesische Präsident Joseph Aoun bei der Ankunft von Papst Leo XIV. und rief die Welt zu dessen Schutz auf. Nicht weniger als 18 Religionsgemeinschaften erkennt das Land an, darunter bis heute das Judentum. Seine Geschichte im Libanon geht zurück in biblische Zeiten. Beim interreligiösen Treffen, das im Rahmen des Papstbesuchs auf dem Beiruter Märtyrerplatz stattfand, war kein offizieller jüdischer Vertreter geladen.
Eine »sehr kleine Zahl von Juden« lebe heute im Libanon, hält das »World Factbook« des CIA fest und reiht die Anhänger der abrahamitischen Religion zahlenmäßig ein in die Liste der staatlich nicht anerkannten Bahai, Buddhisten und Hindus. Je nach Quelle der Schätzung reicht die Zahl der heute im Libanon lebenden Juden von wenigen Dutzend bis ein paar Hundert. Dazu kommen ein paar weitere Hundert im Ausland, die weiterhin Kontakt in die alte Heimat pflegen oder dort Grundbesitz haben. Insgesamt soll es rund 5.500 wahlberechtigte jüdische Auslandslibanesen geben.
Flucht in den Libanon
Auch was die jüdische Bevölkerung vor 1948 betrifft, gehen die Schätzungen auseinander - von etwa 10.000 bis über 20.000. Einig sind die Angaben aber darin, dass im Gegensatz zum Massenexodus und der Vertreibung von Juden in anderen arabischen Ländern die jüdische Gemeinschaft im Libanon mit der Geburt des Staates Israel wuchs.
Jüdische Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak, die es vorzogen, in ihrem Kulturkreis zu bleiben, statt in die »Heimstätte des jüdischen Volkes« Israel zu ziehen, suchten in Beirut Schutz. Anders als in anderen Ländern verurteilten Politiker und Religionsführer im Libanon Kundgebungen und Gewalt gegen Juden. Auf zwischen 24.000 bis 40.000 soll sich die libanesische jüdische Gemeinde nach der Staatsgründung Israels vergrößert haben.
Andere, die als Kinder mit ihren Eltern nach Israel abwanderten, kamen später als israelische Soldaten zurück, als Israel 1982 Beirut belagerte und den Hass vieler Libanesen auf den südlichen Nachbarn zusätzlich schürte. Mitte der 1980er Jahre entführte und ermordete die Hisbollah mehrere prominente jüdische Vertreter.
Weiterhin geschützt
Doch auch wenn 1948 die jüdischen Feiertage aus dem staatlichen Feiertagskalender gestrichen wurden: Bis heute garantiert die libanesische Verfassung Juden Schutz und Selbstbestimmungsrechte. Noch in den 1960er Jahren, heißt es, gab es über ein Dutzend Synagogen im Land, als größte von ihnen die in den 20er-Jahren erbaute Magen-Abraham-Synagoge in Beirut. Zeitzeugen zufolge wurden die Bethäuser rege genutzt.
Was all den arabisch-israelischen Kriegen nicht gelang, sollte der libanesische Bürgerkrieg schaffen. Von 1975 bis 1990 kostete er etwa 150.000 Libanesen das Leben, zerstörte die Lebensgrundlage von Hunderttausenden. Etwa eine Million verließ das Land, darunter die Mehrheit seiner Juden und der letzte Rabbiner. Viele zog es nicht etwa nach Israel, sondern nach Frankreich, in die USA, nach Kanada oder Lateinamerika. Manche von ihnen reisten erst unmittelbar vor dem Bürgerkrieg aus.
Renoviert, aber ohne Besucher
Der Krieg traf das Land, seine jüdische Gemeinde und ihre Gotteshäuser. Er tobte rund um das jüdischen Viertel Wadi Abu Jamil, das in großen Teilen zerstört wurde. Was nicht den Kampfhandlungen zum Opfer fiel, wich später luxuriösen Großbauprojekten. Auch die Magen-Abraham-Synagoge erlitt Schäden, wurde aber wieder aufgebaut - zweimal inzwischen, auch nach der verheerende Hafenexplosion von August 2020. Jedoch hat sie kaum noch Besucher, und nicht nur, weil die jüdische Gemeinde klein ist und selten öffentlich zusammentritt. Die Sicherheitsvorkehrungen um das nahe gelegene Parlament und den Sitz des Ministerpräsidenten spielen eine Rolle.
Dem mittlerweile verschwundenen jüdischen Viertel und seinem Erbe widmet sich ein eigenes Online-Portal; die Magen-Abraham-Synagoge hat eine eigene Facebook-Gruppe und eine weitere namens »Conseil Communal Israélite Libanais« berichtet über jüdische Belange im Libanon.
Einer, der sich wiederholt für eine Wiederbelebung des jüdischen Lebens im Libanon aussprach, damit aus der Synagoge kein Museum werde, war der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde im Libanon, Isaac Arazi. Er starb im Dezember 2023. Ein Jahr später starb auch einer der letzten offen jüdisch lebenden Libanesen im Libanon: der Kunstkritiker, Journalist und Schriftsteller Joseph Tarrab.