Geschichte

Mussolini als Souvenir

In einem Souvenir-Shop in Predappio: In der italienischen Gesellschaft sind Mythen über Benito Mussolini als humaner Diktator noch immer weit verbreitet. Foto: dpa

Schwerer Lilienduft nimmt den Besuchern der Familiengruft in Predappio fast den Atem. Kaum ein Ort des Gedenkens wird in Italien so sorgsam gepflegt wie das Grab des faschistischen Diktators und Hitler-Verbündeten Benito Mussolini (1883–1945) in seinem Geburtsort in der Nähe von Rimini.

Andenkenläden verkaufen an der Hauptstraße T-Shirts, Schmuck und Tassen mit SS-Abzeichen und Hakenkreuzen sowie Hitlers Mein Kampf und Schriften italienischer Faschisten. Wer einen kleinen Einkauf tätigt, bekommt noch ein paar Postkarten mit »Duce«-Fotos vom Faschistenführer dazu geschenkt. Nicht nur in Predappio, sondern auch an vielen anderen Orten werden Weinflaschen mit dem Konterfei des italienischen Diktators zum Verkauf angeboten und Mussolini-Jahrestage mit Versammlungen begangen.

verbot Seit den 50er-Jahren steht zwar der Versuch, die faschistische Partei in Italien wieder zu gründen, unter Strafe. Doch erst vor wenigen Tagen verabschiedete das italienische Parlament in erster Lesung ein Gesetz zum Verbot faschistischer und nationalsozialistischer Propaganda, das noch durch den Senat muss. Verherrlichung des Faschismus kann demnach mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet werden.

Allerdings: Mehr als 100 Parlamentsabgeordnete stimmten dagegen. Kritik an der Gesetzesvorlage kam von mehreren Seiten: Der ehemaligen Regierungspartei Forza Italia etwa missfällt, dass sie nur faschistische Propaganda, aber nicht kommunistische oder dschihadistische Ideen unter Strafe stellt. Die Protestpartei Fünf-Sterne-Bewegung sieht darin gar einen unzulässigen Eingriff in die Meinungsfreiheit.

Der Verfasser der Gesetzesvorlage, Emanuele Fiano, ist Sohn eines Auschwitz-Überlebenden. Er erklärt sein Vorgehen mit der Wut in der Bevölkerung, die unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise und der Zuwanderung von Flüchtlingen gewachsen sei. »Dieser hochgradig entzündliche Kontext wird unterschätzt.«

Gesetz Der stellvertretende Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Rom, Ruben Della Rocca, begrüßt die Gesetzesinitiative. Wichtiger jedoch, sagt er, sei die Aufarbeitung des italienischen Faschismus und entsprechender Unterricht an den Schulen. »Und ich warte noch immer darauf, dass ein italienischer Präsident um Vergebung für den Verrat an den eigenen Bürgern bittet, wie dies in Frankreich geschehen ist.«

Ob ein Gesetz reichen würde, daran zweifelt auch Faschismus-Experte Lutz Klinkhammer vom Deutschen Historischen Institut Rom: »Man will mit strafrechtlicher Keule ein gesellschaftliches Bewusstsein erzeugen.«

Antisemitismus und Faschismus sind in Italien in einigen Kreisen salonfähig. Das demonstrierte zuletzt der rechtskonservative Abgeordnete Massino Corsaro. Auf Facebook postete er ein Foto des aus einer jüdischen Familie stammenden Fiano mit einem antisemitischen Kommentar. Am Jahrestag der Erschießung Mussolinis durch Partisanen, dem 28. April, versammeln sich in Mailand jedes Jahr Neofaschisten, ihre Pilgerfahrt führt nach Predappio. Italienische Hooligans zeigen gern das bei italienischen Rechtsradikalen beliebte Keltenkreuz.

Hitlergruß Mit dem sogenannten römischen Gruß mit erhobenem Arm, der Urform des Hitlergrußes, bejubelte der Fußballstar Paolo Di Canio im Stadion einen Sieg seiner Mannschaft SS Lazio. Erst als Zuschauern der auf seinen Arm tätowierte Schriftzug »Dux« für den italienischen Diktator Mussolini auffiel, setzte der Privatsender Sky Italia im vergangenen Jahr Di Canios Fußballsendung ab.

In der italienischen Gesellschaft seien Mythen über angeblich positive Seiten des Faschismus und Benito Mussolini als humaner Diktator noch immer weit verbreitet, warnt Historiker Klinkhammer. »Bis heute gibt es keine Forschungseinrichtung und kein Museum.«

Die Mythen über die Vergangenheit würden über die parteipolitischen Grenzen hinweg gepflegt. Nur so sei es zu erklären, dass faschistische Gebäude kritiklos erhalten würden: Im krisengeplagten Rom gehören das Stadion mit faschistischen Skulpturen und die Tiberbrücke mit Reliefs von Getreidebündeln – im Lateinischen »fasces« genannt – zu den am besten gepflegten Denkmälern.

Hurrikan Melissa

»Ich habe seit einer Woche nicht geschlafen«

Wie ein Rabbiner vom Wirbelsturm in Jamaika überrascht wurde – und nun selbst Betroffenen auf der Insel hilft

von Mascha Malburg  06.11.2025

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  05.11.2025 Aktualisiert

New York

ADL will Mamdani unter Beobachtung stellen

Die Anti-Defamation League erwartet vom neugewählten New York Bürgermeister nichts Gutes. Jetzt hat die jüdische Organisation angekündigt, man werde genau hinschauen

 05.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  05.11.2025 Aktualisiert

Essay

Mamdanis demokratische Steigbügelhalter

Führende Politiker der Demokraten haben aus Opportunismus die Wahl des Israel-Hassers Zohran Mamdani zum New Yorker Bürgermeister ermöglicht - und so in Kauf genommen, dass aus Worten gegen Israel wieder Gewalt gegen Juden werden könnte

von Menachem Z. Rosensaft  05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025

Spanien

Francos Erbe

Das Land, das den Sefardim einst ihren Namen gab, verlangt seinen Juden heute einiges ab

von Valentin Suckut  03.11.2025